Urteil vom 11.11.2021 - BVerwG 2 WD 28.20

JurisdictionGermany
Judgment Date11 Noviembre 2021
Neutral CitationBVerwG 2 WD 28.20
ECLIDE:BVerwG:2021:111121U2WD28.20.0
Applied RulesSG §§ 7, 17 Abs. 2 Satz 1, § 23 Abs. 1,StGB § 25 Abs. 2, § 27 Abs. 2, § 52 Abs. 1, §§ 53, 263 Abs. 1, Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, § 266 Abs. 1 Alt. 2, Abs. 2, § 267 Abs. 1,BGB §§ 138, 164 Abs. 1 Satz 1, § 362 Abs. 1, § 364,WDO § 1 Abs. 3, § 38 Abs. 1, § 58 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, Satz 2 und Abs. 7, § 84 Abs. 1 Satz 1, § 99 Abs. 1 Satz 4, Abs. 2, § 100 Satz 1, § 107 Abs. 1, § 121 Abs. 2, § 138 Abs. 1 Satz 1, § 139 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1, § 140 Abs. 3 Satz 3
Registration Date23 Febrero 2022
Record Number111121U2WD28.20.0
Subject MatterBerufungen nach der WDO
CourtDas Bundesverwaltungsgericht
CitationBVerwG, Urteil vom 11.11.2021 - 2 WD 28.20 -

BVerwG 2 WD 28.20

  • TDG Nord 6. Kammer - 20.08.2020 - AZ: TDG N 6 VL 36/17

In dem gerichtlichen Disziplinarverfahren hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts in der nichtöffentlichen Hauptverhandlung am 11. November 2021, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Burmeister,
Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Henke,
ehrenamtlicher Richter Oberfeldarzt Kállai und
ehrenamtlicher Richter Stabsunteroffizier Spitthoff,
Leitender Regierungsdirektor ...
als Vertreter des Bundeswehrdisziplinaranwalts,
Rechtsanwalt ..., ...,
als Verteidiger,
Geschäftsstellenverwalterinnen ... und ...
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:

  1. Auf die Berufung der Wehrdisziplinaranwaltschaft wird das Urteil der 6. Kammer des Truppendienstgerichts Nord vom 20. August 2020 aufgehoben
  2. Dem früheren Soldaten wird das Ruhegehalt aberkannt
  3. Die Kosten des gesamten Verfahrens werden dem früheren Soldaten auferlegt, der auch die ihm darin erwachsenen notwendigen Auslagen zu tragen hat
Gründe I

1 Das disziplinargerichtliche Berufungsverfahren betrifft Untreuetaten im Dienst.

2 1. Der 1986 geborene, geschiedene und für ein Kind unterhaltspflichtige frühere Soldat war nach dem Abitur und Grundwehrdienst von Mai 2008 bis Ende September 2019 Zeitsoldat. Zuletzt wurde er 2010 zum Stabsunteroffizier befördert. Seither war er beim ... als Sanitätsunteroffizier im pharmazeutisch-kaufmännischen Rechnungswesen eingesetzt. Er wurde im ... unter anderem mit der Erfassung und Abwicklung des Warenein- und -ausgangs sowie der Erstellung von Rechnungen und der Bearbeitung von Gutschriften von Materiallieferanten zugunsten des Bundes betraut. Nach Bekanntwerden der Vorwürfe wurde er ab Juli 2015 im Lager eingesetzt. Nach seinem Dienstzeitende schloss er eine Ausbildung zum Pharmareferenten ab, studierte zeitweise Sozialwissenschaften und ist seit Oktober 2020 für monatlich etwa 1 300 € netto bei einer Wohnungsgenossenschaft beschäftigt. Er bezieht zudem Übergangsgebührnisse von monatlich 1 655,23 € netto. Eine Übergangsbeihilfe von 19 075,14 € wurde einbehalten. Der frühere Soldat hat seine wirtschaftlichen Verhältnisse als geordnet bezeichnet.

3 2. Im sachgleichen Strafverfahren verhängte das Amtsgericht ... gegen ihn mit rechtskräftigem Urteil vom 24. Mai 2017 wegen Untreue in sechs Fällen eine Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten auf Bewährung, die nach Ablauf der zweijährigen Bewährungszeit erlassen wurde.

4 3. Im gerichtlichen Disziplinarverfahren schuldigte die Wehrdisziplinaranwaltschaft den früheren Soldaten wie folgt an:
"1. Der Soldat hat im ... in ... im Zeitraum Februar 2015 bis Juli 2015 zu nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkten im Zusammenwirken mit dem damaligen Stabsunteroffizier S. auf Anfrage von Firmen, auf welche Konten der Bundeswehr überzahlte Beträge zurück zu überweisen seien, wahrheitswidrig sein Privatkonto angegeben, so dass ihm, wie beabsichtigt, am 16. Februar 2015 von der Firma ... 1.049,16 €, am 25. Februar 2015 von der Firma ... 666,29 €, am 27. Februar 2015 von der Firma ... 3.211,53 €, am 1. April 2015 von der Firma ... 329,86 € und am 2. Juli 2015 von der Firma ... 4.487,07 € auf sein privates Konto bei der ... (IBAN ... BIC ...) überwiesen wurden. Die Hälfte der Summe gab er dem damaligen Stabsunteroffizier S., die andere Hälfte in Höhe von 4.871,95 € behielt er für sich, wobei er wusste, dass diese Rückzahlungen dem Bund zustanden.
2. Ferner hat der Soldat am selben Ort im April 2015 zu einem genauer nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt Auftragsvorgänge an die Firma ... manipuliert, indem er im Zusammenwirken mit dem damaligen Stabsunteroffizier S. Auftragsschreiben, Lagerzugangslisten und Rechnungshöhe bzgl. Daten und Unterschriften unter Nutzung alter Bestellvorlagen verfälschte und so, wie beabsichtigt, erreichte, dass Geld, das dem Bund zustand, in Höhe von 19.312,27 € von der Firma ... auf das Privatkonto des damaligen Stabsunteroffiziers S. (IBAN ... BIC ...) überwiesen wurde. Davon erhielt er am 29. April 2015 14.000 €."

5 Im Ermittlungsergebnis der Anschuldigungsschrift wurden folgende für das gerichtliche Disziplinarverfahren bindenden tatsächlichen Feststellungen aus dem rechtskräftigen Strafurteil wiedergegeben:
"Die Angeklagten waren im Tatzeitraum als Stabsunteroffiziere im ... der Bundeswehr, ..., in ... eingesetzt. Im Rahmen ihrer Tätigkeit waren sie unter anderem mit der Erfassung und Abwicklung des Wareneingangs- und ausgangs, sowie der Erstellung von Rechnungen und der Bearbeitung von Gutschriften befasst. Dabei kam zunächst der Angeklagte S. allein und später auch der Angeklagte ... zusammen mit dem Angeklagten S. auf den Gedanken, Materiallieferanten der Bundeswehr dazu zu veranlassen, Geldbeträge, die aufgrund von Gutschriften, die entweder im normalen Geschäftsgang anfielen oder durch die Angeklagten provoziert worden waren, zum Schaden der Bundesrepublik Deutschland auf eines Ihrer Privatkonten zu überweisen.
So im Einzelnen:
Ziffer 1 und 2
Der Angeklagte S. veranlasste im Juni 2014 die Firma ... eine Gutschrift i.H.v. 45.173,08 € und sodann im August 2014 i.H.v. 804,25 € auf sein Konto bei der ... mit der Nr. ... zu überweisen.
Ab Februar 2015 setzten die Angeklagten absprachegemäß, unter Zusammenwirken die zuvor genannte Vorgehensweise fort. So im Einzelnen:
Ziffer 3
Am 16.2.2015 überwies die Firma ... einen Betrag in Höhe von 1049,16 € auf das Konto des Angeklagten ... bei der ... mit der Nr. ...
Ziffer 4
Am 25.2.2015 überwies die Firma ... ein Betrag i.H.v. 666,99 20 € auf das Konto des Angeklagten ...
Ziffer 5
Am 27.2.2015 überwies die Firma ... ein Betrag in Höhe von 3211,53 € auf das Konto des Angeklagten ...
Ziffer 6
Am 1.4.2015 überwies die Firma ... einen Betrag i.H.v. 329,86 € auf das Konto des Angeklagten ...
Ziffer 7
Am 2.7.2015 überwies die Firma ... ein Betrag i.H.v. 4487,07 € auf das Konto des Angeklagten ...
Ziffer 8
Im Zusammenwirken mit dem Angeklagten S. veränderte der Angeklagte ... einen Auftrag der Firma ... nachträglich auf die doppelte Menge und veränderte entsprechend die Rechnung, so dass es wie eine Restlieferung aussehen sollte. Am Tag der Rechnungslegung rief der Angeklagte S. bei der Firma ... an und bat um eine Gutschrift des fälschlich überwiesenen Betrages. Bei Eintreffen der Gutschrift sandte der Angeklagte S. diese an die Firma zurück mit der Bitte, die Summe auf das von ihm angegebene Konto, nämlich sein Privatkonto zu überweisen. Nach Erhalt des Geldes überwies der Angeklagte S. am 29.04.2015 14.000 € an den Angeklagten ..."

6 Auf den Hinweis des Vorsitzenden der Truppendienstkammer, dass der Anschuldigungspunkt 2 nur eine Schädigung der ..., nicht des Bundes wiederspiegele, wurde mit Nachtragsanschuldigungsschrift vom 20. August 2020 der Anschuldigungspunkt 2 wie folgt formuliert:
"Ferner hat der frühere Soldat am selben Ort im April 2015 zu einem genauer nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt im Zusammenwirken mit Stabsunteroffizier S. Auftragsvorgänge an die Firma ... manipuliert, indem er im Zusammenwirken mit dem damaligen Stabsunteroffizier S. Auftragsschreiben, Lagerzugangslisten und Rechnungen unter Nutzung alter Bestellvorlagen bzgl. Daten und Unterschriften verfälschte und so, wie beabsichtigt, erreicht, dass Geld, das aus der Bundeskasse stammte, in Höhe von 19.312,27 € von der Firma ... auf das Privatkonto des damaligen Stabsunteroffiziers S. zurück überwiesen wurde. Dieser gab davon dem Soldaten 14.000 € ab."

7 Der Vorsitzende der Truppendienstkammer erklärte, dass die Nachtragsanschuldigung nicht die gesetzlichen Vorgaben erfülle und daher nicht zugrunde gelegt werde.

8 4. Das Truppendienstgericht hat den früheren Soldaten mit Urteil vom 20. August 2020 in den Dienstgrad eines Hauptgefreiten der Reserve herabgesetzt.

9 Nach den bindenden tatsächlichen Feststellungen im rechtskräftigen Strafurteil sowie den Angaben des früheren Soldaten und des Zeugen Stabsunteroffizier S. sei der Anschuldigungspunkt 1 erwiesen. Damit sei ein fünffacher Betrug zu Lasten der Firmen begangen worden, die durch die Gutschriften auf dem Konto des früheren Soldaten nicht von ihren Zahlungspflichten gegenüber dem Bund freigeworden seien. Zum Anschuldigungspunkt 2 stehe fest, dass der frühere Soldat auf eine Idee des damaligen Stabsunteroffiziers S. hin das Auftragsschreiben, die Rechnung und die Lagerzugangsliste wie angeschuldigt gefälscht habe. Zudem sei erwiesen, dass beide Soldaten im Zusammenwirken die Gutschrift der ... auf das Konto des damaligen Stabsunteroffiziers S. umgeleitet hätten und der frühere Soldat davon 14 000 € erhalten habe.

10 Zwar habe die Hauptverhandlung darüber hinaus ergeben, dass der frühere Soldat in Absprache mit dem damaligen Stabsunteroffizier S. vor der Umleitung der Gutschrift das Bundeswehrdienstleistungszentrum durch die Vorlage der manipulierten Unterlagen zu einer unbegründeten Zahlung an die ... veranlasst habe, was zu der Gutschrift geführt habe; dies sei aber nicht angeschuldigt worden. Die Nachtragsanschuldigung sei insoweit unbeachtlich.

11 Der frühere Soldat habe durch das angeschuldigte Verhalten vorsätzlich seine Pflichten zum treuen Dienen und innerdienstlichen Wohlverhalten verletzt. Da er im Kernbereich seiner Dienstpflichten versagt habe, sei Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen eine Dienstgradherabsetzung. Erschwerend zu berücksichtigen seien die hohe kriminelle Energie und der hohe Schaden, mildernd die...

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