Beschluss vom 14. September 2023 - 2 BvR 107/21
ECLI | ECLI:DE:BVerfG:2023:rk20230914.2bvr010721 |
Judgement Number | 2 BvR 107/21 |
Date | 14 Septiembre 2023 |
Citation | BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 14. September 2023 - 2 BvR 107/21 -, Rn. 1-45, |
Court | Constitutional Court (Germany) |
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvR 107/21 -
über
die Verfassungsbeschwerde
der Fraktion der Alternative für Deutschland (AfD) im Thüringer Landtag, vertreten durch den Fraktionsvorsitzenden Björn Höcke, c/o Thüringer Landtag, Jürgen-Fuchs-Straße 1, 99096 Erfurt, |
- Bevollmächtigter:
- Rechtsanwalt … -
gegen |
das Urteil des Thüringer Verfassungsgerichtshofs vom 16. Dezember 2020 - VerfGH 14/18 - |
hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
die Richterinnen Kessal-Wulf,
Wallrabenstein
und den Richter Offenloch
gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung
vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473)
am 14. September 2023 einstimmig beschlossen:
- Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen
I.
Die Beschwerdeführerin, die Fraktion der Alternative für Deutschland im Thüringer Landtag, wendet sich gegen ein Urteil des Thüringer Verfassungsgerichtshofs (im Folgenden: Verfassungsgerichtshof), welche die Thüringer Verordnung über die Härtefallkommission (im Folgenden: Härtefallverordnung) betraf.
1. Der Verfassungsgerichtshof entschied auf eine abstrakte Normenkontrolle der Beschwerdeführerin hin mit Urteil vom 16. Dezember 2020 - VerfGH 14/18 -, dass die Härtefallverordnung mit der Thüringer Verfassung vereinbar sei.
a) Einer Vorlage der bundesgesetzlichen Ermächtigungsgrundlage des § 23a Abs. 2 Satz 1 AufenthG an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG habe es nicht bedurft, da diese Norm mit dem Grundgesetz vereinbar sei. Die Besetzung der Härtefallkommission und das Verfahren, wie sie tätig werde, habe insbesondere nicht durch ein Parlamentsgesetz geregelt werden müssen, da die Härtefallkommission nur vorbereitend tätig werde.
b) Die Härtefallverordnung sei auch mit dem Demokratieprinzip der Thüringer Verfassung vereinbar, da das Handeln der Härtefallkommission aufgrund seines rein vorbereitenden Charakters nicht als Ausübung von Staatsgewalt zu werten sei. Der Umstand, dass ein Ersuchen der Kommission mitursächlich für die spätere Ausübung von Staatsgewalt durch die oberste Landesbehörde sei, führe nicht dazu, dass es selbst als eine Form der Ausübung von Staatsgewalt anzusehen sei. Andernfalls müssten auch allgemein an die Verwaltung gerichtete Anträge als Ausübung von Staatsgewalt qualifiziert werden. Das Ersuchen der Härtefallkommission stelle auch kein Vorschlagsrecht mit Entscheidungscharakter dar, da das Ersuchen der Härtefallkommission für die oberste Landesbehörde nicht bindend und die Härtefallkommission organisatorisch in die oberste Landesbehörde eingegliedert sei, so dass es sich bei dieser nicht um einen „anderen Verwaltungsträger“ im Sinne von BVerfGE 83, 60 (73) handele.
c) Ebenso wenig sei die Verordnung wegen eines Verstoßes gegen Art. 33 Abs. 2 GG verfassungswidrig. Art. 33 Abs. 2 GG sei bereits kein Prüfungsmaßstab im landesverfassungsgerichtlichen Verfahren. Er sei kein in die Thüringer Verfassung hineinwirkendes Bundesverfassungsrecht.
d) Die Regelung zur Zusammensetzung der Kommission verstoße auch nicht gegen den Gleichheitssatz, weil lediglich die in der Härtefallverordnung aufgeführten Institutionen Vertreter als Mitglieder der Kommission entsenden könnten. Die Beteiligung von Vertretern verschiedener gesellschaftlicher Gruppen lasse sich jedenfalls unter dem Gesichtspunkt rechtfertigen, dass Entscheidungen, die Aufenthaltserlaubnisse von Ausländern beträfen, möglichst aufgrund einer pluralistischen Meinungsbildung und unter Beteiligung besonders qualifizierter und sachnaher Kreise vorbereitet werden sollten. Dem Verordnungsgeber habe hinsichtlich der Einrichtung und Zusammensetzung der Härtefallkommission zudem ein Gestaltungsspielraum offen gestanden. Auch habe berücksichtigt werden dürfen, dass mit zunehmender Größe die Leistungsfähigkeit eines Gremiums zu leiden drohe.
2. Die Entscheidung erging mit 8:1 Stimmen. Der Richter am Verfassungsgerichtshof Prof. Dr. Baldus gab zu der Entscheidung ein Sondervotum ab.
II.
Mit ihrer am 14. Januar 2021 eingegangenen Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung ihrer Rechte aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 100 Abs. 1 GG, Art. 101 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 100 Abs. 3 GG, Art. 103 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG.
1. Sie sei in ihrem Recht auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 100 Abs. 1 GG verletzt. Die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs, § 23a Abs. 2 AufenthG nicht dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen, sei nicht mehr im Sinne des vom Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung BVerfGE 138, 64 (89 ff. Rn. 76 ff.) herausgearbeiteten strengen Prüfungsmaßstabes vertretbar gewesen. Der Bundesgesetzgeber sei, wie im Sondervotum ausgeführt, verpflichtet gewesen, Regelungen zur Zusammensetzung der Härtefallkommission zu treffen. Die Befugnis der Härtefallkommission, durch ein entsprechendes Ersuchen den Weg zu einem neuen Aufenthaltstitel zu ebnen, sei normativ grundlegend und damit wesentlich.
2. Sie sei zudem in ihrem Recht auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 100 Abs. 3 GG verletzt. Der Verfassungsgerichtshof sei von der Entscheidung BVerfGE 83, 60 (73) abgewichen, wonach auch die Ausübung von Vorschlagsrechten als Ausübung von Staatsgewalt, die demokratischer Legitimation bedürfe, zu qualifizieren sei, wenn ein anderer Verwaltungsträger bei der Ausübung seiner Entscheidungsbefugnisse von ihnen rechtlich abhängig sei. Die Entscheidung der Härtefallkommission sei für die anschließende Entscheidung der obersten Landesbehörde nicht nur mitursächlich, sondern unabdingbar.
3. Des Weiteren sei sie in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzt. Die Richtermehrheit habe sich weder mit ihrem Vortrag befasst, wonach Art. 33 Abs. 2 GG anwendbar sei, da die Thüringer Verfassung grundgesetzkonform auszulegen sei, noch mit ihrem Vortrag, wonach Art. 33 Abs. 2 GG selbst dann einschlägig sei, wenn man die Tätigkeit der Härtefallkommission nicht als Ausübung von Staatsgewalt einordne.
4. Verletzt sei zudem das Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 GG.
a) Die Ansicht des Verfassungsgerichtshofs...
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Beschluss vom 02.11.2023 - BVerwG 8 A 3.23
...nicht zur Kenntnis genommen oder ersichtlich nicht in Erwägung gezogen wurde (stRspr, vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. September 2023 - 2 BvR 107/21 - juris Rn. 33 f.; BVerwG, Beschlüsse vom 2. September 2019 - 8 B 19.19 - juris Rn. 2 und vom 8. Dezember 2021 - 6 B 6.21 - K&R 2022, 292 Rn. 7,......
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...nicht zur Kenntnis genommen oder ersichtlich nicht in Erwägung gezogen wurde (stRspr, vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. September 2023 - 2 BvR 107/21 - juris Rn. 33 f.; BVerwG, Beschlüsse vom 2. September 2019 - 8 B 19.19 - juris Rn. 2 und vom 8. Dezember 2021 - 6 B 6.21 - K&R 2022, 292 Rn. 7,......