Urteil vom 24.11.2011 - BVerwG 9 A 25.10

JurisdictionGermany
Judgment Date24 Noviembre 2011
Neutral CitationBVerwG 9 A 25.10
ECLIDE:BVerwG:2011:241111U9A25.10.0
CitationBVerwG, Urteil vom 24.11.2011 - 9 A 25.10
Registration Date15 Mayo 2013
CourtDas Bundesverwaltungsgericht
Record Number241111U9A25.10.0

BVerwG 9 A 25.10

In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 9. und 10. November 2011
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Nolte und Domgörgen,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Buchberger und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Christ und Prof. Dr. Korbmacher
am 24. November 2011 für Recht erkannt:

  1. Die Klage wird abgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe I

1 Der Kläger wendet sich gegen den Planfeststellungsbeschluss der Freien Hansestadt Bremen für den Neubau des 4. Abschnitts der Bundesautobahn A 281.

2 Der Neubau der A 281 soll eine Eckverbindung zwischen den nordöstlich und südwestlich der Stadt Bremen verlaufenden Autobahnen A 27 und A 1 herstellen, diese Autobahnen entlasten und eine leistungsfähige Anbindung des südlich der Weser gelegenen Güterverkehrszentrums, der Weserhäfen und des Flughafens Bremen an das überregionale Verkehrsnetz gewährleisten. Das Gesamtprojekt umfasst fünf Bauabschnitte. Der Bauabschnitt 1 zwischen der A 27 und der Hafenrandstraße steht seit 1995 unter Verkehr. Die ersten Teilabschnitte der Bauabschnitte 2 und 3 wurden dem Verkehr Anfang 2008 übergeben, und mit dem Bau des 2. Teilabschnitts des Bauabschnitts 3 wurde begonnen. Mit Urteil vom 24. November 2010 hat der Senat die Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses für den Teilabschnitt 2/2 festgestellt.

3 Der hier in Rede stehende, etwa 4,9 km lange Bauabschnitt 4 beginnt mit der Anbindung an den bestehenden Bauabschnitt 1 an der Anschlussstelle Bremen-Gröpelingen nördlich der Weser und endet mit der Verknüpfung mit dem Bauabschnitt 3/2 westlich des Güterverkehrszentrums an der Anschlussstelle Bremen-Strom auf der südlichen Weserseite. Die Weser wird mit einem Tunnel gequert, der im sogenannten Einschwimm- und Absenkverfahren gebaut werden soll (Absenktunnel). Der Bau, die Erhaltung, der Betrieb und die Finanzierung der Weserquerung sollen durch einen privaten Investor erfolgen, der sich - neben einer Anschubfinanzierung durch den Bund - durch Mauteinnahmen refinanziert (sog. F-Modell). Das Vorhaben ist im Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen als vierstreifige Autobahn ausgewiesen. Die Ausführung der Weserquerung als Absenktunnel hat zur Folge, dass das südlich der Weser im Ortsteil Seehausen an der H. ...straße errichtete Wohngebäude des Klägers sowie weitere fünf dort gelegene Wohnhäuser abgerissen werden müssen.

4 Im Rahmen der Vorplanung wurde zunächst gutachtlich untersucht, ob die Weser durch einen Tunnel oder durch eine Brücke gequert werden soll. Die Beklagte traf im Oktober 2002 die Entscheidung zugunsten eines Tunnels. Im Anschluss daran wurde im Rahmen einer Vergleichsstudie bezogen auf die „Zielfelder“ Verkehr und Sicherheit, Technik, Wirtschaftlichkeit, Umwelt und Natur sowie Städtebau, die in insgesamt 67 Einzelziele unterteilt wurden, gutachtlich untersucht, ob der Tunnel als Absenktunnel oder als Bohrtunnel gebaut werden soll. In dieser Vergleichsstudie wird der Kostenvorteil des Absenktunnels gegenüber dem Bohrtunnel mit 26 Mio. € (Investitionskosten) und 25 Mio. € (Betriebskosten bezogen auf 30 Jahre) beziffert. Auf dieser Grundlage entschied sich die Beklagte im Jahre 2004 für die Ausführung der Weserquerung als Absenktunnel.

5 Die vom Vorhabenträger zur Planfeststellung eingereichten Unterlagen lagen in der Zeit vom 10. Juni 2008 bis zum 9. Juli 2008 zur Einsicht aus. Vom 2. März 2009 bis zum 1. April 2009 erfolgte auf Veranlassung der Anhörungsbehörde eine ergänzende Auslegung der Vergleichsstudie zu den Varianten Brücke/Tunnel und Bohrtunnel/Absenktunnel sowie einer Aktualisierung des landschaftspflegerischen Begleitplans. Die Planauslegungen waren zuvor ortsüblich unter Hinweis auf die Möglichkeit, fristgebunden Einwendungen zu erheben, und die Rechtsfolgen verspäteter Einwendungen bekannt gemacht worden. Der Erörterungstermin wurde im Zeitraum vom 22. April 2009 bis zum 5. Juni 2009 durchgeführt.

6 Der Kläger erhob fristgerecht Einwendungen gegen das Vorhaben. Er rügte unter anderem Folgendes: Die Planfeststellung weise formelle Mängel auf. Die Planauslegung sowie deren Bekanntmachung seien fehlerhaft erfolgt. Die Aufgaben des Vorhabenträgers, der Anhörungsbehörde und der Planfeststellungsbehörde würden innerhalb derselben Behörde - des Senators für Umwelt, Bau, Verkehr und Europa - wahrgenommen, so dass eine unbefangene und neutrale Abwägung aller Belange nicht gewährleistet sei. Hinsichtlich der geplanten Eingriffe in die Weser und die Baggergutdeponie hätten wasserrechtliche bzw. abfallrechtliche Planfeststellungsverfahren durchgeführt werden müssen. Dem Neubau der A 281 im 4. Bauabschnitt fehle die planerische Rechtfertigung, weil die vorgesehene Finanzierung durch einen privaten Investor nicht gesichert sei. Die Plantrasse weiche etwa 200 m von der im Flächennutzungsplan dargestellten Trasse ab; außerdem solle das südliche Tunnelportal nicht an dem im Flächennutzungsplan dargestellten Standort, sondern deutlich weiter nördlich und damit näher an der Wohnbebauung von Seehausen verwirklicht werden. Damit verstoße das Vorhaben gegen das Anpassungsgebot nach § 7 BauGB. Die Ermittlung, Bewertung und Gewichtung der im Rahmen des Vergleichs der Varianten Bohr- und Absenktunnel zu berücksichtigenden Belange könnten insbesondere hinsichtlich des Aspektes der Wirtschaftlichkeit keinen Bestand haben. Die bei der jeweiligen Tunnelvariante anfallenden Kosten seien fehlerhaft ermittelt und das Kriterium der Wirtschaftlichkeit sei zu hoch gewichtet worden. Die Belange der betroffenen Eigentümer seien nicht in die Abwägung eingestellt worden. Das Vorhaben verstoße darüber hinaus gegen die FFH- und die Vogelschutzrichtlinie sowie gegen artenschutzrechtliche Bestimmungen und die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung. Der Schutz des Grund- und Oberflächenwassers, der Hochwasserschutz sowie der Schutz der Anwohner vor Lärm und Luftschadstoffen seien unzureichend berücksichtigt und es sei nicht untersucht worden, ob die Gesamtbelastung durch Lärm die Schwelle zur Gesundheitsgefährdung überschreite.

7 Mit Datum vom 30. Juni 2010 stellte die Beklagte den Plan für den Neubau des 4. Abschnitts der A 281 fest. Die Einwendungen des Klägers wurden zurückgewiesen. Unter anderem wurde ausgeführt: Die Finanzierung des Vorhabens sei gewährleistet; sollte es nicht zur Beteiligung eines privaten Investors kommen, werde die Finanzierung aus öffentlichen Mitteln erfolgen. Die Planung halte sich im Rahmen der Darstellungen des Flächennutzungsplans. Die Ausführungsvarianten Bohrtunnel und Absenktunnel seien nach der Vergleichsstudie in Bezug auf die Ergebnisse der untersuchten Zielfelder im Wesentlichen gleich zu bewerten. Für die Herstellung des Absenktunnels müssten sechs Wohnhäuser abgerissen werden. Aber auch bei einem Bohrtunnel käme es im Bereich der Ortslage Seehausen zu Erschütterungen und Lärmbelästigungen. Für die beabsichtigte privatwirtschaftliche Realisierung der Weserquerung in Gestalt eines Absenktunnels auf der Grundlage des Fernstraßenbauprivatfinanzierungsgesetzes sei bereits eine Anschubfinanzierung von 115 Mio. € als erforderlich angesehen worden, um trotz der hohen Baukosten eines Tunnels eine für einen privaten Investor akzeptable Refinanzierung über die Mauteinnahme erreichen zu können. Der Aspekt der Wirtschaftlichkeit sei daher von grundlegender Bedeutung für die Realisierbarkeit des Tunnels, so dass dessen Ausführung im Einschwimm- und Absenkverfahren mit Blick auf Mehrkosten eines Bohrtunnels von insgesamt 51 Mio. € alternativlos sei. Die in der Vergleichsstudie angestellte Betrachtung der Kosten der beiden Tunnelvarianten sei im Übrigen nicht zu beanstanden. Das Vorhaben werde das Vogelschutzgebiet „Niedervieland“ nicht erheblich beeinträchtigen. Die Auswirkungen des Neubaus der B 212 auf das Vogelschutzgebiet seien allein im Rahmen der Planfeststellung dieses Projekts zu berücksichtigen. Auch im Übrigen sei das Vorhaben mit dem FFH-Recht, dem Artenschutzrecht und den Vorschriften zum Ausgleich von Eingriffen in Natur und Landschaft vereinbar.

8 Nach Erhebung der Klage, mit der der Kläger sein Vorbringen wiederholt und vertieft, hat die Beklagte den angefochtenen Planfeststellungsbeschluss mit Datum vom 7. November 2011 nach vorausgegangener Offenlage in Bezug auf eine vorsorglich für den Fall einer erheblichen Beeinträchtigung des Vogelschutzgebiets „Niedervieland“ durchgeführte Abweichungsprüfung nach § 34 Abs. 3 BNatSchG „ergänzt“. Mit dem Ergänzungsbeschluss wurden zugleich die Ausführungen des Planfeststellungsbeschlusses insbesondere zur Auswahl der Tunnelvariante erweitert; insoweit fand keine Offenlage statt. Die bisher mit Blick auf die beabsichtigte Privatfinanzierung des Wesertunnels hervorgehobene besondere Bedeutung des Kostenaspekts wird nunmehr auch auf den Fall einer Finanzierung des Tunnels durch öffentliche Mittel erstreckt. Der Ergänzungsbeschluss führt aus, dass dem Aspekt der Wirtschaftlichkeit in diesem Fall eine mindestens ebenso große Bedeutung zukomme wie bei einer privatwirtschaftlichen Realisierung. Daher sei die Ausführungsvariante Absenktunnel wegen der erheblichen Mehrkosten eines Bohrtunnels unabhängig von der Art der Finanzierung alternativlos.

9 Der Kläger beantragt, den Planfeststellungsbeschluss der Beklagten vom 30. Juni 2010 in der Gestalt des Ergänzungsbeschlusses vom 7. November 2011 und der Protokollerklärung der mündlichen Verhandlung aufzuheben.

10 Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

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