Urteil vom 12.10.2023 - BVerwG 2 A 7.22

JurisdictionGermany
Judgment Date12 Octubre 2023
Neutral CitationBVerwG 2 A 7.22
ECLIDE:BVerwG:2023:121023U2A7.22.0
Record Number121023U2A7.22.0
CitationBVerwG, Urteil vom 12.10.2023 - 2 A 7.22 -
Registration Date18 Enero 2024
Subject MatterAllgemeines Beamtenrecht
CourtDas Bundesverwaltungsgericht
Applied RulesGG Art. 19 Abs. 4 Satz 1, Art. 33 Abs. 2,BBG § 21 Abs. 1 und 2, § 22 und § 25,BGleiG § 18 Abs. 1,BLV § 50 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1

BVerwG 2 A 7.22

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 12. Oktober 2023
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kenntner,
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. von der Weiden und Dr. Hartung,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hampel und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hissnauer
für Recht erkannt:

  1. Die dienstliche Beurteilung vom 16. Februar 2022 zum Stichtag 1. Juni 2021 und der Widerspruchsbescheid des Bundesnachrichtendienstes vom 3. November 2022 werden aufgehoben
  2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu dienstlich zu beurteilen
  3. Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte
Gründe I

1 Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Regelbeurteilung.

2 Der 19... geborene Kläger steht im Dienst der Beklagten und wird beim Bundesnachrichtendienst (BND) verwendet. Er absolvierte ein Studium der Politik- und Verwaltungswissenschaften und stieg in den höheren Dienst beim BND auf. Mit Wirkung zum 18. Oktober 2017 wurde der Kläger zum Regierungsrat (Besoldungsgruppe A 13 BBesO) ernannt. Vom 1. September 2014 bis zum 11. März 2019 war er im Bundesgebiet beim BND im Bereich der Auswertung tätig. In der für den Zeitraum vom 1. April 2016 bis zum 31. März 2019 erstellten Regelbeurteilung war der Kläger sowohl in der Leistungsbewertung als auch im Gesamturteil mit der Bestnote der damaligen neunstufigen Beurteilungsskala des BND bewertet worden. Seit 12. März 2019 ist er an einer Residentur des BND im Nahen Osten als Referent tätig. Mit Wirkung zum 2. April 2020 wurde der Kläger zum Oberregierungsrat (Besoldungsgruppe A 14 BBesO) befördert.

3 Die streitgegenständliche Regelbeurteilung zum Stichtag 1. Juni 2021 umfasst den Zeitraum vom 1. April 2019 bis zum 31. Mai 2021. Während dieses Zeitraums von 26 Monaten hatte der Kläger zweimal für zwei Monate Elternzeit in Anspruch genommen. Am 26. Januar 2022 wurde dem Kläger eine erste Fassung der Regelbeurteilung zum Stichtag 1. Juni 2021 eröffnet. In der Begründung der Leistungsbewertung merkte der Erstbeurteiler im Hinblick auf die Inanspruchnahme von Elternzeit an, dass diese "die Leistungsfähigkeit des kleinen Teams im Ausland viel mehr fordert und beeinträchtigt als im Regelbetrieb in der Zentrale". Diese Fassung der Regelbeurteilung hob der BND wegen dieser Passage auf.

4 In der dem Kläger am 16. Februar 2022 eröffneten dienstlichen Beurteilung vergab derselbe Erstbeurteiler in den vier Leistungsmerkmalgruppen mit insgesamt 12 Untergliederungen erneut fünfmal die Note "4" (Aufgaben- und Zielorientierung, Fachkenntnisse, Eigenständigkeit, Gewissenhaftig- und Zuverlässigkeit sowie Verantwortungsbereitschaft) und siebenmal die Note "3" (u. a. Qualität und Verwertbarkeit, Zeitmanagementfähigkeit sowie Kommunikations- und Konfliktfähigkeit) der neuen sechsstufigen Bewertungsskala des BND. Der Erstbeurteiler setzte die Gesamtnote für die Leistungsbewertung mit der Note "3" fest ("Entspricht den Anforderungen in jeder Hinsicht [Normalleistung]"). Er führte zur Begründung der Gesamtnote der Leistungsbewertung u. a. aus, dass es dem Kläger im Beurteilungszeitraum insgesamt gelungen sei, in der "vergleichenden Betrachtung jetzt erstmalig gemessen in der starken Gruppe der vielen erfahrenen Oberregierungsräte allen Anforderungen in jeder Hinsicht gerecht zu werden. Er habe jede sich bietende Gelegenheit genutzt, auch häufig herausragende Leistungen zu zeigen". Die Befähigungsmerkmale bewertete der Erstbeurteiler zweimal mit "D" (besonders ausgeprägt) – Auffassungsgabe sowie Denk- und Urteilsvermögen –, sechsmal mit "C" (stärker ausgeprägt) – u. a. Entscheidungs- und Durchsetzungsvermögen, Leistungsbereitschaft sowie Lernfähigkeit und -bereitschaft - und dreimal mit "B" normal ausgeprägt - u.a. Verhandlungsgeschick und Belastbarkeit. Zur Begründung seines Vorschlags für das Gesamturteil "3" führte der Erstbeurteiler u. a. aus, der Kläger sei ein Beamter mit stark ausgeprägter Auffassungsgabe sowie Denk- und Urteilsvermögen. Er bringe seine Erfahrungen aus dem Bereich der Auswertung jetzt an eine Residentur mit überzeugender Eigenständigkeit zur auftragsorientierten und zielgerichteten Wirkung; als verantwortungsbewusster und engagierter Oberregierungsrat erfülle er alle an ihn gestellten Anforderungen in jeder Hinsicht. Der Zweitbeurteiler, der Leiter der zuständigen Abteilung des BND, schloss sich diesen Bewertungen an und vergab sowohl bei der Leistungsbewertung als auch im Gesamturteil die Note "3", gab hierfür aber keine vom Erstbeurteiler abweichende Begründung.

5 Den hiergegen erhobenen Widerspruch des Klägers wies der BND mit Widerspruchsbescheid vom 3. November 2022 zurück. Zur Begründung der am 1. Dezember 2022 erhobenen Klage trägt der Kläger vor: Es fehle die erforderliche Begründung für die erhebliche Verschlechterung des Gesamturteils gegenüber der vorherigen Regelbeurteilung. Wegen seiner zwischenzeitlichen Beförderung sei lediglich die Herabstufung um eine Notenstufe nachvollziehbar. Im Übrigen seien die Erkenntnisquellen für die dienstliche Beurteilung unzureichend gewesen. Während eines wesentlichen Anteils des Beurteilungszeitraums habe der Erstbeurteiler die von ihm wahrgenommene Vorgesetzteneigenschaft noch nicht innegehabt. Der Erstbeurteiler habe selbst eingeräumt, über zu wenige Rahmendaten zu den zu beurteilenden Mitarbeitern zu verfügen. Vorgesetzte, die den Kläger aus eigener Anschauung beurteilen könnten, seien solche der Abteilung A, nicht aber Angehörige der Abteilung B, der er lediglich organisatorisch als Auslandsmitarbeiter zugeordnet sei. Für die Abteilung A, nicht aber für die Abteilung B, sei er im Ausland tätig geworden. Während des Entstehungsprozesses der Beurteilung seien ihm vom Erstbeurteiler mündlich und schriftlich mehrfach sein Alter und die Inanspruchnahme von Elternzeit entgegengehalten worden. Nach der Aufhebung der fehlerhaften ersten Beurteilung seien lediglich die textlichen Passagen entfernt worden, um den "bösen Schein" zu vermeiden. Lebensalter und Elternzeit seien aber unverändert negativ gewertet worden.

6 Der Kläger beantragt,
die dienstliche Beurteilung des Klägers vom 26. Juni 2022 zum Stichtag 1. Juni 2021 und den Widerspruchsbescheid des Bundesnachrichtendienstes vom 3. November 2022 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu dienstlich zu beurteilen.

7 Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

8 Der Erstbeurteiler sei nach Maßgabe der Beurteilungsbestimmungen für die Erstellung der Erstbeurteilung zuständig gewesen. Dieser habe seine Beurteilung auch auf einer ausreichenden Tatsachengrundlage erstellt. Dem Zweitbeurteiler sei der Kläger während des gesamten Beurteilungszeitraums unterstellt gewesen. Damit habe der Zweitbeurteiler unabhängig vom Erstbeurteiler über eine fundierte, aus eigener unmittelbarer Anschauung gewonnene Erkenntnisgrundlage verfügt. In den für das Statusamt eines Oberregierungsrats besonders zu gewichtenden Einzelmerkmalen sei der Kläger dreimal mit der Note "3" und zweimal mit der Note "4" bewertet worden. Die Gesamtnote für die Bewertung der Leistung sei ausreichend begründet worden. Im Hinblick auf den Unterschied im Gesamturteil zu der vorangegangenen Regelbeurteilung mit der Bestnote "9" sei zu berücksichtigen, dass diese Bewertung nach einem anderen Beurteilungssystem mit anderer Skala und anderen Richtwertvorgaben erstellt worden sei. Inzwischen könnten nicht mehr vier, sondern nur noch drei Noten vergeben werden, die eine überdurchschnittliche Leistung abbildeten. Damit müsse in einer sechsstufigen Notenskala folgerichtig ein umfangreicheres Leistungsspektrum pro Notenstufe abgedeckt werden als bei der neunstufigen Skala. Wegen der zwischenzeitlichen Beförderung des Klägers während des Beurteilungszeitraums habe sich zudem der Beurteilungsmaßstab gegenüber der vorangegangenen Beurteilung geändert. Während des früheren Beurteilungszeitraums habe der Kläger eine vollständig andere dienstliche Aufgabe wahrgenommen. Nunmehr gehöre der Kläger zu einer Vergleichsgruppe, die gegenüber seiner vorangegangenen Vergleichsgruppe durch höhere Anforderungen gekennzeichnet sei. Beamte dieser Vergleichsgruppe verfügten in der Regel aufgrund ihrer längeren Verweildauer im höheren Statusamt über einen erheblichen Erfahrungsvorsprung, der sich grundsätzlich positiv auf die Bewältigung der Aufgaben und die hierdurch gezeigte Eignung, Leistung und Befähigung auswirke. Der damit verbundene formale Leistungsabfall sei gerade nicht besonders begründungsbedürftig. Zudem sei in der Begründung ausgeführt, dass der Kläger sein "Entwicklungspotential noch lange nicht ausgeschöpft habe." Auch bestehe nicht das Gebot, eine Regelbeurteilung aus der vorangegangenen Regelbeurteilung für den vorangegangenen Beurteilungszeitraum zu entwickeln. Dieses Gebot gelte nur für in einem Regelbeurteilungssystem zusätzlich erstellte Anlassbeurteilungen. Da der Beurteiler ausschließlich die im Beurteilungszeitraum gezeigte Eignung, Leistung und Befähigung bewerten solle, werde ihm die vorangegangene Regelbeurteilung auch nicht von Amts wegen zur Verfügung gestellt. Bei der streitgegenständlichen Beurteilung sei nicht ersichtlich, dass die Elternzeit des Klägers für die Einschätzung der Leistung durch die Beurteiler relevant gewesen sei.

9 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten...

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