Urteil vom 20.01.2022 - BVerwG 8 C 35.20

JurisdictionGermany
Judgment Date20 Enero 2022
Neutral CitationBVerwG 8 C 35.20
ECLIDE:BVerwG:2022:200122U8C35.20.0
Registration Date26 Abril 2022
Record Number200122U8C35.20.0
Subject MatterKommunalrecht, einschließlich des Kommunalwahlrechts
CourtDas Bundesverwaltungsgericht
CitationBVerwG, Urteil vom 20.01.2022 - 8 C 35.20 -

BVerwG 8 C 35.20

  • VG München - 12.12.2018 - AZ: M 7 K 18.3672
  • VGH München - 17.11.2020 - AZ: 4 B 19.1358

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 20. Januar 2022
durch
die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Held-Daab,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hoock,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Keller,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rublack und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Seegmüller
für Recht erkannt:

  1. Die Revision wird zurückgewiesen
  2. Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens
Gründe I

1 Der Kläger begehrt die Zulassung zu einer öffentlichen Einrichtung der Beklagten für eine Diskussionsveranstaltung, die einen von deren Stadtrat am 13. Dezember 2017 gefassten Beschluss zum Gegenstand haben soll. Dieser Beschluss hat u.a. folgenden Inhalt:
"3. Für Raumvergaben bzw. Vermietung oder Zuschüsse wird Folgendes festgelegt
a) Organisationen und Personen, die Veranstaltungen in städtischen Einrichtungen durchführen wollen, welche sich mit den Inhalten, Themen und Zielen der BDS-Kampagne befassen, diese unterstützen, diese verfolgen oder für diese werben, werden von der Raumüberlassung bzw. Vermietung von Räumlichkeiten ausgeschlossen. Dies gilt entsprechend auch für die Zuschussvergabe.
b) Organisationen und Personen (Rednerinnen und Redner, Künstlerinnen und Künstler, Veranstalterinnen und Veranstalter), die sich in der Vergangenheit positiv zur BDS-Kampagne geäußert haben oder diese unterstützen, können nur dann durch die Überlassung bzw. Vermietung von Räumlichkeiten für Veranstaltungen unterstützt werden, sofern diese sich nicht mit den Inhalten, Themen und Zielen der BDS-Kampagne befassen, diese unterstützen, diese verfolgen oder für diese werben. Dies gilt entsprechend auch für die Zuschussvergabe."

2 Im April 2018 bat der Kläger das Stadtmuseum der Beklagten um Überlassung eines Saales für eine Diskussionsveranstaltung zum Thema "Wie sehr schränkt M. die Meinungsfreiheit ein? - Der Stadtratsbeschluss vom 13.12.2017 und seine Folgen". Das Stadtmuseum lehnte die Vermietung seiner Räumlichkeiten für die geplante Veranstaltung unter Hinweis auf den Beschluss des Stadtrats ab.

3 Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit dem Antrag, die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger im M. Stadtmuseum, hilfsweise in einem anderen städtischen Raum, einen Saal für die geplante Diskussionsveranstaltung zu vermieten, abgewiesen. Im Berufungsverfahren hat der Kläger seinen Hilfsantrag präzisiert und neben dem Stadtmuseum sieben weitere städtische Veranstaltungsorte konkret benannt, darunter den Bürgersaal F. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beklagte verpflichtet, dem Kläger für die geplante Diskussionsveranstaltung den Zugang zum Bürgersaal F. im Rahmen der verfügbaren Kapazitäten durch Einwirkung auf den Trägerverein Bürgersaal F. e.V. zu verschaffen; im Übrigen hat er die Berufung zurückgewiesen. Allein der Hilfsantrag auf Verpflichtung der Beklagten zum Abschluss eines Mietvertrages für den Bürgersaal F. sei zulässig und begründet. Bei der genannten Veranstaltungsstätte handele es sich um eine öffentliche Einrichtung im Sinne des Art. 21 Abs. 1 Satz 1 Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern (Gemeindeordnung - BayGO). Deren Widmungszweck umfasse auch privat organisierte Veranstaltungen zu kommunalpolitischen Themen. Da die Beklagte den laufenden Betrieb der Einrichtung und die Entscheidung über die Nutzungsvergabe dem Trägerverein Bürgersaal F. e.V. überlassen habe, wandele sich der kommunalrechtliche Zulassungsanspruch in einen Verschaffungsanspruch, den die beklagte Kommune durch Einwirkung auf den Trägerverein zu erfüllen habe.

4 Der Verschaffungsanspruch scheitere nicht an dem Beschluss des Stadtrats der Beklagten. Dieser verletze das Grundrecht der Meinungsfreiheit und den Gleichbehandlungsgrundsatz und sei daher unwirksam. Der Stadtratsbeschluss schränke den Widmungsumfang städtischer Räumlichkeiten ein, indem er Veranstaltungen, die sich mit der gegen den Staat Israel gerichteten BDS-Kampagne befassten, von der Nutzung generell ausschließe. Der damit verbundene Eingriff in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit sei nicht gerechtfertigt. Der widmungsbeschränkende Stadtratsbeschluss stelle kein allgemeines Gesetz im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG dar, weil er keine Rechtsnormqualität besitze. Darüber hinaus lasse sich auch nicht feststellen, dass der generelle Ausschluss von Veranstaltungen zur...

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