Urteil vom 15.12.2010 - BVerwG 8 C 37.09

JurisdictionGermany
Judgment Date15 Diciembre 2010
Neutral CitationBVerwG 8 C 37.09
ECLIDE:BVerwG:2010:151210U8C37.09.0
CitationBVerwG, Urteil vom 15.12.2010 - 8 C 37.09
Registration Date22 Enero 2013
Applied RulesVwVfG § 40,§ 44 Abs. 1 Satz 1,FinDAG § 4 Abs. 4,BGB § 134,KWG § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, § 32 Abs. 1 Satz 1, § 37 Abs. 1 Satz 1,
CourtDas Bundesverwaltungsgericht
Record Number151210U8C37.09.0

BVerwG 8 C 37.09

  • VGH Kassel - 20.05.2009 - AZ: VGH 6 A 1040/08 -
  • Hessischer VGH - 20.05.2009 - AZ: VGH 6 A 1040/08

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 15. Dezember 2010
durch die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. von Heimburg, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Deiseroth und die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hauser, Dr. Held-Daab und Dr. Kuhlmann
für Recht erkannt:

  1. Das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 20. Mai 2009 wird aufgehoben.
  2. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 21. Februar 2008 wird zurückgewiesen.
  3. Die Kläger tragen die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens.
Gründe I

1 Die Kläger wenden sich jeweils gegen einen Bescheid der Beklagten, den diese ihnen gegenüber wegen unerlaubten Betreibens des Einlagengeschäfts erlassen hat.

2 Die Kläger schlossen zwischen Mitte Juli 2003 und Ende Januar 2006 gemeinschaftlich sechzehn Darlehensverträge mit dreizehn Privatpersonen ab. Die einzelnen Darlehensbeträge beliefen sich auf Summen zwischen 5 000 € und 30 000 €. Insgesamt vereinnahmten die Kläger Gelder in Höhe von 213 000 €, die sie laut den Darlehensvereinbarungen zum Erwerb von Aktien verwenden wollten. In den Darlehensverträgen wurden u.a. eine jährliche Festverzinsung zwischen 6,5 % und 9 %, eine gewinnabhängige Zinserhöhung sowie eine Mindestlaufzeit der Darlehen vereinbart.

3 Mit gleichlautenden Bescheiden vom 10. August 2006 gab die Beklagte den Klägern jeweils gemäß § 37 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über das Kreditwesen (Kreditwesengesetz - KWG) auf, das Einlagengeschäft im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG unverzüglich abzuwickeln, indem sie die Darlehen an die Einlagengläubiger zurückzahlten (I. der Verfügungen). Für den Fall der Nichtbefolgung dieser Anordnung wurde ein Zwangsgeld in Höhe von jeweils 25 000 € angedroht (II. der Verfügungen). Zudem wurde eine Gebühr von je 1 250 € festgesetzt (III. der Verfügungen). Unter Hinweis auf § 44c Abs. 1 KWG wurde den Klägern zudem aufgegeben, über die Art und Weise und den Umfang der Abwicklung zu berichten sowie die Rückzahlung der Darlehen zu belegen (IV. der Verfügungen). Für einen Verstoß gegen die Berichts- und Nachweispflicht wurde ein weiteres Zwangsgeld in Höhe von jeweils 25 000 € angedroht (V. der Verfügungen).

4 Die dagegen gerichteten Widersprüche der Kläger wies die Beklagte mit gleichlautenden Widerspruchsbescheiden vom 2. Oktober 2006 zurück.

5 Die Anfechtungsklagen der Kläger hat das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main mit Urteil vom 21. Februar 2008 abgewiesen. Die Voraussetzungen zum Erlass einer Abwicklungsanordnung nach § 37 Abs. 1 Satz 1 KWG seien erfüllt. Die von den Klägern mit der Entgegennahme von Darlehen ausgeübte geschäftliche Tätigkeit stelle sich als Einlagengeschäft gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG dar, das im Sinne von § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG gewerbsmäßig betrieben werde. Die Beklagte habe auch ermessensgerecht entschieden. Die Abwicklung durch Rückzahlung der Einlagen sei als Regelfall vom Gesetzgeber intendiert. Den Klägern werde nichts rechtlich Unmögliches aufgegeben. Der Verstoß gegen die Erlaubnispflicht in § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG führe gemäß § 134 BGB zur Teilnichtigkeit der Darlehensverträge insoweit, als die Darlehensgeber die Belassung ihrer Einlage für eine bestimmte Zeit versprochen hätten. Das Vertrauen in die Stabilität des Finanzsystems wäre generell belastet, stünde die Fortsetzung verbotswidriger Bankgeschäfte zur Disposition der Vertragspartner. Die den Klägern aufgegebene Berichts- und Nachweispflicht sei ebenso rechtlich unbedenklich wie die Zwangsgeldandrohungen und die Gebührenfestsetzung.

6 Auf die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof mit Urteil vom 20. Mai 2009 unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Bescheide der Beklagten vom 10. August 2006 und die Widerspruchsbescheide vom 2. Oktober 2006 aufgehoben. Die Abwicklungsanordnungen seien rechtswidrig und verletzten die Kläger in ihren Rechten. Hieraus folge auch die Rechtswidrigkeit der übrigen Verfügungen in den angegriffenen Bescheiden. Zwar seien die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 37 Abs. 1 Satz 1 KWG erfüllt. Die Beklagte habe aber das ihr in § 37 Abs. 1 KWG eingeräumte Ermessen nicht ordnungsgemäß ausgeübt. Wegen des vom Kreditwesengesetz neben dem Schutz der Integrität des Finanzplatzes Deutschland gleichrangig angestrebten Schutzes der Anleger dürfe die Anordnung der sofortigen Rückzahlung unerlaubt entgegengenommener Einlagen nicht ohne Beachtung der Anlegerinteressen und ohne Berücksichtigung der getroffenen zivilrechtlichen Vereinbarungen erfolgen. Die Beklagte habe das öffentliche Interesse an einer schnellen Beendigung unerlaubter Bankgeschäfte mit den privaten Belangen der Anleger abzuwägen und zu prüfen, ob unter ihrer Aufsicht und entsprechend ihren Weisungen eine zeitlich begrenzte Weiterführung der Geschäfte oder eine zeitlich gestaffelte Rückzahlung der Gelder in Betracht komme. Dabei müsse sie die zivilrechtlichen Gegebenheiten vollständig und richtig einschätzen. Diesen Anforderungen sei die Beklagte nicht gerecht geworden. Nicht zu folgen sei ihrer Auffassung, einer Berücksichtigung der aus dem Einlagengeschäft abgeleiteten vertraglichen Ansprüche und Interessen der Darlehensgläubiger bedürfe es schon deshalb nicht, weil die Darlehensverträge nach § 134 BGB (teil-)nichtig seien. Eine Gesamt- oder Teilnichtigkeit gemäß § 134 BGB liege nicht vor. Gegen eine Berücksichtigung der Anlegerinteressen lasse sich auch nicht einwenden, die Beklagte würde an einem effektiven Einschreiten gehindert, wenn sie die vertraglichen Vereinbarungen zu beachten hätte. § 37 Abs. 1 Satz 1 KWG ermächtige sie auch zur Herbeiführung privatrechtsgestaltender Wirkungen durch Verwaltungsakt. Sie habe demnach bei ihrer Ermessensentscheidung die Wahl, die sofortige Rückzahlung der Einlage anzuordnen und den Anleger damit zu zwingen, auf eine vertragsgemäße Erfüllung zu verzichten, oder alternativ eine einvernehmliche...

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