Urteil vom 21.09.2018 - BVerwG 6 C 6.17

Judgment Date21 Septiembre 2018
ECLIDE:BVerwG:2018:210918U6C6.17.0
Neutral CitationBVerwG 6 C 6.17
Record Number210918U6C6.17.0
Registration Date09 Enero 2019
CourtDas Bundesverwaltungsgericht
Subject MatterPostrecht und Telekommunikationsrecht

BVerwG 6 C 6.17

  • VG Köln - 17.03.2017 - AZ: VG 9 K 8633/16

In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 19. September 2018
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Kraft sowie die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Heitz, Dr. Möller, Hahn und Dr. Tegethoff
am 21. September 2018 für Recht erkannt:

  1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 17. März 2017 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Gründe I

1 Die Klägerin ist ein regional tätiges Telekommunikationsunternehmen, das eigene Glasfasernetze betreibt. Sie wendet sich gegen Bestimmungen in der gegenüber der Beigeladenen ergangenen Regulierungsverfügung der Bundesnetzagentur vom 1. September 2016 (Az.: BK 3g-15/004) wegen der Beibehaltung, der Änderung, der Auferlegung und des Widerrufs von Verpflichtungen auf dem Markt für den auf der Vorleistungsebene an festen Standorten lokal bereitgestellten Zugang zu Teilnehmeranschlüssen (Markt Nr. 3a der Märkteempfehlung 2014/710/EU).

2 Die überwiegend aus Kupferdoppeladern bestehenden Teilnehmeranschlussleitungen sind Teil des bundesweiten Telekommunikationsnetzes der Beigeladenen. Sie führen vom Hauptverteiler über den Kabelverzweiger und den Abschlusspunkt der Linientechnik zu den Räumlichkeiten der Endkunden. Die Beigeladene ist seit der Liberalisierung des Telekommunikationssektors verpflichtet, wegen ihrer insoweit bestehenden Marktmacht anderen Unternehmen vollständig entbündelten physischen Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung zu gewähren. Zuletzt wurde ihr diese Verpflichtung in uneingeschränkter Form durch die Regulierungsverfügung der Bundesnetzagentur vom 21. März 2011 (Az.: BK 3g-09/85) auferlegt. Die Klägerin nimmt beim Betrieb ihres Telekommunikationsnetzes teilweise die Teilnehmeranschlussleitungen der Beigeladenen in Anspruch.

3 Seit 1999 baute die Beigeladene ihr Anschlussnetz auf der Basis des Übertragungsstandards ADSL bzw. später ADSL 2+ breitbandig aus. Zu diesem Zweck errichtete sie sog. Digital Subscriber Line Access Multiplexer (DSLAM) an den Hauptverteilern. ADSL2+ ermöglicht der Beigeladenen und den zugangsberechtigten Wettbewerbern Datenübertragungsraten von bis zu 16 Mbit/s bzw. 18 Mbit/s im Download. Hierfür reicht eine Nutzung der Teilnehmeranschlussleitung bis zu der Frequenz 2,2 MHz aus. Seit 2006 setzt die Beigeladene zudem den Übertragungsstandard VDSL bzw. VDSL2 ein, der Frequenzen oberhalb von 2,2 MHz nutzt. Hierdurch können grundsätzlich Datenübertragungsraten von bidirektional 200 Mbit/s erreicht werden. Wegen der sog. Leitungsdämpfung ist dies jedoch nur bei relativ kurzen Kupferleitungen zu realisieren. Die Beigeladene verlagerte aus diesem Grund die DSLAM zu den Kabelverzweigern vor und erschloss diese Verzweiger von den Hauptverteilern aus zusätzlich mit Glasfaserleitungen. Ausgenommen von dieser Maßnahme waren die Kabelverzweiger, die über ein maximal 550 Meter langes Hauptkabel an einen der ca. 8 000 Hauptverteiler angeschlossen sind (Nahbereichs-Kabelverzweiger). In diesen Hauptverteiler-Nahbereichen (im Folgenden: Nahbereiche) durften bisher, damit es nicht zu technischen Störungen in Form von Interferenzen in Bezug auf das Hauptkabel kam, VDSL-Signale nur von den jeweiligen Hauptverteilern, nicht aber von den insgesamt ca. 40 000 Nahbereichs-Kabelverzweigern aus eingespeist werden. Dies hatte die Beigeladene für sich und ihre zugangsberechtigten Wettbewerber durch ihre sog. Prüfberichte festgelegt. Potentiell betroffen waren hierdurch neben den über einen Nahbereichs-Kabelverzweiger geführten Teilnehmeranschlüssen für ca. 5 300 000 Endkunden auch die direkt am Hauptverteiler angebundenen Anschlüsse (A0-Anschlüsse) für ca. 1 200 000 Endkunden.

4 Die Nutzung von VDSL wird ferner durch das sog. Übersprechen beeinträchtigt, das bei einer parallelen Nutzung von VDSL auf Leitungen im gleichen Kabel bzw. Kabelbündel entsteht. Die mit dem Übersprechen zwischen benachbarten Teilnehmeranschlussleitungen verbundene Störung lässt sich durch die Vectoring-Technik reduzieren. Dabei werden die Störsignale, die von den jeweils anderen Leitungen auf eine Leitung in einem Kabelbündel ausgehen, vorausberechnet und durch Erzeugung eines Gegenstörsignals ausgelöscht. Hierdurch können die Datenübertragungsraten erheblich gesteigert werden. Die Vectoring-Technik kann derzeit in praktisch sinnvoller Weise nur eingesetzt werden, wenn nur ein Unternehmen berechtigt ist, im Frequenzbereich oberhalb 2,2 MHz auf sämtliche Teilnehmeranschlussleitungen an den Einspeisungspunkten für VDSL-Signale zuzugreifen.

5 Mit Beschluss vom 29. August 2013 (Az.: BK 3d-12/131) änderte die Bundesnetzagentur die Regulierungsverfügung vom 21. März 2011 und schuf die Voraussetzungen für den Einsatz der Vectoring-Technik in den Gebieten außerhalb der Nahbereiche, den Hauptverteiler-Außenbereichen (im Folgenden: Außenbereiche). Hiernach ist, um die Nutzung der Technik durch die Beigeladene oder einen ihrer Wettbewerber an einem der dortigen Kabelverzweiger zu ermöglichen, der entbündelte Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung zur Nutzung von Frequenzen oberhalb von 2,2 MHz an dem betroffenen Kabelverzweiger für alle anderen Unternehmen ausgeschlossen. Ob insoweit die Beigeladene oder einer ihrer Wettbewerber zum Zuge kommt, bestimmt sich grundsätzlich danach, wer den betroffenen Kabelverzweiger zuerst mit VDSL2-Vectoring-Technik erschließt. Unter näher bestimmten Bedingungen ist die Beigeladene darüber hinaus berechtigt, den Zugang nachträglich zu verweigern.

6 Anfang des Jahres 2015 leitete die Bundesnetzagentur durch ihre zuständige Beschlusskammer von Amts wegen ein Verfahren zur turnusmäßigen Überprüfung der Verpflichtungen ein, die der Beigeladenen durch die Regulierungsverfügung vom 21. März 2011 in der durch den Beschluss vom 29. August 2013 geänderten Fassung in Bezug auf den Vorleistungsmarkt des Zugangs zur Teilnehmeranschlussleitung auferlegt worden waren. Im Rahmen dieses Verfahrens teilte die Beigeladene mit, sie beabsichtige, bis Ende des Jahres 2018 die Kabelverzweiger und A0-Anschlüsse in den Nahbereichen unter Aufwendung von ca. 1 Milliarde € flächendeckend mit VDSL2-Vectoring-Technik zu erschließen, und beantragte, ihr den störungsfreien, exklusiven Einsatz dieser Technik durch eine Änderung der bestehenden Zugangsregulierung zu ermöglichen. Sie sei zu der Abgabe einer verbindlichen Investitionszusage bereit. Ihren Wettbewerbern könne als Ausgleich für den Wegfall des entbündelten Zugangs zur Teilnehmeranschlussleitung für die Nutzung von Frequenzen oberhalb von 2,2 MHz ein Layer2-Bitstrom-Zugang zur Verfügung gestellt werden.

7 Die Beschlusskammer gab allen interessierten Marktteilnehmern Gelegenheit zu ersten schriftlichen Stellungnahmen, führte am 13. März 2015 eine erste öffentlich-mündliche Anhörung durch und räumte danach die Möglichkeit zu weiteren schriftlichen Stellungnahmen ein. In der Folgezeit ließ sie durch die zuständige Fachabteilung der Bundesnetzagentur eine Analyse über die Versorgung der Nahbereiche mit breitbandigen Anschlüssen und die Auswirkungen eines flächendeckenden Ausbaus dieser Bereiche mit VDSL2-Vectoring-Technik erstellen. Zur Frage der Zulässigkeit eines öffentlich-rechtlichen Vertrags zur Absicherung eines Ausbau- und Investitionsversprechens holte sie ein Rechtsgutachten ein. In Reaktion hierauf legten die Verbände B. und V. ein weiteres Rechtsgutachten vor.

8 Am 27. August 2015 erhielt die auf Grund einer Marktdefinition und Marktanalyse nach §§ 10, 11 TKG erstellte Festlegung der Präsidentenkammer der Bundesnetzagentur betreffend den Markt für den auf der Vorleistungsebene an festen Standorten lokal bereitgestellten Zugang (Markt Nr. 3a der Märkteempfehlung) ihre endgültige Fassung. Danach umfasst der hier relevante Teilmarkt A, auf dem die Beigeladene über beträchtliche Marktmacht verfügt, neben dem entbündelten/gebündelten Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung in Form der Kupferdoppelader am Hauptverteiler oder an einem anderen näher an der Teilnehmeranschlusseinheit gelegenen Punkt auch den lokalen virtuell entbündelten Zugang an den entsprechenden Punkten (VULA). Hierfür seien die nach der Märkteempfehlung entscheidenden Kriterien der Lokalität des Zugangs, der diensteunabhängigen, in der betrieblichen Anwendung nicht überbuchten Übertragungskapazität sowie der ausreichende Produktdifferenzierungen und Innovationen ermöglichenden Kontrolle der Zugangsnachfrager über das Übertragungsnetz erfüllt. Dagegen sei der Zugang zu Bitstrom, weil es sich nicht um einen lokalen Zugang handele, nicht dem Markt Nr. 3a, sondern dem Markt des für Massenprodukte auf der Vorleistungsebene an festen Standorten zentral bereitgestellten Zugangs (Markt Nr. 3b der Märkteempfehlung) zuzuordnen.

9 Am 28. Oktober 2015 legte die Beigeladene den Entwurf eines Angebots zur Begründung einer Verpflichtung gegenüber der Bundesnetzagentur zu einem in den Einzelheiten umschriebenen bundesweit flächendeckenden und vollständigen Ausbau der Nahbereiche mit VDSL2-Vectoring-Technik vor (im Folgenden: Ausbauzusage). In einer am 12. Februar 2016 eingereichten überarbeiteten Fassung dieses Entwurfs ergänzte sie das Angebot des Ausbaus um ein solches über ein Monitoring und räumte eine Frist für die Annahme der - bis dahin unwiderruflichen - Angebote bis zum Ablauf von 30 Monaten nach Veröffentlichung einer abschließenden Entscheidung über ein Standardangebot "Vectoring...

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