Urteil vom 09.12.2020 - BVerwG 8 C 14.19

JurisdictionGermany
Judgment Date09 Diciembre 2020
Neutral CitationBVerwG 8 C 14.19
ECLIDE:BVerwG:2020:091220U8C14.19.0
Applied RulesVerordnung (EWG) Nr. 1358/77 Art. 3 Abs. 1, Art. 4, Art. 6 Abs. 4,Verordnung (EG) Nr. 2038/1999 Art. 26 ff.,Verordnung (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 Art. 1 Abs. 1 und 2, Art. 3 Abs. 1, Art. 4,BGB n.F. §§ 195, 199,MOG § 6 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. k, § 10 Abs. 1 und 3, § 14 Abs. 1 Satz 1 und 3,Verordnung (EWG) Nr. 1785/81 Art. 8 Abs. 1 und 2, Art. 24, 26 bis 29,Verordnung (EWG) Nr. 1998/78 Art. 13 Abs. 1 und 3, Art. 15,VwGO § 74 Abs. 1, §§ 88, 91,EGBGB Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4,Verordnung (EWG) Nr. 3330/74 Art. 8 Abs. 1, Art. 25 Abs. 1,BGB a.F. §§ 197, 201,VwVfG § 48 Abs. 2 bis 4, § 49a Abs. 1 und 2, §§ 53, 102,Verordnung (EWG) Nr. 1443/82 Art. 1 Abs. 1 und 2, Art. 4 Abs. 1,Verordnung zur Durchführung des Lagerkostenausgleichs für Zucker § 4 Abs. 3
Registration Date22 Abril 2021
Record Number091220U8C14.19.0
Subject MatterRecht der Förderungsmaßnahmen zugunsten der gewerblichen Wirtschaft
CourtDas Bundesverwaltungsgericht
CitationBVerwG, Urteil vom 09.12.2020 - 8 C 14.19

BVerwG 8 C 14.19

  • VG Köln - 25.11.2009 - AZ: VG 13 K 4777/06
  • OVG Münster - 25.01.2019 - AZ: OVG 16 A 175/10

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 9. Dezember 2020
durch
die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Held-Daab,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hoock,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Keller,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rublack und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Seegmüller
für Recht erkannt:

  1. Die Revision wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Gründe I

1 Die Klägerin, ein Unternehmen der Zucker erzeugenden Industrie, wendet sich gegen die Rückforderung von Lagerkostenvergütungen für die Einlagerung von Zucker im Wirtschaftsjahr 1995/1996.

2 Ihr wurden in dem genannten Zuckerwirtschaftsjahr auf ihre monatlichen Anträge Lagerkostenvergütungen in einer Gesamthöhe von umgerechnet 11 880 504,76 € gewährt. Nach einer Marktordnungsprüfung 1997 und mehrjährigen Ermittlungen legte das Zollfahndungsamt am 12. Februar 2002 einen Schlussbericht zum Tatvorwurf der Steuerhinterziehung vor; parallel erstellten die am Ermittlungsverfahren beteiligten Betriebsprüfer der Beklagten am 28. Februar 2002 unter anderem betreffend das hier streitgegenständliche Zuckerwirtschaftsjahr einen Schlussbericht zur Schadenshöhe infolge Subventionsbetrugs. Dieser wurde dem Bevollmächtigten der Klägerin im April 2002 übersandt. Zur beabsichtigten Teilrücknahme der Bewilligungen von Lagerkostenvergütungen nahm die Klägerin mit Schreiben vom 20. August 2002 Stellung.

3 Mit Bescheid Nr. 802 267 vom 30. Januar 2003 hob die Beklagte die Festsetzung der Lagerkostenvergütungen mit Wirkung für die Vergangenheit in Höhe von insgesamt 753 466,57 € auf und forderte diesen Betrag zurück. Die Klägerin habe in ihren Anträgen überhöhte Zuckermengen abgerechnet. Unter anderem habe sie einen Teil des von ihr produzierten sogenannten B-Ablaufs (eines im Produktionsprozess entstehenden Sirups), den sie nach Vermischung mit Melasse zu sogenannter Spezialmelasse verkauft habe, nicht als erzeugten Zucker angegeben. In dem Bescheid stellte die Beklagte zugleich dem Grunde nach fest, dass der zurückgeforderte Betrag vom Zeitpunkt des Empfangs der Vergütung an zu verzinsen sei; die Berechnung des Zinsbetrages behielt sie einem gesonderten Zinsbescheid vor. Zur Begründung ihres Widerspruchs berief sich die Klägerin unter anderem auf die Verjährung eines Erstattungsanspruchs. Mit Widerspruchsbescheid vom 4. Oktober 2006 beschränkte die Beklagte die Aufhebung der Bewilligung und die Rückforderung auf 322 443,36 € und wies den Widerspruch im Übrigen zurück.

4 Mit ihrer am 7. November 2006 erhobenen Klage hat die Klägerin angekündigt zu beantragen, die ergangenen Bescheide in Höhe eines Betrages von 72 109,76 € aufzuheben. Am 15. November 2006 hat sie auf den im Widerspruchsbescheid festgesetzten Rückforderungsbetrag einen Teilbetrag in Höhe von 250 333,60 € an die Beklagte gezahlt. In ihrer Klagebegründungsschrift vom 15. August 2007 hat sie geltend gemacht, sie habe die Feststellung der Verzinsungspflicht dem Grunde nach bezüglich der gesamten Hauptforderung angefochten. In der mündlichen Verhandlung hat sie beantragt, die ergangenen Bescheide in Höhe von 72 109,76 € aufzuheben.

5 Das Verwaltungsgericht hat die Bescheide in Höhe dieses Betrags sowie insoweit aufgehoben, als die Verzinsungspflicht bezüglich des gesamten Rückforderungsbetrages für den Zeitraum vor dem 31. Januar 2003 festgestellt worden war. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Der für die Herstellung der Spezialmelasse verwendete B-Ablauf habe nicht als erzeugter Zucker angegeben werden müssen. Eine Verzinsungspflicht dem Grunde nach habe die Beklagte lediglich für den Zeitraum ab dem Zugang des Rückforderungsbescheides feststellen dürfen.

6 Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und die angefochtenen Bescheide auf die Berufung der Beklagten nur insoweit aufgehoben, als sie eine Verzinsungspflicht für den Zeitraum bis zum 31. Dezember 1998 in Bezug auf eine Hauptforderung in Höhe von 72 109,76 € feststellen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen und die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Die Klage sei unzulässig, soweit sie sich gegen die Verzinsungspflicht bezogen auf eine Teilhauptforderung in Höhe von 250 333,60 € richte. Hinsichtlich der Teilhauptforderung in Höhe von 72 109,76 € sei die Klage unbegründet. Insoweit seien der Klägerin zu Unrecht Lagerkostenvergütungen bewilligt worden. Die in ihren Anträgen angegebenen Zuckermengen seien in Höhe von 20 772 dt WW (Weißzuckerwert) nicht mehr im Rahmen ihrer Höchstquote erzeugt worden und deshalb nicht vergütungsfähig. Auf die Höchstquote sei auch ein Zwischenerzeugnis mit dem für Zucker erforderlichen Reinheitsgrad - wie hier der B-Ablauf - anzurechnen. Ein Ausnahmetatbestand greife nicht ein. Der Erstattungsanspruch der Beklagten sei nicht verjährt. Die nach Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 geltende Verjährungsfrist von vier Jahren ab Begehung der Unregelmäßigkeit habe frühestens am 20. Januar 2000 zu laufen begonnen, weil die Klägerin bis dahin Vergütungsanträge mit überhöhten Zuckermengen gestellt habe. Damit liege eine wiederholte Unregelmäßigkeit im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 vor. Der Rückforderungsbescheid sei der Klägerin vor Ablauf der Verjährungsfrist zugegangen. Weiterer Maßnahmen zur Durchsetzung des Erstattungsanspruchs habe es nicht bedurft. Der Zinsanspruch sei, soweit er die Zeit ab dem 1. Januar 1999 betreffe, ebenfalls nicht verjährt.

7 Die Klägerin trägt zur Begründung ihrer Revision vor, der B-Ablauf sei nicht auf die Höchstquote anzurechnen gewesen. Nach Art. 1 Abs. 1 und 2 und Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1443/82 sei nur ein Erzeugnis als Zucker einzuordnen, welches den Erzeugungsprozess als eigenständiges Produkt verlassen habe. Der B-Ablauf werde dagegen lediglich innerhalb des Produktionsprozesses verwendet. Das Berufungsgericht habe seine gegenteilige Bewertung verfahrensfehlerhaft getroffen. Eine Vorverlagerung des Begriffs des erzeugten Zuckers in den Produktionsprozess hinein widerspreche den unionsrechtlichen Grundsätzen der Rechtssicherheit, der Bestimmtheit und der Vorhersehbarkeit. Unabhängig davon liege in unmittelbarer oder analoger Anwendung des Art. 1 Abs. 2 der Verordnung eine Ausnahme von der an den Reinheitsgrad anknüpfenden Verpflichtung zur Anrechnung auf die Gesamtmenge der Zuckererzeugung vor.

8 Der Rückforderungsanspruch sei zudem nach Art. 3 Abs. 1 und 2, Art. 4 Abs. 1 und Art. 5 der Verordnung (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 und jedenfalls in Anwendung der Grundsätze der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit verjährt. Die Voraussetzungen einer wiederholten Unregelmäßigkeit seien nicht erfüllt. Der ausschließlich im Zuckerwirtschaftsjahr 1995/1996 aufgetretene Sachverhaltskomplex des B-Ablaufs dürfe nicht mit anderen als Unregelmäßigkeit anerkannten Sachverhaltskomplexen zu einer wiederholten Unregelmäßigkeit verklammert werden. Auch Rechtsverstöße aus nachfolgenden Zeiträumen, wegen derer kein Rückforderungsbescheid ergangen sei, dürften nicht als Wiederholung berücksichtigt werden. Aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 11. Juni 2015 (C-52/14 [ECLI:​EU:​C:​2015:​381]) ergebe sich nichts Anderes. Es habe dazu keine hier bindenden Aussagen getroffen, sondern lediglich Auslegungshinweise erteilt. Jedenfalls aber sei der Rückforderungsanspruch mit Ablauf der absoluten Verjährungsfrist von acht Jahren nach Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 4 der Verordnung (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 erloschen. Wegen der mittlerweile über zwanzigjährigen Dauer des Verfahrens folge die Verjährung auch aus höherrangigem Recht.

9 Die Klage gegen die Feststellung der Verzinsung dem Grunde nach sei auch hinsichtlich des von der Klägerin gezahlten Teils der Rückforderung in Höhe von 250 333,60 € fristgerecht erhoben worden. Sie habe sich stets auf die Aufhebung des gesamten Rückforderungsbescheides einschließlich der Zinsfeststellung gerichtet und lediglich die Anfechtung des Betrages der Hauptforderung reduziert. Das Verwaltungsgericht habe ihr Klagebegehren mit bindender Wirkung für die nachfolgenden Instanzen auch so verstanden. Dafür spreche auch der umfassende Gegenstand des Widerspruchsverfahrens. Die dem Grunde nach festgestellte Verzinsungspflicht sei insgesamt verjährt. Für den Zeitraum vor dem Inkrafttreten der Neufassung des § 53 VwVfG am 1. Januar 2002 fehle zudem eine Rechtsgrundlage für die getroffene Feststellung.

10 Die Klägerin beantragt, das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 25. Januar 2019 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 25. November 2009 zu ändern und den Bescheid der Beklagten vom 30. Januar 2003 (Nr. 802 267) in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Oktober 2006 (Az. 221-324-2003-78) aufzuheben, soweit die Bewilligung von Lagerkostenvergütungen in Höhe von 72 109,76 € aufgehoben, dieser Betrag zurückgefordert und ein Zinsanspruch der Beklagten für einen Erstattungsbetrag in Höhe von 322 443,36 € dem Grunde nach festgestellt wird.

11 Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

12 Sie verteidigt das Berufungsurteil.

II

13 Die zulässige Revision ist unbegründet. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts verletzt kein revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 VwGO). Die Klage ist nur hinsichtlich des angefochtenen Teils der...

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