Urteil vom 14.12.2023 - BVerwG 3 C 25.22

JurisdictionGermany
Judgment Date14 Diciembre 2023
Neutral CitationBVerwG 3 C 25.22
Record Number141223U3C25.22.0
Registration Date08 Abril 2024
Subject MatterRecht der Land- und Forstwirtschaft einschließlich Förderungsmaßnahmen sowie Tierzucht- und Tierseuchenrecht
CourtDas Bundesverwaltungsgericht

BVerwG 3 C 25.22

  • VG Stade - 01.09.2021 - AZ: 6 A 978/19
  • OVG Lüneburg - 22.02.2022 - AZ: 10 LC 161/21

In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 16. November 2023
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Liebler,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kuhlmann,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Sinner und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hellmann
am 14. Dezember 2023 für Recht erkannt:

  1. Die Revision des Klägers gegen den Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 22. Februar 2022 wird zurückgewiesen
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens
Gründe I

1 Die Beteiligten streiten darum, ob eine vom Kläger bewirtschaftete Fläche bezogen auf das Antragsjahr 2018 als Dauergrünland zu bewerten ist und ob das Pflügen der Fläche einer Genehmigung bedarf.

2 Der Kläger gab im Zusammenhang mit dem Sammelantrag Agrarförderung und Agrarumweltmaßnahmen 2018 eine Erklärung ab, wonach er die Fläche im maßgebenden Zeitraum umgepflügt habe, so dass der Status als Dauergrünland zu korrigieren gewesen sei. Zum Beleg für das Pflügen legte er innerhalb der in § 10a Abs. 1 InVeKoSV genannten Frist (11. Juni 2018) eine Rechnung über Saatgut sowie ein Luftbild und mehrere nicht die Fläche betreffende Fotos vor. Die Beklagte teilte dem Kläger mit, die vorgelegten Unterlagen genügten nicht den an sie zu stellenden hohen Anforderungen. Betriebliche Aufzeichnungen, zu denen auch Rechnungen zählten, erfüllten die Anforderungen nicht. Deshalb bleibe es bei der Einstufung als Dauergrünland. Mit Bewilligungsbescheid vom Dezember 2018 gewährte die Beklagte dem Kläger antragsgemäß Direktzahlungen, wobei sie für die Fläche den Status "Dauergrünland" angab. Nach Fristablauf übersandte der Kläger seine eigene Erklärung über das Pflügen sowie schriftliche Erklärungen Dritter, die das Umpflügen bestätigten. Die Beklagte teilte dem Kläger mit, die ergänzenden Unterlagen seien zum Nachweis des Umpflügens nicht geeignet und verfristet.

3 Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 1. September 2021 als unzulässig abgewiesen, da die im Hauptantrag erhobene Verpflichtungsklage unstatthaft sei und es für die im Hilfsantrag erhobene Feststellungsklage an einem Feststellungsinteresse fehle.

4 Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Das Verpflichtungsbegehren sei unzulässig. Die hilfsweise erhobene Feststellungsklage sei unbegründet. Bei der Fläche des Klägers handele es sich um Dauergrünland im Sinne des § 2a DirektZahlDurchfV. Die in § 10a Abs. 1 InVeKoSV geregelte Frist sei eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist. Die Ausschlussfrist und die Beschränkung der Beweismittel auf schriftliche Nachweise in § 10a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 InVeKoSV seien sachlich gerechtfertigt und genügten dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Die zuständige Behörde müsse aufgrund der vorgelegten schriftlichen Nachweise zur Überzeugung gelangen, dass die Fläche umgepflügt worden sei. Darüber hinaus ergebe sich keine Beschränkung der zugelassenen Beweismittel. Es sei unzulässig, schriftliche Erklärungen des Betriebsinhabers sowie von Personen, die in seinem Auftrag die Fläche umgepflügt haben sollten, als irrelevante Selbsterklärungen zu klassifizieren und ihnen von vornherein ohne Würdigung im Einzelfall jede Beweiswirkung abzusprechen. Aus dem Umstand, dass die Beklagte keine näheren Angaben zu ihrer Ansicht nach ausreichenden Beweismitteln gemacht habe, könne nicht geschlossen werden, dass sie verpflichtet gewesen sei, später nachgereichte Beweise noch zu berücksichtigen. Mit den schriftlichen Beweisen, die der Kläger bis zum 11. Juni 2018 eingereicht habe und die allein zulässig gewesen seien, habe er den erforderlichen Nachweis nicht geführt. Der Rechnung fehle ein Bezug zu der in Rede stehenden Fläche. Dem Luftbild lasse sich ein Umpflügen im benannten Jahr nicht entnehmen. Wegen der Pauschalität seiner eigenen Erklärung sei es nicht zu beanstanden, dass die Beklagte sie nicht für ausreichend erachtet habe. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf die Feststellung, dass die im Oktober 2019 gepflügte Fläche ab diesem Zeitpunkt fünf Jahre ohne Genehmigung gepflügt werden dürfe. Dem stehe entgegen, dass die Fläche gemäß Art. 44 Abs. 1 Unterabs. 1 und 2 Satz 2 VO (EU) Nr. 639/2014 als Dauergrünland gelte, das nach § 16 Abs. 3 Satz 1 DirektZahlDurchfG nur mit einer Genehmigung umgewandelt werden dürfe.

5 Zur Begründung seiner vom Senat zugelassenen Revision trägt der Kläger vor, bei der in § 10a Abs. 1 InVeKoSV genannten Frist handele es sich nicht um eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist mit dem Inhalt, dass nach ihrem Ablauf geeignete Nachweise im Sinne von § 10a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 InVeKoSV, welche bereits vor Ablauf der Frist vorgelegte Nachweise ergänzten und die insoweit geltend gemachten Angaben bestätigten, von der zuständigen Behörde nicht mehr berücksichtigt werden könnten. Wenn ein Betriebsinhaber bis zum 11. Juni 2018 den Antrag gestellt, die Fläche konkret bezeichnet und angegeben habe, dass sie in der Vergangenheit gepflügt worden sei, sei das Prüfungsverfahren eröffnet. Für die Annahme, der Betriebsinhaber sei in diesem Verfahren mit ergänzenden Nachweisen präkludiert, gebe es keinen Grund. Auch § 7 Abs. 5 InVeKoSV räume dem Betriebsinhaber die Möglichkeit ein, weitere Angaben zu machen. Das allgemeine Fristenregime des Unionsrechts für die Einreichung von Sammelanträgen greife im vorliegenden Verfahren nicht. § 10a Abs. 1 InVeKoSV sei nur in Fällen anwendbar, in denen innerhalb der Frist gar kein Antrag eingereicht worden sei. Die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts sei auch mit höherrangigem Recht nicht vereinbar. Es widerspreche dem Rechtsstaatsprinzip, dass § 10a InVeKoSV die geeigneten Nachweise nicht benenne.

6 Die Beklagte verteidigt die angegriffene Entscheidung.

7 Die Vertreterin des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht führt in Übereinstimmung mit dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft aus, bei der in § 10a Abs. 1 InVeKoSV genannten Frist handele es sich um eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist, die dazu führe, dass nach ihrem Ablauf vorgelegte Nachweise im Sinne des § 10a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 InVeKoSV auch dann nicht mehr berücksichtigt werden dürften, wenn sie rechtzeitig gemachte Angaben und beigefügte Unterlagen konkretisierten und ergänzten. Aus der Formulierung "im Zusammenhang mit dem Sammelantrag" in § 10a Abs. 1 InVeKoSV ergebe sich zwingend, dass das unionsrechtliche Fristenregime für die Einreichung des Sammelantrags mit seinen Verspätungsfolgen anzuwenden sei.

II

8 Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 144 Abs. 2 VwGO). Die Verpflichtungsklage ist unzulässig (1.). Die Feststellungsklage ist zulässig (2.). Sie ist aber nicht begründet. Das Berufungsgericht hat ohne Bundesrechtsverstoß (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) angenommen, dass die in § 10a Abs. 1 InVeKoSV bestimmte Frist eine Ausschlussfrist ist; sie schließt die Vorlage neuer Nachweise für das Umpflügen und deren Berücksichtigung auch dann aus, wenn die Nachweise rechtzeitig gemachte Angaben und beigefügte Unterlagen ergänzen (3.). In dieser Auslegung ist die Vorschrift mit höherrangigem Recht vereinbar (4.). Die Beklagte kann sich ohne Verstoß gegen Treu und Glauben auf die Fristversäumnis berufen (5.). Die Annahme des Berufungsgerichts, dass die nach Fristablauf vorgelegten Nachweise nicht zu berücksichtigen sind und der Kläger mit den innerhalb der Frist vorgelegten Unterlagen das Umpflügen nicht nachgewiesen hat, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden (6.). Hinsichtlich der Anwendung des Art. 44 der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 639/2014 durch das Berufungsgericht ist ein Bundesrechtsverstoß weder geltend gemacht noch ersichtlich (7.).

9 1. Das Verpflichtungsbegehren (§ 42 Abs. 1 VwGO) ist nicht statthaft. Das Oberverwaltungsgericht hat zutreffend angenommen, das einschlägige Landwirtschaftsrecht sehe keine Möglichkeit vor, durch Verwaltungsakt die Eigenschaft bzw. den Status einer Fläche als Ackerland und den Zeitraum genehmigungsfreien Umpflügens feststellen zu lassen (BA S. 9). Auch die Beklagte sieht hierfür keine Grundlage. Ihre Mitteilungen, aufgrund der vorgelegten Nachweise erfolge keine Änderung des Flächenstatus, sind keine Verwaltungsakte. Ihnen fehlt die Regelungswirkung im Sinne des § 1 NVwVfG i. V. m. § 35 Satz 1 VwVfG. Auch die fehlende Rechtsbehelfsbelehrung (§ 1 NVwVfG i. V. m. § 37 Abs. 6 Satz 1 VwVfG) spricht gegen eine Regelungsabsicht der Beklagten. Das auf Aufhebung ihres Schreibens vom 30. Januar 2019 gerichtete Begehren des Klägers ist daher ebenfalls unstatthaft.

10 2. Die Feststellungsklage ist...

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