Urteil vom 25.01.2023 - BVerwG 6 C 6.21

JurisdictionGermany
Judgment Date25 Enero 2023
Neutral CitationBVerwG 6 C 6.21
ECLIDE:BVerwG:2023:250123U6C6.21.0
Record Number250123U6C6.21.0
CitationBVerwG, Urteil vom 25.01.2023 - 6 C 6.21 -
Registration Date25 Abril 2023
Subject MatterRundfunkrecht einschl. Recht der Rundfunkanstalten, Filmrecht einschl. Filmförderungsrecht, Recht der neuen Medien
CourtDas Bundesverwaltungsgericht
Applied RulesGG Art. 3 Abs. 1,RBStV § 2 Abs. 1 und 3, § 8 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3,AO § 44 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1

BVerwG 6 C 6.21

  • VG Dresden - 17.03.2020 - AZ: 2 K 1721/19
  • OVG Bautzen - 05.05.2021 - AZ: 5 A 376/20

In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 25. Januar 2023
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Kraft,
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Möller, Hahn und Dr. Tegethoff sowie die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Gamp
für Recht erkannt:

  1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 5. Mai 2021 geändert und die Berufung zurückgewiesen
  2. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens
Gründe I

1 Der verheiratete Kläger begehrt die Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht für seine Nebenwohnung im Zeitraum vom 7. Oktober 2018 bis zum 31. Oktober 2019 vor dem Hintergrund der Übergangsregelung, die das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 18. Juli 2018 - 1 BvR 1675/16 u. a. - (BVerfGE 149, 222) zu § 2 Abs. 1 und 3 RBStV getroffen hat. Er wohnt mit seiner Ehefrau in einer Wohnung in D., die melderechtlich ihre gemeinsame Hauptwohnung ist. Diese Wohnung war im streitigen Zeitraum unter dem Namen seiner Ehefrau als Rundfunkbeitragspflichtige angemeldet. Nachdem der Kläger im Frühjahr 2018 auf eine Anfrage des Beklagten, ob für jene Wohnung der Rundfunkbeitrag entrichtet werde, nicht reagierte, meldete der Beklagte die Wohnung ab dem 1. März 2018 unter dem Namen des Klägers nochmals an. Der Kläger hält zudem eine Nebenwohnung in B., für die der Beklagte ihn ebenfalls ab dem 1. März 2018 als rundfunkbeitragspflichtig anmeldete.

2 In der Folge teilten die Eheleute dem Beklagten mit, dass für die gemeinsame Hauptwohnung bereits ein auf den Namen der Ehefrau laufendes Beitragskonto bestehe. Der Beklagte meldete daraufhin eines der beiden unter dem Namen des Klägers geführten Beitragskonten wieder ab, allerdings infolge eines Versehens dasjenige für die Nebenwohnung in B., und erstattete ihm teilweise die eingezogenen Beiträge. Als der Beklagte das Versehen bemerkte, stellte er das für die Hauptwohnung geführte Konto auf die Nebenwohnung des Klägers um. Der Kläger forderte in mehreren Schreiben die Erstattung der übrigen für die Nebenwohnung eingezogenen Beiträge sowie die Übernahme der Kosten für die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts in Höhe von 83,54 €. Die Übernahme der Rechtsanwaltskosten lehnte der Beklagte ab. Im Übrigen behandelte er die Erstattungsforderung des Klägers als Antrag auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht für die Nebenwohnung und lehnte diesen mit Bescheid vom 16. April 2019 ab. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Juli 2018 enthalte die Voraussetzung, dass Haupt- und Nebenwohnung auf dieselbe Person angemeldet sein müssten. Dies sei beim Kläger nicht der Fall. Den hiergegen erhobenen Widerspruch des Klägers wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28. August 2019 zurück.

3 Mit der am 12. September 2019 erhobenen Klage hat der Kläger zunächst begehrt, ihn unter Aufhebung der ablehnenden Bescheide des Beklagten von der Rundfunkbeitragspflicht für seine Nebenwohnung in B. zu befreien sowie den Beklagten zur Erstattung der vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen zu verpflichten. Nachdem der Beklagte den Kläger im Hinblick auf die Änderung seiner Verwaltungspraxis im Vorgriff auf den 23. Rundfunkänderungsstaatsvertrag ab dem 1. November 2019 von der Rundfunkbeitragspflicht für die Nebenwohnung befreit hat, haben die Beteiligten den Rechtsstreit für den Zeitraum ab November 2019 übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt. Daraufhin hat der Kläger noch beantragt, den Bescheid vom 16. April 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. August 2019 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, den Kläger von der Rundfunkbeitragspflicht für die Wohnung in B. hinsichtlich des Zeitraums vom 7. Oktober 2018 bis Oktober 2019 zu befreien, sowie den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 83,54 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

4 Mit Urteil vom 17. März 2020 hat das Verwaltungsgericht das Verfahren eingestellt, soweit die Beteiligten es übereinstimmend für erledigt erklärt haben, und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 16. April 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. August 2019 verpflichtet, den Kläger von der Rundfunkbeitragspflicht für die Nebenwohnung hinsichtlich des Zeitraums vom 7. Oktober 2018 bis Oktober 2019 zu befreien. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 5. Mai 2021 unter Änderung und Neufassung des erstinstanzlichen Urteils das Verfahren eingestellt, soweit die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, und die Klage im Übrigen abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht und die Ablehnung der Befreiung verletze ihn nicht in seinen Rechten. Die Voraussetzungen der als Rechtsgrundlage einzig in Betracht kommenden Überleitungsregelung im Tenor des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Juli 2018 - 1 BvR 1675/16 u. a. - lägen nicht vor. Aus deren Wortlaut sowie ihrem Sinn und Zweck folge, dass ein Ehegatte die Befreiung von dem Rundfunkbeitrag für eine von ihm gehaltene Nebenwohnung nicht verlangen könne, wenn nicht er, sondern der andere Ehepartner den Rundfunkbeitrag für die gemeinsame Hauptwohnung entrichte.

5 Der dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zugrundeliegende Fall habe einen abweichenden Sachverhalt betroffen. Dort sei das Beitragskonto für die Hauptwohnung auf den Namen der die Nebenwohnung bewohnenden Person geführt worden. Aus dem Wortlaut des Urteilstenors zu 1 ergäbe sich, dass derjenige seiner Rundfunkbeitragspflicht nachkomme, der "zur Leistung von Rundfunkbeiträgen herangezogen", mithin auf Zahlung in Anspruch genommen werde. Wer herangezogen werde, bestimmten die Inhaber der Wohnung durch ihre Anmeldung gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 RBStV selbst. Erst nach erfolgloser Inanspruchnahme des angemeldeten Wohnungsinhabers dürfe die Rundfunkanstalt die Daten weiterer Inhaber erheben und jene heranziehen. Bei Mehrpersonenhaushalten werde daher nur diejenige Person herangezogen, auf deren Namen das Beitragskonto geführt werde. Dem Urteil lasse sich weiter entnehmen, dass "Entrichten" gleichbedeutend sei mit "Nachkommen" und es sich hierbei um das perspektivische Gegenstück zur "Heranziehung" handele. Dabei sei nicht erforderlich, dass die herangezogene Person den Beitrag selbst entrichte. Ausreichend sei die Zahlung durch Dritte auf Rechnung der herangezogenen Person ("Fürzahler"), wobei es sich dann nach dem objektiven Empfängerhorizont um die Tilgung der Beitragsschuld der herangezogenen Person handele.

6 Auf das Rechtsverhältnis der in Mehrpersonenhaushalten lebenden Personen untereinander komme es nicht an. Es sei unerheblich, ob im Innenverhältnis Ausgleichsansprüche gemäß § 426 Abs. 1 BGB bestünden. Diese wirkten sich nicht auf die Frage aus, wer der Beitragspflicht nachkomme. Die gegenteilige Ansicht übersehe die Bedeutungsgleichheit von "nachkommen", "entrichten" und "herangezogen werden". Die...

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