Urteil vom 07.03.2007 - BVerwG 8 C 26.05

JurisdictionGermany
Judgment Date07 Marzo 2007
Neutral CitationBVerwG 8 C 26.05
ECLIDE:BVerwG:2007:070307U8C26.05.0
CitationBVerwG, Urteil vom 07.03.2007 - 8 C 26.05
Registration Date22 Enero 2013
Applied RulesVermG § 3 Abs. 1 Satz 4, § 3 Abs. 1 Satz 11,GG Art. 3 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1
CourtDas Bundesverwaltungsgericht
Record Number070307U8C26.05.0

BVerwG 8 C 26.05

  • VG Potsdam - 22.08.2005 - AZ: VG 9 K 3646/00

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 7. März 2007
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Gödel,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Pagenkopf,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. von Heimburg,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Postier und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hauser
für Recht erkannt:

  1. Die Revisionen der ehemaligen Beigeladenen M. W., B. G. und H. W. G. werden verworfen.
  2. Die Revisionen der Beklagten und des Beigeladenen
  3. H. M. G. werden zurückgewiesen.
  4. Von den Kosten des Revisionsverfahrens tragen die Beklagte die Hälfte, der Beigeladene H. M. G. und Rechtsanwalt J. R. je ein Viertel. Die Beigeladenen zu 2 bis 19 tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Gründe I

1 Die Beteiligten streiten um die Auskehr des Erlöses aus der Veräußerung des anmeldebelasteten Grundstücks Gemarkung St.-S., Flur 6, Flurstück 243. Das Flurstück ist heute im Grundbuch von St., Bl. 486 verzeichnet und hat eine Größe von 528 m².

2 Ursprünglich gehörten dieses und die umliegenden Grundstücke zum Waldbesitz des Gutes St. Zu Parzellierungszwecken wurde eine insgesamt etwa 28 ha große Fläche („Waldsiedlung St.“) abgeteilt, die in einen südlichen und einen nördlichen Teil zerfiel. Den südlichen, mehr als 12 ha großen Teil erwarb die Firma G. OHG durch Zuschlagsbeschluss des Amtsgerichts Oranienburg vom 19. Dezember 1931. Die Firma hatte ihren Sitz in Berlin-Wedding; Gegenstand des Unternehmens war die Fabrikation und der Vertrieb von Möbeln.

3 Inhaber waren die Brüder S. und L. G., die Juden waren. Sie beabsichtigten Anfang 1938, mit ihren Familien aus Deutschland auszuwandern und zu diesem Zweck einen Teil ihres Vermögens zu Geld zu machen. Hierzu schlossen sie unter dem 11. April 1938 mit dem Inhaber der Firma F. W., Möbelfabrik und -handlung, W. W., einen notariellen Vertrag, mit dem sie die gesamten, der Möbelfabrikation dienenden Maschinen, Einrichtungsgegenstände, Inventarien, den Fuhrpark und sonstige Anlagewerte zu einem Kaufpreis vom 60 000 RM an den Erwerber veräußerten.

4 Am 9. November 1938 wurden die Gebrüder G. verhaftet und in das Konzentrationslager Sachsenhausen verbracht. Dort wurde L. G. am 14. November 1938 gezwungen, eine vorbereitete Generalvollmacht für W. W. zu unterschreiben, durch die er jenem die unwiderrufliche Verfügungsmacht über sein gesamtes Vermögen übertrug. Am Tage danach wurde L. G. aus dem Konzentrationslager mit der Auflage entlassen, umgehend Deutschland zu verlassen. Am 16. November 1938 erteilte er die Vollmacht und emigrierte danach mit seiner Familie in die USA. Er verstarb am 3. November 1966 und wurde von seiner Ehefrau C. G. allein beerbt. Frau G. verstarb am 13. September 1984 und wurde von ihrem Sohn H. M. G., dem Beigeladenen zu 1, allein beerbt.

5 S. G. wurde Mitte Dezember 1938 ebenfalls mit der Auflage aus dem Konzentrationslager entlassen, Deutschland unverzüglich zu verlassen. Aufgrund seiner angeschlagenen Gesundheit konnte er jedoch erst im Frühjahr 1939 nach Schweden ausreisen, wo er am 17. Juli 1939 an den Folgen der erlittenen Misshandlungen verstarb. Beerbt wurde er zu je einem Viertel von seiner Ehefrau E. G. und den Kindern H. G., B. G. und M. W., die ursprünglich auch beigeladen waren.

6 Ab Anfang 1940 übernahm Regierungsrat a.D. Dr. P. St. mit notarieller Generalvollmacht die weitere Abwicklung der Fa. Gebrüder G. OHG. Er führte eine außerordentliche Gesellschafterversammlung durch, auf der mit Gesellschafterbeschluss vom 14. Oktober 1940 die Auflösung der OHG beschlossen wurde.

7 Mit notariellem Vertrag vom 16. April 1943 veräußerte Dr. St. das streitbefangene Grundstück an M. H., die am 5. September 1944 als Eigentümerin in das Grundbuch eingetragen wurde. M. H. verstarb am 2. April 1969 und wurde von ihren Kindern, dem Kläger und dem inzwischen verstorbenen H. H., je zur Hälfte beerbt.

8 Mit anwaltlichem Schreiben vom 9. Oktober 1990 meldeten die ursprünglich Beigeladenen vermögensrechtliche Ansprüche beim Ausgleichsamt Berlin u.a. für: „Grundbesitz Gemarkung St.-Gut, OHG Gebrüder G.“ an. Mit Schreiben vom 17. Januar 1992 bzw. 1. September 1993 informierte das Amt zur Regelung offener Vermögensfragen bzw. das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen des Landes Berlin das Amt für offene Vermögensfragen Oranienburg über die Anmeldung.

9 Mit notariellem Kaufvertrag vom 10. Juni 1992 veräußerten der Kläger und sein Bruder das streitbefangene Grundstück zu einem Kaufpreis von 212 000 DM an die Eheleute M. und M. F. Der Landkreis Oberhavel erteilte mit Bescheid vom 16. Oktober 1992 die Grundstücksverkehrsgenehmigung. Die Erwerber wurden im Grundbuch als neue Eigentümer eingetragen. Daraufhin haben die ursprünglich Beigeladenen ihren vermögensrechtlichen Antrag auf die Erlösauskehr umgestellt.

10 Mit dem 31. Teilbescheid vom 16. Januar 1996 hat das Amt zur Regelung offener Vermögensfragen festgestellt, dass die Erben der Gebrüder G. Berechtigte hinsichtlich des streitbefangenen Grundstückes sind (Nr. 1 des Tenors). Weiterhin hat es den ursprünglich Beigeladenen einen Erlösauskehranspruch gegen den Kläger und seinen Bruder zuerkannt (Nr. 2 des Tenors) und festgestellt, dass dem Kläger und seinem Bruder ein Erstattungsanspruch gegen diese Beigeladenen wegen des gezahlten Kaufpreises in Höhe von 95 DM zusteht (Nr. 3 des Tenors). Zur Begründung heißt es im Wesentlichen, dass die Gebrüder G. einer schädigenden Maßnahme im Sinne von § 1 Abs. 6 VermG ausgesetzt gewesen seien, da das Grundstück in Anwendung der 11. Verordnung zum Reichsbürgergesetz dem Deutschen Reich verfallen und somit den Firmeninhabern vom Ausland her eine Verfügung über ihr Vermögen rechtlich nicht mehr möglich gewesen sei. Der erzielte Erlös sei herauszugeben, da eine wirksame Anmeldung des Vermögenswertes vorliege und sich der Rückübertragungsanspruch wegen der zwischenzeitlich erfolgten wirksamen Verfügung über den Vermögensgegenstand an dem erzielten Kaufpreis fortsetze.

11 Gegen die Erlösauskehrverpflichtung hat der Kläger Widerspruch erhoben und zur Begründung geltend gemacht, dass die Eintragung seiner Mutter in das Grundbuch rechtmäßig gewesen sei. Das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen Brandenburg wies den Widerspruch mit Bescheid vom 3. August 2000 zurück. Das schädigende Ereignis sei in der...

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