Urteil vom 07.12.2016 - BVerwG 10 C 1.15

JurisdictionGermany
Judgment Date07 Diciembre 2016
Neutral CitationBVerwG 10 C 1.15
ECLIDE:BVerwG:2016:071216U10C1.15.0
CourtDas Bundesverwaltungsgericht
Registration Date22 Marzo 2017
Record Number071216U10C1.15.0
Subject MatterRecht der freien Berufe
Applied RulesStBerG § 56 Abs. 5, § 57 Abs. 1 und 2, Abs. 4 Satz 1 Nr. 1, § 72 Abs. 1,GG Art. 12 Abs. 1,GmbHG §§ 35 ff., 43 Abs. 1,BOStB § 16
CitationBVerwG, Urteil vom 07.12.2016 - 10 C 1.15

BVerwG 10 C 1.15

  • VG Ansbach - 08.07.2014 - AZ: VG AN 4 K 13.01638
  • VGH München - 21.01.2015 - AZ: VGH 7 BV 14.1923

In der Verwaltungsstreitsache hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 7. Dezember 2016
durch
den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Dr. h.c. Rennert,
die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Dr. Held-Daab, Hoock und
Dr. Rublack und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Seegmüller
für Recht erkannt:

  1. Die Revision wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Gründe I

1 Der Kläger, ein gelernter Versicherungskaufmann, begehrt die Zulassung einer Ausnahme vom Verbot gewerblicher Tätigkeit gemäß § 57 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG). Er beabsichtigt, als Geschäftsführer der HS. GmbH Steuerberatungsgesellschaft tätig zu werden und Gesellschaftsanteile an ihr zu erwerben, ohne seine Tätigkeit in Unternehmen der H. Gruppe aufzugeben. Der Kläger ist unter anderem (alleiniger) Vorstand der H. AG und Geschäftsführer der H. GmbH (im Folgenden: H. GmbH). Nach den Feststellungen der Vorinstanz haben sich beide Unternehmen ebenso wie die Steuerberatungsgesellschaft im Wesentlichen darauf spezialisiert, Ärzte zu beraten und diesen gegebenenfalls weitere Dienstleistungen zu erbringen. Dazu zählen einerseits die Vermittlung von Versicherungen, andererseits die Abrechnung von Direktverträgen und die Niederlassungsberatung einschließlich der Beratung zur Praxisübergabe, Existenzgründung und Praxisfinanzierung. Die Mandanten der Steuerberatungsgesellschaft sind zu einem erheblichen Teil - unstreitig etwa zur Hälfte - auch Kunden der gewerblichen Unternehmen. Die Tätigkeit der Steuerberatungsgesellschaft erstreckt sich nach den Feststellungen der Vorinstanz auch auf Empfehlungen zur Fortsetzung, Kündigung oder Änderung bestehender oder zum Abschluss neuer Verträge über Dienstleistungen aus den Tätigkeitsbereichen beider Unternehmen.

2 Die Beklagte erteilte dem Kläger mit Bescheid vom 17. August 2004 eine Ausnahmegenehmigung gemäß § 50 Abs. 3 StBerG, neben Steuerberatern Geschäftsführer oder persönlich haftender Gesellschafter einer Steuerberatungsgesellschaft zu werden, mit dem Vorbehalt, dass die Steuerberatungsgesellschaft sich auf die Beratung von Ärzten spezialisiere und die gesetzlichen Anerkennungsvoraussetzungen erfülle. Die Steuerberatungsgesellschaft wurde im Jahr 2005 zugelassen und erteilte dem Kläger (Gesamt-)Prokura. Im April 2008 beantragte der Kläger erstmals die Zulassung einer Ausnahme vom Verbot der gewerblichen Tätigkeit im Hinblick auf die beabsichtigte Übernahme der Geschäftsführung der Steuerberatungsgesellschaft und erklärte, daneben wolle er weiterhin Organ und Gesellschafter gewerblicher Unternehmen der H.-Gruppe bleiben. Die Beklagte teilte ihm formlos mit, eine Ausnahmezulassung komme nicht in Betracht. Mit gesondertem Bescheid widerrief sie die Ausnahmegenehmigung nach § 50 Abs. 3 StBerG. Über die dagegen erhobene Klage zum Finanzgericht Nürnberg - 7 K 1088/08 - wurde bislang nicht entschieden.

3 Mit Schriftsatz vom 6. Oktober 2009 hat der Kläger eine weitere Klage zum Finanzgericht Nürnberg erhoben, deren Antrag zu I. sich auf die Zulassung einer Ausnahme vom Verbot der gewerblichen Betätigung nach § 57 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 StBerG richtete. Insoweit hat das Finanzgericht das Verfahren abgetrennt und an das Bayerische Verwaltungsgericht Ansbach verwiesen. Dieses hat die Klage abgewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof hat den Antrag auf Zulassung der Berufung zurückgewiesen, da nicht auszuschließen sei, dass im Rahmen der Steuerberatung erlangte Informationen über die Mandanten der Steuerberatungsgesellschaft in unzulässiger Weise gewerblich genutzt werden könnten. Auf die Verfassungsbeschwerde des Klägers hat das Bundesverfassungsgericht mit Kammerbeschluss vom 23. August 2013 - 1 BvR 2912/11 - die beiden vorinstanzlichen Entscheidungen aufgehoben und die Sache an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen. Art. 12 Abs. 1 GG und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz stünden der gesetzlichen Inkompatibilitätsregelung des § 57 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 StBerG nicht entgegen, verlangten bei deren Anwendung aber eine Einzelfallprüfung, die der Vielgestaltigkeit der möglichen gewerblichen Tätigkeiten Rechnung trage. Soweit die aufgehobenen Entscheidungen auf eine lediglich abstrakte Gefahr der gewerblichen Verwertung von Kenntnissen aus der Steuerberatung abstellten, verfehlten sie den Regelungszweck des Gesetzes und die verfassungsrechtlichen Vorgaben. Für eine abschließende Entscheidung anhand der in der Rechtsprechung entwickelten typisierenden Fallgruppen reichten die verwaltungsgerichtlichen Feststellungen zu den möglicherweise drohenden Interessenkollisionen nicht aus.

4 Im weiteren verwaltungsgerichtlichen Verfahren hat der Kläger vorgetragen, seine Aufgaben in der Steuerberatungsgesellschaft beschränkten sich auf das Personalwesen, das Marketing, die interne Kanzleiorganisation und das interne Rechnungswesen der Kanzlei. Die Prokura ruhe mit Rücksicht auf den anhängigen Rechtsstreit. In der H. AG verantworte er als Vorstand den gesamten Geschäftsbetrieb. Die H. GmbH beschäftige sich mit der betriebswirtschaftlichen Beratung von Kliniken und Krankenhäusern sowie mit Praxisbewertungen und der Durchführung und Abrechnung von Direktverträgen der gesetzlichen Krankenversicherung. Eine "Vermischung" der Tätigkeiten als Geschäftsführer der Steuerberatungsgesellschaft und als Vorstand der gewerblichen Unternehmen halte er nicht für unzulässig. Auch eine "Rundum-Beratung" aus einer Hand sei grundsätzlich nicht unvereinbar mit dem Beruf des Steuerberaters. Das Bundesverfassungsgericht habe das von ihm gewählte Unternehmensmodell gebilligt.

5 Die Beklagte hat geltend gemacht, eine "Rundum-Beratung" widerspreche dem Kooperationsverbot des § 56 Abs. 5 StBerG, das ausweislich der Internetseite der Steuerberatungsgesellschaft bereits gegenwärtig missachtet werde. Diese werbe damit, in die Beratung das Know-how ihrer "Partnergesellschaft" einzubeziehen, die "auf dem Markt für Assekuranzmakler im Heilwesen führend" sei (http://www.hs.de).

6 Das Verwaltungsgericht hat die Klage erneut abgewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung zurückgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Zulassung einer Ausnahme gemäß § 57 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 StBerG, weil die vom Gesetzgeber - nach wie vor - angenommene abstrakte Gefahr einer Verletzung von Berufspflichten im konkreten Fall nicht widerlegt sei. Die Gefahr einer Interessenkollision sei ausgeschlossen, wenn sich die Tätigkeitsfelder der steuerberatenden und der gewerblichen Berufe deutlich voneinander trennen ließen. Daran fehle es hinsichtlich der gewerblichen Tätigkeiten als Vorstand der H. AG und der H. GmbH. Wegen der personellen Verflechtung der steuerberatenden und der gewerblichen Tätigkeiten in der Gestalt des Klägers und der Identität der Beratungsgegenstände bestehe die Gefahr von Interessenkollision insbesondere bei Empfehlungen zu Verträgen über Dienstleistungen, die zu den Tätigkeitsbereichen der gewerblichen Unternehmen gehörten. Trete der Kläger als Geschäftsführer in die Steuerberatungsgesellschaft ein, so entstehe in seiner Person ein Konflikt zwischen der Pflicht zur Wahrung der Unabhängigkeit der steuerlichen Beratung und seinem gewinnorientierten Interesse am wirtschaftlichen Erfolg der beiden von ihm geführten gewerblichen Unternehmen. Dieser Konflikt sei weder durch Berufsausübungsregeln noch durch gesellschaftsinterne vertragliche Regelungen zu beseitigen. Die präventive Kontrolle sei verfassungskonform. Es verstoße auch nicht gegen den Gleichheitssatz, nur die Vorstandsmitglieder, die Geschäftsführer und die persönlich haftenden Gesellschafter von Steuerberatungsgesellschaften den gesetzlichen Berufspflichten zu unterwerfen. Der Gesetzgeber habe davon ausgehen dürfen, dass diese Führungskräfte die Einhaltung der Berufspflichten gewährleisten könnten und sonstige Mitarbeiter - einschließlich der Prokuristen - regelmäßig keinen vergleichbaren Einfluss auf die Tätigkeit der Gesellschaft hätten.

7 Mit seiner Revision macht der Kläger geltend, die Auslegung der Ausnahmeregelung im Sinne einer Präventivkontrolle sei verfassungswidrig. Eine deutliche Trennung der Tätigkeitsfelder der steuerberatenden und der gewerblichen Berufe dürfe ebenfalls nicht gefordert werden. Das Verbot gewerblicher Tätigkeit sei nicht schon bei einer abstrakten Gefährdung der Berufspflichten gerechtfertigt. Dass der Aufstieg vom Prokuristen zum Geschäftsführer der Steuerberatungsgesellschaft eine konkrete Gefahr der Verletzung von Berufspflichten mit sich bringe, habe das Berufungsgericht nicht festgestellt. Eine Interessenkollision liege nur vor, wenn eine gewerbliche Verwertung der im Rahmen der Steuerberatung angefallenen Daten zum Nachteil der Mandanten zu befürchten sei. Daran fehle es, wenn die Nutzung der Informationen sowohl den Unternehmen als auch den Mandanten oder Kunden zum Vorteil gereiche. Die Unabhängigkeit der Steuerberatung sei ebenfalls nicht gefährdet. Ihm dürfe nicht unterstellt werden, gegen die beabsichtigten vertraglichen, gesellschaftsinternen Regelungen zur Begrenzung seiner Befugnisse verstoßen zu wollen.

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