BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvR 2486/15 -
über
die Verfassungsbeschwerde
des Herrn T…, |
- Bevollmächtigter:
-
Rechtsanwalt Wolfgang Bendler,
in Sozietät Rechtsanwälte Gross und Kollegen,
Nymphenburger Straße 113, 80636 München -
gegen |
a) |
den Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 26. November 2015 - 1 AR 294/15 -, |
b) |
den Auslieferungshaftbefehl des Oberlandesgerichts München vom 20. August 2015 - 1 AR 294/15 - |
und | Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung |
hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
die Richter Huber,
Müller,
Maidowski
am 2. Februar 2016 einstimmig beschlossen:
- Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen
- Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
Die Verfassungsbeschwerde betrifft den Umfang der in Auslieferungsverfahren geltenden Aufklärungspflicht.
I.
1. Der Beschwerdeführer ist russischer Staatsangehöriger tschetschenischer Herkunft. Er ist nach seinen Angaben 2006 aus der Tschetschenischen Republik nach Österreich geflohen. Anlässlich seines Grenzübertritts in die Bundesrepublik Deutschland wurde der Beschwerdeführer am 16. August 2015 bei Passau durch die Polizei kontrolliert und auf Grundlage einer INPOL-Ausschreibung vorläufig festgenommen. Dieser Ausschreibung lag ein Haftbefehl des Gerichts von Novy Urengoy vom 9. Februar 2004 zugrunde. Der Haftbefehl war in einem gegen den Beschwerdeführer geführten Ermittlungsverfahren wegen des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln erlassen worden. Das Stadtgericht Novy Urengoy verurteilte den Beschwerdeführer in Abwesenheit durch Urteil vom 17. Januar 2011 zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren.
Das Oberlandesgericht München ordnete durch Auslieferungshaftbefehl vom 20. August 2015 die vorläufige Auslieferungshaft zur Sicherung der Auslieferung an. Durch Beschluss vom 23. September 2015 ordnete das Oberlandesgericht die Fortdauer der Auslieferungshaft an. Darin regte das Oberlandesgericht an, ergänzende Auskünfte darüber einzuholen, ob dem Beschwerdeführer nach seiner Auslieferung ein neues Verfahren im Sinne von Art. 3 Abs. 1 2. ZP-EuAlÜbk zugesichert werde. Am 5. Oktober 2015 wurden dem Beschwerdeführer die zwischenzeitlich eingegangenen Auslieferungsunterlagen eröffnet. Im Auslieferungsersuchen garantierte die russische Generalstaatsanwaltschaft, der Beschwerdeführer werde in Übereinstimmung mit den Normen des Völkerrechts alle Möglichkeiten der Verteidigung erhalten. Ferner werde er nicht gefoltert, grausam, unmenschlich oder erniedrigend behandelt oder bestraft. Schließlich beinhalte das Ersuchen keinesfalls die Verfolgung aus politischen Gründen, wegen der Rasse oder der nationalen Zugehörigkeit, des Glaubensbekenntnisses oder politischer Anschauungen. Auf eine Anfrage des Bundesamts für Justiz Bezug nehmend legte die russische Generalstaatsanwaltschaft in einem Schreiben vom 15. Oktober 2015 dar, inwiefern dem Beschwerdeführer auf dessen Antrag hin ein neues Verfahren garantiert werde. Durch Beschluss vom 26. November 2015 ordnete das Oberlandesgericht die Fortdauer der Auslieferungshaft an und erklärte die Auslieferung des Beschwerdeführers an die russischen Behörden zur Strafvollstreckung für zulässig.
2. Bei den Anhörungen anlässlich seiner Festnahme und der Eröffnung der Auslieferungsunterlagen widersprach der Beschwerdeführer seiner Auslieferung. Er machte geltend, er sei bei einer früheren Inhaftierung in Russland schwer misshandelt worden. Für den Fall seiner Rückkehr sei er mit dem Tod bedroht worden. Im Rahmen des dem Auslieferungsersuchen zugrundeliegenden Ermittlungsverfahrens sei ihm von russischen Polizeibeamten nahegelegt worden, sich ins Ausland abzusetzen. Ferner sei er willkürlich verhaftet und erpresst worden. Er werde in Russland wegen seiner tschetschenischen Herkunft politisch verfolgt. Zur Untermauerung seiner Behauptung, die Haftbedingungen in Russland seien menschenrechtswidrig, legte der Beschwerdeführer verschiedene Berichte, unter anderem des Europäischen Komitees zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe, vor.
Diese Umstände seien bereits in Österreich überprüft worden, weshalb er dort seit 2009 über eine Aufenthaltsberechtigung verfüge. Die entsprechenden Unterlagen befänden sich in seiner Wohnung in Österreich und könnten zudem beim Landesgericht Wels angefordert werden.
Mit Beschluss vom 7. Oktober 2015 wurde dem Beschwerdeführer ein Pflichtbeistand beigeordnet. Dieser vertiefte die Einwendungen des Beschwerdeführers. Unter anderem legte er einen Bescheid des österreichischen Bundesasylamts vom 22. Februar 2011 vor, durch den dem Beschwerdeführer eine bis 24. Februar 2012 befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt worden war. Der Bescheid bezog sich auf § 8 Abs. 4 des österreichischen Bundesgesetzes über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 2005 - AsylG 2005), wonach einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär...