Urteil vom 16.11.2023 - BVerwG 3 C 26.22

JurisdictionGermany
Judgment Date16 Noviembre 2023
Neutral CitationBVerwG 3 C 26.22
Record Number161123U3C26.22.0
Registration Date08 Abril 2024
Subject MatterRecht der Land- und Forstwirtschaft einschließlich Förderungsmaßnahmen sowie Tierzucht- und Tierseuchenrecht
CourtDas Bundesverwaltungsgericht

BVerwG 3 C 26.22

  • VG Stade - 03.02.2021 - AZ: 6 A 867/19
  • OVG Lüneburg - 25.02.2022 - AZ: 10 LC 51/21

In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 16. November 2023
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Liebler,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kuhlmann,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Sinner und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hellmann
für Recht erkannt:

  1. Die Revision des Klägers gegen den Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 25. Februar 2022 wird zurückgewiesen
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens
Gründe I

1 Die Beteiligten streiten darum, ob von der früheren Klägerin bewirtschaftete Flächen bezogen auf das Antragsjahr 2018 als Dauergrünland zu bewerten sind und ob das Pflügen der Flächen einer Genehmigung bedarf.

2 Die frühere Klägerin gab im Zusammenhang mit dem Sammelantrag Agrarförderung und Agrarumweltmaßnahmen 2018 eine Erklärung ab, wonach sie die Flächen im maßgebenden Zeitraum umgepflügt habe, so dass der Status als Dauergrünland zu korrigieren gewesen sei. Zum Beleg für das Pflügen legte sie innerhalb der in § 10a Abs. 1 InVeKoSV genannten Frist (11. Juni 2018) eine Rechnung über Saatgut sowie über Leistungen eines Lohnunternehmens vor. Die Beklagte teilte der früheren Klägerin mit, die vorgelegten Unterlagen genügten nicht den an sie zu stellenden hohen Anforderungen. Betriebliche Aufzeichnungen, zu denen auch Rechnungen zählten, erfüllten die Anforderungen nicht. Deshalb bleibe es bei der Einstufung als Dauergrünland. Mit Bewilligungsbescheid vom Dezember 2018 gewährte die Beklagte der früheren Klägerin antragsgemäß Direktzahlungen, wobei sie für die Flächen den Status "Dauergrünland" angab. Nach Fristablauf übersandte die frühere Klägerin Luftbildaufnahmen sowie schriftliche Zeugenaussagen, die das Umpflügen bestätigten. Die Beklagte teilte der früheren Klägerin mit, es würden nur Zeugenaussagen amtlich anerkannter Institutionen sowie georeferenzierte, amtlich anerkannte Luftbilder als Nachweis anerkannt.

3 Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 3. Februar 2021 auf den Hilfsantrag festgestellt, dass die Flächen im Antragsjahr 2018 nicht als Dauergrünland zu bewerten sind und bis zu einem genannten Zeitpunkt ohne Genehmigung gepflügt werden dürfen. Im Übrigen - nämlich soweit mit dem Hauptantrag eine entsprechende Verpflichtung der Beklagten und mit dem Hilfsantrag weitergehende Feststellungen beantragt waren - hat es die Klage abgewiesen.

4 Am 1. April 2021 ist über das Vermögen der früheren Klägerin das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt worden. Er hat erklärt, den Rechtsstreit fortzuführen.

5 Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht die Klage insgesamt abgewiesen. Bei den Flächen handele es sich um Dauergrünland im Sinne des § 2a DirektZahlDurchfV. Die in § 10a Abs. 1 InVeKoSV geregelte Frist sei eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist. Die Ausschlussfrist und die Beschränkung der Beweismittel auf schriftliche Nachweise in § 10a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2‌ InVeKoSV seien sachlich gerechtfertigt und genügten dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Die zuständige Behörde müsse aufgrund der vorgelegten schriftlichen Nachweise zur Überzeugung gelangen, dass die Flächen umgepflügt worden seien. Darüber hinaus ergebe sich keine Beschränkung der zugelassenen Beweismittel. Es sei unzulässig, schriftliche Erklärungen des Betriebsinhabers sowie von Personen, die in seinem Auftrag die Flächen umgepflügt haben sollten, als irrelevante Selbsterklärungen zu klassifizieren und ihnen von vornherein ohne Würdigung im Einzelfall jede Beweiswirkung abzusprechen. Aus dem Umstand, dass die Beklagte keine näheren Angaben zu ihrer Ansicht nach ausreichenden Beweismitteln gemacht habe, könne nicht geschlossen werden, dass sie verpflichtet gewesen sei, später nachgereichte Beweise noch zu berücksichtigen. Mit den schriftlichen Beweisen, die die frühere Klägerin bis zum 11. Juni 2018 eingereicht habe und die allein zulässig gewesen seien, habe sie den erforderlichen Nachweis nicht geführt. Den Rechnungen fehle ein Bezug zu den in Rede stehenden Flächen. Wegen der Pauschalität ihrer eigenen Erklärung sei es nicht zu beanstanden, dass die Beklagte sie nicht für ausreichend erachtet habe.

6 Zur Begründung seiner vom Senat zugelassenen Revision trägt der Kläger vor, bei der in § 10a Abs. 1 InVeKoSV genannten Frist handele es sich nicht um eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist mit dem Inhalt, dass nach ihrem Ablauf geeignete Nachweise im Sinne von § 10a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 InVeKoSV, welche bereits vor Ablauf der Frist vorgelegte Nachweise ergänzten und die insoweit geltend gemachten Angaben bestätigten, von der zuständigen Behörde nicht mehr berücksichtigt werden könnten. Wenn ein Betriebsinhaber bis zum 11. Juni 2018 den Antrag gestellt, die Fläche konkret bezeichnet und angegeben habe, dass sie in der Vergangenheit gepflügt worden sei, sei das Prüfungsverfahren eröffnet. Für die Annahme, der Betriebsinhaber sei in diesem Verfahren mit ergänzenden Nachweisen präkludiert, gebe es keinen Grund. Auch § 7 Abs. 5 InVeKoSV räume dem Betriebsinhaber die Möglichkeit ein, weitere Angaben zu machen. Das allgemeine Fristenregime des Unionsrechts für die Einreichung von Sammelanträgen greife im vorliegenden Verfahren nicht. § 10a Abs. 1 InVeKoSV sei nur in Fällen anwendbar, in denen innerhalb der Frist gar kein Antrag eingereicht worden sei. Die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts sei auch mit höherrangigem Recht nicht vereinbar. Es widerspreche dem Rechtsstaatsprinzip, dass § 10a InVeKoSV die geeigneten Nachweise nicht benenne.

7 Die Beklagte verteidigt die angegriffene Entscheidung.

8 Die Vertreterin des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht führt in Übereinstimmung mit dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft aus, bei der in § 10a Abs. 1 InVeKoSV genannten Frist handele es sich um eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist, die dazu führe, dass nach ihrem Ablauf vorgelegte Nachweise im Sinne des § 10a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 InVeKoSV auch dann nicht mehr berücksichtigt werden dürften, wenn sie rechtzeitig gemachte Angaben und beigefügte Unterlagen konkretisierten und ergänzten. Aus der Formulierung "im Zusammenhang mit dem Sammelantrag" in § 10a Abs. 1 InVeKoSV ergebe sich zwingend, dass das unionsrechtliche Fristenregime für die Einreichung des Sammelantrags mit seinen Verspätungsfolgen anzuwenden sei.

II

9 Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 144 Abs. 2 VwGO). Die Feststellungsklage ist zulässig (1.). Sie ist aber nicht begründet. Das Berufungsgericht hat ohne Bundesrechtsverstoß (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) angenommen, dass die in § 10a Abs. 1 InVeKoSV bestimmte Frist eine Ausschlussfrist ist; sie schließt die Vorlage neuer Nachweise für das Umpflügen und deren Berücksichtigung auch dann aus, wenn die Nachweise rechtzeitig gemachte Angaben und beigefügte Unterlagen ergänzen (2.). In dieser Auslegung ist die Vorschrift mit höherrangigem Recht vereinbar (3.). Die Beklagte kann sich ohne Verstoß gegen Treu und Glauben auf die Fristversäumnis berufen (4.). Die Annahme des Berufungsgerichts, dass die nach Fristablauf vorgelegten Nachweise nicht zu berücksichtigen sind und die frühere Klägerin mit den innerhalb der Frist vorgelegten Unterlagen das Umpflügen nicht nachgewiesen hat, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden (5.).

10 1. Die Feststellungsklage ist zulässig.

11 a) Zwischen den Beteiligten besteht ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO. Sie streiten darum, ob die Flächen des Klägers im Antragsjahr 2018 als Dauergrünland im Sinne des auch als "Pflugregelung" bezeichneten § 2a Abs. 1 der Verordnung zur Durchführung der Direktzahlungen an Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe im Rahmen von Stützungsregelungen der Gemeinsamen Agrarpolitik (Direktzahlungen-Durchführungsverordnung - DirektZahlDurchfV i. d. F. des Art. 1 Nr. 2 der Verordnung vom 23. März 2018, BAnz. AT 29. März 2018) anzusehen sind und im bezeichneten Zeitraum ohne Genehmigung gepflügt werden durften. Gemäß § 2a Abs. 1 DirektZahlDurchfV gelten als Dauergrünland nach Art. 4 Abs. 1 Buchst. h der Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 Flächen, die mindestens fünf Jahre lang nicht umgepflügt worden sind, sofern die Flächen durch Einsaat oder auf natürliche Weise (Selbstaussaat) zum Anbau...

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