Beschluss vom 12. Juni 2017 - 2 BvR 1160/17
ECLI | ECLI:DE:BVerfG:2017:rk20170612.2bvr116017 |
Date | 12 Junio 2017 |
Judgement Number | 2 BvR 1160/17 |
Citation | BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 12. Juni 2017 - 2 BvR 1160/17 - Rn. (1-29), |
Court | Constitutional Court (Germany) |
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvR 1160/17 -
über
die Verfassungsbeschwerde
des Herrn N..., |
gegen |
a) |
den Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 2. Mai 2017 - 2 Ws (Vollz) 50/17 -, |
b) |
den Beschluss des Landgerichts Cottbus vom 17. Februar 2017 - 21 StVK 0001/17 - |
und | Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung |
hat die 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
den Richter Huber
und die Richterinnen Kessal-Wulf,
König
am 12. Juni 2017 einstimmig beschlossen:
- Der Beschluss des Landgerichts Cottbus vom 17. Februar 2017 - 21 StVK 0001/17 - und der Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 2. Mai 2017 - 2 Ws (Vollz) 50/17 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes
- Die Beschlüsse werden aufgehoben. Die Sache wird an das Landgericht Cottbus zurückverwiesen
- Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
- Das Land Brandenburg hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen zu erstatten
Gegenstand der mit einem Eilantrag verbundenen Verfassungsbeschwerde ist der Rechtsschutz gegen die Durchführung von Haftraumdurchsuchungen im Strafvollzug.
I.
1. Der strafgefangene Beschwerdeführer verbüßt derzeit eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten wegen Eigentums- und Vermögensdelikten sowie wegen Trunkenheit im Verkehr, welche seit dem 19. Oktober 2016 in der Justizvollzugsanstalt Cottbus-Dissenchen vollstreckt wird.
2. Mit einem an das Landgericht Cottbus gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung wandte sich der Beschwerdeführer gegen die Durchführung von Durchsuchungen in seinem Haftraum in der Zeit vom 1. November bis zum 31. Dezember 2016. Diese seien rechtswidrig gewesen. Insbesondere die Anzahl der Durchsuchungen, welche täglich stattfänden, sehe er als unverhältnismäßig an.
3. Dem trat die Justizvollzugsanstalt in ihrer Stellungnahme unter Verweis auf § 86 Abs. 1 des Brandenburgischen Justizvollzugsgesetzes (BbgJVollzG) entgegen. Danach dürften die Gefangenen, ihre Sachen und Hafträume mit technischen Mitteln oder sonstigen Hilfsmitteln abgesucht und durchsucht werden. Gemäß Verwaltungsvorschriften Abs. 1 Satz 1 zu § 86 BbgJVollzG hätten sich die Bediensteten im geschlossenen Vollzug durch unangekündigte Durchsuchungen laufend davon zu überzeugen, dass die Räume, die von Gefangenen benutzt würden, und ihre Einrichtungsgegenstände unbeschädigt seien, dass nichts vorhanden sei, was die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefährden könnte, vor allem keine Vorbereitungen zu Angriffen oder Entweichungen getroffen würden.
Die zulässige Anzahl von Durchsuchungen des Haftraums eines Gefangenen ergebe sich aus diesen Vorschriften nicht. Die Festlegung dieser Anzahl stehe deshalb im Ermessen der Vollzugsbehörde. Die Anzahl der im Haftraum des Beschwerdeführers durchgeführten Durchsuchungen sei ermessensfehlerfrei. Bei dem Beschwerdeführer seien in dem Zeitraum vom 1. November bis 31. Dezember 2016 - entsprechend den Vorgaben des Ministeriums der Justiz und für Europa und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg - wöchentliche Haftraumdurchsuchungen durchgeführt worden. Diese Anzahl der Durchsuchungen - zu der die Justizvollzugsanstalt sogar verpflichtet sei - sei verhältnismäßig.
Der Vortrag des Beschwerdeführers, bei ihm seien täglich Durchsuchungen des Haftraums durchgeführt worden, sei unzutreffend.
4. Mit angegriffenem Beschluss vom 17. Februar 2017 wies das Landgericht Cottbus den Antrag als unbegründet zurück. Die durchgeführten Haftraumdurchsuchungen seien aufgrund des der Justizvollzugsanstalt zustehenden Ermessens nur eingeschränkt überprüfbar; die Strafvollstreckungskammer habe nur zu überprüfen, ob die Vollzugsbehörde bei ihrer Entscheidung von einem zutreffend und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen sei. Wörtlich hieß es in dem Beschluss sodann:
„Diese Prüfung hat ergeben, dass die Haftraumkontrollen im oben angegebenen Zeitraum in rechtmäßiger Weise vollzogen worden sind, da die Antragsgegnerin die hierfür zugrundeliegenden tatsächlichen Grundlagen vollständig und richtig ermittelt und bei der gesetzlich gebotenen Abwägung […] alle relevanten Umstände berücksichtigt hat.
Insoweit folgt die Kammer dem Sach- und Rechtsvortrag der Antragsgegnerin und schließt sich deren Argumentation vollumfänglich an.“
5. Gegen den Beschluss legte der Beschwerdeführer Rechtsbeschwerde ein. Die Durchsuchungen hätten täglich stattgefunden und dauerten noch an. Das Landgericht habe lediglich die Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt abgeschrieben und sich dieser angeschlossen.
6. Mit angegriffenem Beschluss vom 2. Mai 2017 verwarf das Brandenburgische Oberlandesgericht die Rechtsbeschwerde als unzulässig, da deren Zulassung weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten sei.
II.
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