Urteil vom 11.12.2008 - BVerwG 7 C 1.08

JurisdictionGermany
Judgment Date11 Diciembre 2008
Neutral CitationBVerwG 7 C 1.08
ECLIDE:BVerwG:2008:111208U7C1.08.0
CitationBVerwG, Urteil vom 11.12.2008 - 7 C 1.08
Registration Date22 Enero 2013
Applied RulesGG Art. 3 Abs. 1, Art. 14, Art. 135a Abs. 2, Art. 140,WRV Art. 138,KVG § 2 Abs. 1,EV Art. 21, Art. 22,VZOG § 1a Abs.1
CourtDas Bundesverwaltungsgericht
Record Number111208U7C1.08.0

BVerwG 7 C 1.08

  • OVG Weimar - 11.04.2007 - AZ: OVG 1 KO 491/05 -
  • Thüringer OVG - 11.04.2007 - AZ: OVG 1 KO 491/05

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 11. Dezember 2008
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Sailer,
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Krauß, Neumann und Guttenberger
sowie die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Schipper
für Recht erkannt:

  1. Die Revision der Klägerinnen gegen das Urteil des Thüringer Oberverwaltungsgerichts vom 11. April 2007 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin zu 1 trägt neunzehn Zwanzigstel und die Klägerin zu 2 trägt ein Zwanzigstel der Kosten des Revisionsverfahrens.
Gründe I

1 Die Klägerinnen, die Kirchgemeinde Häselrieth und die Pfarrei Häselrieth, eine selbständige stiftungsähnliche Körperschaft des öffentlichen Rechts, begehren von der beklagten Stadt Hildburghausen Leistungen für die Instandsetzung ihres Kirchengebäudes und ihres Pfarrhauses.

2 Die seinerzeit noch selbstständige, 1969 in die Stadt Hildburghausen eingegliederte Gemeinde Häselrieth verpflichtete sich in zwei Verträgen aus den Jahren 1928 und 1929 gegenüber den Klägerinnen, die Kosten der Instandsetzung von Kirche und Pfarrhaus zu tragen. Ob und unter welchen Umständen in der Folgezeit bis 1990 Zahlungen geleistet worden sind, ist zwischen den Beteiligten streitig. Die beklagte Stadt Hildburghausen übernahm in den Jahren 1990 und 1992 Kosten für die Instandsetzung des Pfarrhauses und der Kirche. In der Folgezeit lehnte sie es ab, weitere von den Klägerinnen angeforderte Kosten für Reparaturarbeiten zu tragen, weil sie aus den Verträgen nicht zu Leistungen verpflichtet sei. Sie kündigte die Verträge wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage.

3 Die Klägerinnen haben daraufhin getrennt Klage erhoben, mit denen sie jeweils beantragt haben, die Beklagte zur Zahlung bestimmter Beträge zu verpflichten, die sie für die Instandsetzung von Kirche und Pfarrhaus aufgewandt hätten: Die DDR habe die Rechte der Kirchen aus Baulasten nicht aufgehoben. Die Gemeinde Häselrieth und später die Stadt Hildburghausen als deren Rechtsnachfolgerin hätten die Verpflichtungen aus den Verträgen stets erfüllt, ohne die Zahlungen unter den Vorbehalt der Freiwilligkeit zu stellen. Verpflichtet sei nunmehr die Beklagte. Weder sei die Geschäftsgrundlage der Verträge weggefallen noch lägen die Voraussetzungen einer Kündigung vor.

4 Die Beklagte hat in beiden Verfahren beantragt, die Klagen abzuweisen: Zwischen 1952 und 1990 hätten infolge der Bildung der Räte der Gemeinden keine selbstständigen Gemeinden existiert. Zahlungen in dieser Zeit seien - wenn überhaupt - durch den Staat selbst und freiwillig geleistet worden. Sie sei nicht Rechtsnachfolgerin der vor 1952 bestehenden Gemeinde Häselrieth. Sie habe die Verträge nur vorsorglich gekündigt. Deren Geschäftsgrundlage sei infolge des Rückgangs der Gemeindemitglieder weggefallen.

5 Das Verwaltungsgericht hat nach Verbindung der Verfahren die Klagen abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung der Klägerinnen durch das angefochtene Urteil zurückgewiesen: Die frühere Gemeinde Häselrieth habe spätestens mit dem Gesetz über die örtlichen Organe der Staatsmacht vom 18. Januar 1957 aufgehört, als rechtlich selbständige Gebietskörperschaft zu existieren. Durch § 1 Abs. 3 Kommunalverfassung vom 17. Mai 1990 (KomVerf) sei die beklagte Stadt Hildburghausen als Gebietskörperschaft originär neu errichtet worden. Sie sei weder mit der bis 1957 existierenden Gemeinde Häselrieth, dem Rat der Gemeinde Häselrieth oder dem Rat der Stadt Hildburghausen identisch noch sei sie deren Rechtnachfolgerin. Aus dem Kommunalvermögensgesetz und dem Einigungsvertrag ergebe sich kein genereller Übergang von Verbindlichkeiten auf neue Rechtsträger. Die insoweit getroffenen besonderen Regelungen sähen einen Übergang von Verpflichtungen aus Kirchenbaulasten nicht vor. Nach dem allgemeinen Grundsatz des Zuordnungsrechts hafte zwar für grundstücksbezogene Verbindlichkeiten derjenige, dem das Grundstück zugeordnet werde. Der Beklagten seien aber keine Vermögensgegenstände zugeordnet worden, die in der Vergangenheit dazu gedient hätten, die Verpflichtungen aus der Baulast zu erfüllen. Der geltend gemachte Anspruch folge nicht aus Art. 14 GG oder aus Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 138 WRV. Bei Inkrafttreten des Grundgesetzes im Beitrittsgebiet habe keine Rechtsposition der Klägerinnen bestanden, die Gegenstand des Schutzes aus diesen Verfassungsgarantien hätte sein können. Es bestehe keine verfassungsrechtliche Verpflichtung, die Übernahme sämtlicher Schulden der DDR zu regeln. Der Gesetzgeber habe sich entschlossen, im Rahmen des Einigungsvertrages den Übergang von Verbindlichkeiten nur insoweit anzuordnen, als diese mit übernommenen Vermögenswerten in einem bestimmten Zusammenhang stünden. Das sei ein sachlicher Grund für eine Differenzierung.

6 Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgen die Klägerinnen ihre in erster Instanz gestellten Anträge weiter: Die Verpflichtungen aus kommunalen Kirchenbaulasten seien im Jahre 1957 mit dem Untergang der ehemaligen Gemeinden zunächst auf die Räte der Gemeinden, jedenfalls auf die DDR als Gesamtstaat übergegangen und weiter erfüllt worden. Sie seien sodann nach § 2 Abs. 1 Kommunalvermögensgesetz (KVG) in Verbindung mit Art. 21 und Art. 22 EV auf die neu errichteten Kommunen gesetzlich übergegangen. Übergegangen seien auch komplexere vertragliche oder gesetzliche Rechtsverhältnisse als Rechtsgesamtheit, die Verbindlichkeiten einschlössen. Unabhängig davon seien die Kirchenbaulasten Äquivalent für die Übernahme ehemals kirchlichen Vermögens durch die politischen Gemeinden, das diese zwar in der DDR an den Gesamtstaat verloren, jedoch ohne Einschränkungen als Verwaltungs- oder Finanzvermögen oder im Wege der Restitution zurückerhalten hätten. Kirchenbaulasten gehörten zum Verwaltungsvermögen im Sinne des Art. 21 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 EV. Zu den Aufgaben und Funktionen der örtlichen Selbstverwaltung zähle nach § 2 Abs. 2 KomVerf die Entwicklung des kulturellen Lebens und damit die Pflege von die Gemeinde prägenden kirchlichen Bauten. Der Übergang der Kirchenbaulast auf die Beklagte werde überdies durch das Prinzip der Funktionsnachfolge gerechtfertigt. Den heutigen Gemeinden werde das Vermögen der früheren Gemeinden grundsätzlich vollständig zurückgegeben. Die DDR habe sich bereits mit dem Verfassungs- grundsätzegesetz vom 17. Juni 1990 auf die Gebote des Rechtsstaats und des Eigentumsschutzes verpflichtet. Es könne nicht angenommen werden, dass sie mit dem Kommunalvermögensgesetz solche immer noch fortbestehenden Verbindlichkeiten habe ungeregelt und damit erlöschen lassen wollen, die schon vor Gründung der DDR entstanden und deshalb von den zu überwindenden Verhältnissen in der DDR nicht beeinflusst seien. Dass sie im Kommunalvermögensgesetz nicht eigens erwähnt seien, sei eine planwidrige Lücke, die durch eine entsprechende Anwendung des § 2 Abs. 1 Buchst. e KVG zu schließen sei. Unabhängig davon sei es von Verfassungs wegen geboten, § 2 Abs. 1 KVG so auszulegen, dass die Verpflichtungen aus Kirchenbaulasten auf die Gemeinden übergegangen seien. Gemeindliche Kirchenbaulasten unterfielen dem Schutz des Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 138 WRV sowie der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG. Der Gesetzgeber des Einigungsvertragsgesetzes habe die Ansprüche der Kirche nicht durch eine nachfolgelose Auflösung des Schuldners vernichten dürfen. Dadurch hätte er zugleich gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen. Denn als Folge einer solchen Entscheidung bestünden gemeindliche Kirchenbaulasten nur in den neuen Bundesländern nicht mehr. Dadurch wären die Kirchengemeinden dort flächendeckend erheblich schlechter gestellt als die Kirchengemeinden in den alten Bundesländern.

7 Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil: Die vertraglichen Pflichten zur Instandsetzung von Kirche und Pfarrhaus seien weder auf den Rat der Gemeinde Häselrieth noch auf den Gesamtstaat DDR übergegangen, sondern mit der Errichtung der Räte der Gemeinden weggefallen. Jedenfalls seien auf die 1990 neu gebildeten Gemeinden Verbindlichkeiten nur mit der Übertragung eines Vermögensgegenstandes übergegangen. Die Klägerinnen hätten nichts dazu vorgetragen, welches Vermögen die frühere Gemeinde Häselrieth von ihnen als Äquivalent für die vertragliche Übernahme der Instandsetzungspflichten erhalten und sie - die Beklagte - im Wege ihrer Vermögensausstattung zurückerhalten habe. Bei den streitigen Vertragspflichten handele es sich nicht um Verwaltungsvermögen. Die Instandsetzung von Kirchen und Pfarrhäusern gehöre jedenfalls heute wegen des Neutralitätsgebotes des Staates nicht zu den Selbstverwaltungsangelegenheiten von Gemeinden. Die Rechtsfigur der Funktionsnachfolge rechtfertige nicht den Übergang jeder Verbindlichkeit. Der vorrangige Zweck der Vermögenszuordnung bestehe darin, die neu errichteten Gebietskörperschaften mit Vermögen auszustatten. Deshalb bestehe auch keine planwidrige Lücke. Auf Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 138 WRV sowie auf Art. 14 GG könnten die Klägerinnen sich nicht mit Erfolg berufen. Der Wegfall der Vertragspflichten berühre den Gleichheitsgrundsatz nicht. Die Kirchengemeinden in den alten und in den neuen Bundesländern hätten sich beim Beitritt nicht in vergleichbarer Lage befunden. In den neuen Bundesländern sei die Entkirchlichung der Bevölkerung weiter fortgeschritten gewesen.

8 Der Vertreter des öffentlichen Interesses beim Thüringer Innenministerium hat sich...

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