Urteil vom 18.04.2013 - BVerwG 5 C 18.12

JurisdictionGermany
Judgment Date18 Abril 2013
Neutral CitationBVerwG 5 C 18.12
ECLIDE:BVerwG:2013:180413U5C18.12.0
CitationBVerwG, Urteil vom 18.04.2013 - 5 C 18.12
Registration Date28 Junio 2013
Applied RulesSGB VIII a.F. § 19, § 19 Abs. 3, § 39 Abs. 1 Satz 2, § 93 Abs. 1 Satz 1, 2 und 3, § 93 Abs. 3 Satz 2,BEEG a.F. § 2 Abs. 5 Satz 1, § 10 Abs. 1,GG Art. 3 Abs. 1
CourtDas Bundesverwaltungsgericht
Record Number180413U5C18.12.0

BVerwG 5 C 18.12

  • Bayer. VG Würzburg - 29.04.2010 - AZ: VG W 3 K 09.524
  • Bayerischer VGH München - 26.03.2012 - AZ: VGH 12 BV 10.1744

In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 18. April 2013
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Vormeier,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Stengelhofen und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler, Dr. Fleuß und Hahn
für Recht erkannt:

  1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 26. März 2012 geändert. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 29. April 2010 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe I

1 Die Beteiligten streiten um die Höhe eines jugendhilferechtlichen Kostenbeitrags für die Zeit vom 7. Juli bis 31. Oktober 2008.

2 Die am 1. Mai 1984 geborene Klägerin ist alleinerziehende Mutter einer Tochter. In dem in Rede stehenden Zeitraum erhielt sie Kindergeld in Höhe von monatlich 154 € sowie bis zum 24. Oktober 2008 Elterngeld in Höhe von monatlich 521,82 €.

3 Ab dem 7. Juli 2008 gewährte die Beklagte der Klägerin Hilfe nach § 19 Achtes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VIII a.F. - und brachte diese gemeinsam mit ihrer zu diesem Zeitpunkt fast ein Jahr alten Tochter in einer Mutter-Kind-Einrichtung unter.

4 Mit Bescheid vom 8. August 2008 zog die Beklagte die Klägerin zu einem monatlichen Kostenbeitrag heran, den sie für die Zeit vom 7. Juli bis zum 31. Juli 2008 auf 404,80 €, für August und September 2008 jeweils auf 506 € und für Oktober 2008 auf 428 € festsetzte. Bei der Ermittlung des hierfür maßgeblichen Einkommens rechnete die Beklagte neben dem Kindergeld das Elterngeld vollständig als Einkommen der Klägerin an und kürzte das so ermittelte Gesamteinkommen gemäß § 93 Abs. 3 Satz 2 SGB VIII a.F. um pauschal 25 v. H.

5 Das Verwaltungsgericht hat die nach erfolglosem Widerspruchsverfahren auf Reduzierung des Kostenbeitrags bis zur Höhe des gezahlten Kindergeldes und Erstattung des zuviel gezahlten Betrages gerichtete Klage abgewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof hat der Berufung der Klägerin insoweit stattgegeben, als für Juli 2008 ein Kostenbeitrag von mehr als 225,49 €, für August und September 2008 jeweils ein Kostenbeitrag von mehr als 281,86 € und für Oktober 2008 ein Kostenbeitrag von mehr als 203,59 € gefordert wurde. Im Übrigen hat er die Berufung zurückgewiesen. Das Elterngeld sei zwar als Einkommen im Sinne des § 93 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII in Ansatz zu bringen. Seine Berücksichtigung als Einkommen scheide nicht gemäß § 93 Abs. 1 Satz 3 SGB VIII aus. Denn das Elterngeld werde nicht aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften zu einem ausdrücklich genannten Zweck erbracht. Jedoch könne die Klägerin verlangen, dass der monatliche Mindestbetrag des Elterngeldes von 300 € in analoger Anwendung des § 10 Abs. 1 Gesetz zum Elterngeld und zur Elternzeit - Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) - anrechnungsfrei bleibe.

6 Mit ihrer hiergegen gerichteten Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 10 Abs. 1 BEEG.

7 Die Klägerin, der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht sowie die Landesanwaltschaft Bayern verteidigen das angefochtene Urteil.

II

8 Die Revision der Beklagten ist begründet. Das angefochtene Urteil verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), soweit der Verwaltungsgerichtshof das Elterngeld, das der Klägerin vom 7. Juli bis zum 24. Oktober 2008 gezahlt wurde, bei der Ermittlung der Berechnungsgrundlage für den jugendhilferechtlichen Kostenbeitrag in Höhe von 300 € nicht als Einkommen in Ansatz gebracht hat.

9 Zwischen den Beteiligten steht nicht im Streit, dass die Beklagte der Klägerin vom 7. Juli bis 31. Oktober 2008 Leistungen der Jugendhilfe nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch vom 26. Juni 1990 (BGBl I S. 1163) in der im Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 14. Dezember 2006 (BGBl I S. 3134) - SGB VIII a.F. - gewährt hat und daher die Klägerin dem Grunde nach kostenbeitragspflichtig ist. Des Weiteren ist zwischen den Beteiligten zu Recht nicht streitig, dass das auf die betreute Tochter entfallende Kindergeld als Einkommen der Klägerin im Sinne des § 93 Abs. 1 SGB VIII a.F. zählt. Die Beteiligten haben zu Recht auch nicht in Abrede gestellt, dass die Berücksichtigung des Kindergeldes weder nach § 93 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII a.F. noch nach § 93 Abs. 1 Satz 3 SGB VIII a.F. ausgeschlossen ist. Zu entscheiden ist allein darüber, ob und in welchem Umfang das der Klägerin vom 7. Juli bis zum 24. Oktober 2008 gezahlte Elterngeld bei der Berechnung ihres Einkommens zu berücksichtigen ist.

10 Der Verwaltungsgerichtshof ist im Ansatz zu Recht davon ausgegangen, dass das Elterngeld zu den Einkünften der Klägerin im Sinne des § 93 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII a.F. zu rechnen ist (1.). Der Anrechnung des Elterngeldes steht nicht die Ausnahmevorschrift des § 93 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII a.F. entgegen (2.). Der Verwaltungsgerichtshof hat auch zutreffend entschieden, dass die Berücksichtigung des Elterngeldes nicht an § 93 Abs. 1 Satz 3 SGB VIII a.F. scheitert (3.). Rechtsfehlerhaft hat er aber angenommen, dass das Elterngeld in analoger Anwendung des § 10 Abs. 1 Gesetz zum Elterngeld und zur Elternzeit - Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz - vom 5. Dezember 2006 (BGBl I S. 2748) - BEEG a.F. - in Höhe von 300 € nicht als Einkommen anzusetzen ist (4.). Die Anrechnung des Elterngeldes in vollem Umfang ist unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten nicht zu beanstanden (5.).

11 1. Nach § 93 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII a.F. gehören zum Einkommen alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Grundrente nach oder entsprechend dem Bundesversorgungsgesetz sowie der Renten und Beihilfen, die nach dem...

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