Urteil vom 25.01.2023 - BVerwG 6 C 9.21

JurisdictionGermany
Judgment Date25 Enero 2023
Neutral CitationBVerwG 6 C 9.21
ECLIDE:BVerwG:2023:250123U6C9.21.0
CitationBVerwG, Urteil vom 25.01.2023 - 6 C 9.21 -
Record Number250123U6C9.21.0
Registration Date25 Abril 2023
Subject MatterRundfunkrecht einschl. Recht der Rundfunkanstalten, Filmrecht einschl. Filmförderungsrecht, Recht der neuen Medien
CourtDas Bundesverwaltungsgericht

BVerwG 6 C 9.21

  • VG Dresden - 17.03.2020 - AZ: 2 K 1301/19
  • OVG Bautzen - 27.05.2021 - AZ: 5 A 370/20

In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 25. Januar 2023
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Kraft, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Möller, Hahn und Dr. Tegethoff sowie die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Gamp
für Recht erkannt:

  1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 27. Mai 2021 teilweise geändert
  2. "Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 17. März 2020 wie folgt geändert und neu gefasst
  3. Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben
  4. Der Beklagte wird unter Aufhebung seines entgegenstehenden Bescheides vom 1. Oktober 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Juni 2019 verpflichtet, den Kläger im Zeitraum vom 20. Juli 2018 bis zum 31. Oktober 2019 von der Rundfunkbeitragspflicht für seine Zweitwohnung in O. zu befreien. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen
  5. Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens tragen der Kläger zu 1/10 und der Beklagte zu 9/10
  6. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
  7. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 1/6 und der Beklagte zu 5/6."
  8. Die weitergehende Revision wird zurückgewiesen.
  9. Die Kosten des Revisionsverfahrens tragen der Kläger zu 1/6 und der Beklagte zu 5/6.
Gründe I

1 Der verheiratete Kläger begehrt die Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht für seine Nebenwohnung im Zeitraum vom 20. Juli 2018 bis zum 31. Oktober 2019 vor dem Hintergrund der Übergangsregelung, die das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 18. Juli 2018 - 1 BvR 1675/16 u. a. - (BVerfGE 149, 222) zu § 2 Abs. 1 und 3 RBStV getroffen hat. Zugleich erstrebt er die Aufhebung des Bescheides, mit dem der Beklagte für die Nebenwohnung Rundfunkbeiträge für den Zeitraum vom 1. Juli bis zum 30. September 2018 festgesetzt hat. Er wohnt mit seiner Ehefrau in einer Wohnung in D., die melderechtlich ihre gemeinsame Hauptwohnung ist. Diese Wohnung war im streitigen Zeitraum unter dem Namen seiner Ehefrau als Rundfunkbeitragspflichtige angemeldet. Der Kläger hält zudem eine Nebenwohnung in O., für die er sich als rundfunkbeitragspflichtig angemeldet hatte. Mit Schreiben vom 19. Juli 2018 beantragte er seine Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht für die Nebenwohnung und forderte eine Erstattung gezahlter Rundfunkbeiträge in Höhe von 420 €. Die weitere Beitragszahlung für die Nebenwohnung stellte er zunächst ein. Der Beklagte forderte den Kläger daraufhin unter dem 24. Juli 2018 vergeblich zur Zahlung von Rundfunkbeiträgen für die Nebenwohnung für den Zeitraum von Juli bis September 2018 auf. Mit Schreiben vom 1. Oktober 2018 teilte der Beitragsservice von ARD, ZDF und Deutschlandradio dem Kläger mit, dass die Voraussetzungen für eine Befreiung des Klägers von der Beitragspflicht für die Nebenwohnung nicht vorlägen. Der Beklagte setzte gegen den Kläger mit Bescheid vom 2. Oktober 2018 für die Nebenwohnung Rundfunkbeiträge für den Zeitraum vom 1. Juli bis zum 30. September 2018 in Höhe von 52,50 € und einen Säumniszuschlag in Höhe von 8 € Euro fest.

2 Der Kläger teilte dem Beitragsservice unter dem 9. Oktober 2018 mit, dass er den Rundfunkbeitrag für die Nebenwohnung nicht mehr bezahlen werde, und legte mit Schreiben vom 12. Oktober 2018 Widerspruch gegen den Beitragsfestsetzungsbescheid vom 2. Oktober 2018 ein. Der Beklagte behandelte das Schreiben vom 9. Oktober 2018 als Widerspruch gegen sein als Bescheid gewertetes Schreiben vom 1. Oktober 2018 und wies diesen mit Widerspruchsbescheid vom 17. Juni 2019 zurück. Der Kläger habe nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts keinen Anspruch auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht für die Nebenwohnung, weil er nicht auch als Beitragsschuldner für die Hauptwohnung angemeldet sei. Mit weiterem Widerspruchsbescheid vom 17. Juni 2019 wies der Beklagte den Widerspruch gegen den Beitragsfestsetzungsbescheid vom 2. Oktober 2018 zurück. Der Festsetzungsbescheid sei rechtmäßig, da der Kläger die fälligen Beiträge nicht gezahlt habe. In der Folge zahlte der Kläger die rückständigen Rundfunkbeiträge und die Rundfunkbeiträge bis einschließlich Dezember 2019.

3 Mit der am 5. Juli 2019 erhobenen Klage hat sich der Kläger gegen den Festsetzungsbescheid des Beklagten vom 2. Oktober 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Juni 2019 gewandt und unter Aufhebung entgegenstehender Bescheide die Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht für seine Nebenwohnung begehrt. Nachdem der Beklagte dem Befreiungsbegehren mit Bescheid vom 6. März 2020 im Hinblick auf die Änderung seiner Verwaltungspraxis im Vorgriff auf den 23. Rundfunkänderungsstaatsvertrag ab dem 1. November 2019 nachgekommen ist, haben die Beteiligten insoweit übereinstimmend den Rechtsstreit in der Hauptsache teilweise für erledigt erklärt. Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 17. März 2020 das Verfahren eingestellt, soweit der Kläger die Befreiung ab November 2019 beantragt hat, die Bescheide vom 1. und 2. Oktober 2018 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 17. Juni 2018 (gemeint: 2019) aufgehoben und den Beklagten verpflichtet, den Kläger von der Rundfunkbeitragspflicht hinsichtlich der Zweitwohnung in O. ab dem 20. Juni (gemeint: Juli) 2018 bis Oktober 2019 zu befreien.

4 Das Oberverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 27. Mai 2021 unter Änderung und Neufassung des erstinstanzlichen Urteils das Verfahren eingestellt, soweit die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, und die Klage abgewiesen. Die Berufung des Beklagten sei begründet.

5 Dem Kläger stehe kein Anspruch auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht für seine Nebenwohnung für den genannten Zeitraum zu und die Ablehnung der Befreiung sowie der Festsetzungsbescheid verletzten ihn nicht in seinen Rechten. Die Voraussetzungen der als Anspruchsgrundlage einzig in Betracht kommenden Überleitungsregelung im Tenor des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Juli 2018 - 1 BvR 1675/16 u. a. - lägen nicht vor. Aus deren Wortlaut sowie ihrem Sinn und Zweck folge, dass ein Ehegatte die Befreiung von dem Rundfunkbeitrag für eine von ihm gehaltene Nebenwohnung nicht verlangen könne, wenn nicht er, sondern der andere Ehepartner den Rundfunkbeitrag für die gemeinsame Hauptwohnung entrichte.

6 Der dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zugrundeliegende Fall habe einen abweichenden Sachverhalt betroffen. Dort sei das Beitragskonto für die Hauptwohnung auf den Namen der die Nebenwohnung bewohnenden Person geführt worden. Aus dem Wortlaut des Urteilstenors zu 1 ergäbe sich, dass derjenige seiner Rundfunkbeitragspflicht nachkomme, der "zur Leistung von Rundfunkbeiträgen herangezogen", mithin auf Zahlung in Anspruch genommen werde. Wer herangezogen werde, bestimmten die Inhaber der Wohnung durch ihre Anmeldung gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 RBStV selbst. Erst nach erfolgloser Inanspruchnahme des angemeldeten Wohnungsinhabers dürfe die Rundfunkanstalt die Daten weiterer Inhaber erheben und jene heranziehen. Bei Mehrpersonenhaushalten werde daher nur diejenige Person herangezogen, auf deren Namen das Beitragskonto geführt werde. Dem Urteil lasse sich weiter entnehmen, dass "Entrichten" gleichbedeutend sei mit "Nachkommen" und es sich hierbei um das perspektivische Gegenstück zur "Heranziehung" handele. Dabei sei nicht erforderlich, dass die herangezogene Person den Beitrag selbst entrichte. Ausreichend sei die Zahlung durch Dritte auf Rechnung der herangezogenen Person ("Fürzahler"), wobei es sich dann nach dem objektiven Empfängerhorizont um die Tilgung der Beitragsschuld der herangezogenen Person handele.

7 Auf das Rechtsverhältnis der in Mehrpersonenhaushalten lebenden Personen untereinander komme es nicht an. Es sei unerheblich, ob im Innenverhältnis Ausgleichsansprüche gemäß § 426 Abs. 1 BGB bestünden. Diese wirkten sich nicht auf die Frage aus, wer der Beitragspflicht nachkomme. Die gegenteilige Ansicht übersehe die Bedeutungsgleichheit von "nachkommen", "entrichten" und "herangezogen werden". Die Bezugnahme in der Überleitungsregelung auf § 2 Abs. 3 RBStV müsse so verstanden werden, dass sie sich nur auf einen gesamtschuldnerisch haftenden Beitragsschuldner beziehe, auf dessen Rechnung der Rundfunkbeitrag für die angemeldete Hauptwohnung entrichtet werde.

8 Hierfür sprächen auch Sinn und Zweck der Überleitungsregelung, die eine gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßende Belastung von Zweitwohnungsinhabern mit einem weiteren Rundfunkbeitrag abzuwenden suche. Der dem Vorteilsausgleich und der Kostendeckung für eine Inanspruchnahme öffentlicher Einrichtungen dienende Beitrag werde für die Möglichkeit erhoben, öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu empfangen. Wenn der Rundfunkbeitrag auf Rechnung des einen Ehegatten für...

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