Beschluss vom 02.11.2023 - BVerwG 8 A 3.23

JurisdictionGermany
Judgment Date02 Noviembre 2023
Neutral CitationBVerwG 8 A 3.23
ECLIDE:BVerwG:2023:021123B8A3.23.0
CitationBVerwG, Beschluss vom 02.11.2023 - 8 A 3.23 -
Record Number021123B8A3.23.0
Registration Date20 Noviembre 2023
Subject MatterRechtsbehelfe nach dem Anhörungsrügengesetz
CourtDas Bundesverwaltungsgericht

BVerwG 8 A 3.23

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 2. November 2023
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Held-Daab, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hoock und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Meister
beschlossen:

  1. Die Anhörungsrüge der Klägerinnen gegen das Urteil des Senats vom 14. März 2023 - BVerwG 8 A 2.22 - wird zurückgewiesen
  2. Die Klägerinnen tragen die Kosten des Rügeverfahrens
Gründe

1 Die Anhörungsrüge nach § 152a VwGO hat keinen Erfolg. Der Senat hat den Anspruch der Klägerinnen auf rechtliches Gehör nicht in entscheidungserheblicher Weise verletzt.

2 1. Im gerichtlichen Verfahren gewährleisten Art. 103 Abs. 1 GG und § 108 Abs. 2 VwGO den Beteiligten das Recht, sich vor einer Entscheidung zu allen erheblichen tatsächlichen und rechtlichen Fragen zu äußern. Das Gericht muss das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis nehmen und in Erwägung ziehen. Das bedeutet jedoch nicht, dass es das gesamte Vorbringen in den Urteilsgründen behandeln muss. Vielmehr sind in dem Urteil nur diejenigen tatsächlichen und rechtlichen Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind (vgl. § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Geht das Gericht auf ein Element des Vorbringens eines Beteiligten in den Urteilsgründen nicht ein, folgt daraus noch nicht, dass es diesen Aspekt nicht in Erwägung gezogen hat. Vielmehr müssen besondere Umstände vorliegen, aus denen sich ergibt, dass ein Vortrag, der nach dem materiell-rechtlichen Rechtsstandpunkt des Gerichts eine Frage von zentraler Bedeutung betrifft und zum Kern des danach erheblichen Beteiligtenvorbringens gehört, nicht zur Kenntnis genommen oder ersichtlich nicht in Erwägung gezogen wurde (stRspr, vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. September 2023 - 2 BvR 107/21 - juris Rn. 33 f.; BVerwG, Beschlüsse vom 2. September 2019 - 8 B 19.19 - juris Rn. 2 und vom 8. Dezember 2021 - 6 B 6.21 - K&R 2022, 292 Rn. 7, jeweils m. w. N.). Art. 103 Abs. 1 GG gewährt keinen Schutz gegen Entscheidungen, die den Sachvortrag eines Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts teilweise oder ganz unberücksichtigt lassen; die Vorschrift verpflichtet die Gerichte insbesondere nicht, der Rechtsansicht einer Partei zu folgen. Die Anhörungsrüge ist auch kein Rechtsbehelf zur Überprüfung der inhaltlichen Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. Dezember 2008 - 8 B 53.08 - ZOV 2013, 68 Rn. 1).

3 Einwände gegen die Beweiswürdigung des Gerichts sind ebenfalls nicht geeignet, einen Gehörsverstoß darzutun. Angebliche Verstöße gegen den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 VwGO) können nicht Gegenstand des Verfahrens nach § 152a VwGO sein (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 6. November 2007 - 8 C 17.07 - juris Rn. 6 und vom 19. Dezember 2018 - 8 B 12.18 - juris Rn. 14). Art. 103 Abs. 1 GG und § 108 Abs. 2 VwGO gebieten auch nicht, die Beteiligten jeweils vor der Entscheidung auf die Rechtsauffassung des Gerichts oder dessen Würdigung des Prozessstoffs hinzuweisen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 5. November 1986 - 1 BvR 706/85 - BVerfGE 74, 1 <5>), weil sich die tatsächliche und rechtliche Beurteilung regelmäßig erst aufgrund der abschließenden Beratung ergibt (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. Oktober 2008 - 4 A 3001.08 - juris Rn. 2 m. w. N.). Eine unzulässige Überraschungsentscheidung liegt erst vor, wenn das Gericht seine Entscheidung auf Gründe stützt, die weder im Verwaltungsverfahren noch im Prozess erörtert wurden und mit deren Entscheidungserheblichkeit auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf und unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen nicht rechnen musste.

4 2. Nach diesem Maßstab ist der Anspruch der Klägerinnen auf Gewährung rechtlichen Gehörs nicht verletzt.

5 a) Der Senat hat ihren Vortrag, die einzelnen Rechtsbefehle der Nummern 1 bis 6 der angefochtenen Anordnung hätten der Begründung und der Ermessenserwägungen bedurft, nicht außer Acht gelassen. Er hat sich sowohl mit dem Erfordernis der Begründung der Anordnung (UA Rn. 26) als auch mit den für deren konkrete Ausgestaltung leitenden Ermessenserwägungen befasst (UA Rn. 74). Dass er dabei der rechtlichen Würdigung der Klägerinnen nicht gefolgt ist, verletzt nicht deren Anspruch auf rechtliches Gehör. Die von den Klägerinnen im Urteil vermisste Erwähnung der von ihnen für "zentral wichtig" gehaltenen Gesetzesmaterialien rechtfertigt...

Um weiterzulesen

FORDERN SIE IHR PROBEABO AN

VLEX uses login cookies to provide you with a better browsing experience. If you click on 'Accept' or continue browsing this site we consider that you accept our cookie policy. ACCEPT