BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvR 361/12 -
über
die Verfassungsbeschwerde
des B. … e. V., vertreten durch den Landesvorsitzenden, |
- Bevollmächtigter:
-
Rechtsanwalt apl. Prof. Dr. Martin Gellermann,
Schlesierstraße 14, 49492 Westerkappeln -
gegen |
das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Juli 2011 - BVerwG 9 A 12.10 - |
hat die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
den Richter Eichberger
und die Richterinnen Baer,
Britz
gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung
vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 18. September 2017 einstimmig beschlossen:
- Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts über die Klage des Beschwerdeführers gegen einen fernstraßenrechtlichen Planfeststellungsbeschluss. Beschwerdeführer ist der B. e.V., eine vom Freistaat Sachsen anerkannte Naturschutzvereinigung, die sich im Wege einer Verbandsklage gegen den Planfeststellungsbeschluss gewandt hatte. Mit der Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG wegen der Nichtvorlage (Art. 267 Abs. 3 AEUV) von Fragen der Auslegung artenschutzrechtlicher Bestimmungen des Rechts der Europäischen Union und die Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG wegen der Handhabung der Präklusionsvorschrift des § 17a Nr. 7 Satz 2 Bundesfernstraßengesetz in der damals maßgeblichen Fassung (im Folgenden: FStrG).
I.
1. Am 24. Februar 2010 stellte die Landesdirektion Chemnitz den Plan „für den Bau der Ortsumgehung Freiberg im Zuge der Bundesstraßen B 101 (Aue-Berlin) und B 173 (Bamberg-Dresden)“ fest. Der Beschwerdeführer klagte gegen diesen Beschluss. Mit dem hier angegriffenen Urteil (BVerwG, Urteil vom 14. Juli 2011 - 9 A 12.10 -, juris) stellte das Bundesverwaltungsgericht fest, dass der Planfeststellungsbeschluss rechtswidrig ist und nicht vollzogen werden darf. Im Übrigen wies es die Klage ab. Der Planfeststellungsbeschluss verstoße gegen Bestimmungen des Bundesnaturschutzgesetzes und des Sächsischen Naturschutzgesetzes und damit gegen Vorschriften, deren Verletzung der Beschwerdeführer als anerkannte Naturschutzvereinigung rügen könne. Das rechtfertige zwar nicht die Aufhebung des Beschlusses, wohl aber die Feststellung seiner Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit.
a) Mit einem Teil seiner zahlreichen Einwendungen sei der Beschwerdeführer nach § 17a Nr. 7 Satz 2 FStrG präkludiert (BVerwG, a.a.O., Rn. 18 ff.). Diese Präklusionsregelung stelle eine materielle Präklusionsnorm dar, die eine Prüfung von Einwendungen auch im gerichtlichen Verfahren ausschließe, wenn die Einwendungsfrist im vorgelagerten Verwaltungsverfahren nicht eingehalten worden sei. Die formellen Voraussetzungen des Einwendungsausschlusses lägen vor. Die materiellen Präklusionsvoraussetzungen seien gleichfalls erfüllt, weil der Beschwerdeführer die betreffenden Einwendungen in seiner Stellungnahme vom 4. Dezember 2008 teils gar nicht, teils ohne die nötige Substantiierung geltend gemacht habe. Es bestehe kein Anlass zu vernünftigen Zweifeln, dass die Präklusionsregelung des § 17a Nr. 7 Satz 2 FStrG mit dem Recht der Europäischen Union vereinbar sei; eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 Abs. 3 AEUV erübrige sich (BVerwG, a.a.O., Rn. 23 ff.).
b) Der nicht präkludierte Vortrag des Beschwerdeführers umfasse neben unberechtigten Einwänden auch solche Rügen, die Mängel bei der Behandlung des Habitatschutzes, des Artenschutzes, der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung und der fachplanerischen Abwägung der Naturschutzbelange aufzeigten. Diese Mängel rechtfertigten nicht die Aufhebung, sondern nur die Feststellung der Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses, weil Heilungsmöglichkeiten in einem ergänzenden Verfahren verblieben (BVerwG, a.a.O., Rn. 54 ff.).
2. Mit seiner fristgerecht erhobenen Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner Rechte aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 und Art. 103 Abs. 1 GG.
Das durch Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verbürgte Recht auf den gesetzlichen Richter sei verletzt, weil das Bundesverwaltungsgericht seine Pflicht zur Vorlage entscheidungserheblicher Fragen des Unionsrechts an den Gerichtshof der Europäischen Union (Art. 267 Abs. 3 AEUV) in Ansehung der Art. 12 Abs. 1 Buchstabe d und Art. 16 FFH-Richtlinie (im Folgenden: FFH-RL) in einer offensichtlich unhaltbaren Weise gehandhabt habe.
Das durch Art. 103 Abs. 1 GG verbürgte Recht auf rechtliches Gehör sei verletzt, weil das Bundesverwaltungsgericht die Präklusionsvorschrift des § 17a Nr. 7 Satz 2 FStrG in einer Weise auslege und anwende, die den verfassungsrechtlich relevanten Vorwurf der offensichtlichen Fehlerhaftigkeit begründe.
II.
Es liegt kein Grund zur Annahme der Verfassungsbeschwerde vor (§ 93a Abs. 2 BVerfGG).
1. Die Verfassungsbeschwerde ist nicht wegen grundsätzlicher verfassungsrechtlicher Bedeutung (§ 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG) zur Entscheidung anzunehmen.
a) Die Frage, ob Art. 103 Abs. 1 GG hier durch die Art und Weise der Anwendung der fachrechtlichen Präklusionsregel verletzt wurde, stellt sich wegen eines zwischenzeitlich zur materiellen Präklusion bei naturschutzrechtlichen Vereinigungen ergangenen Urteils des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, Urteil vom 15. Oktober 2015, Rs. C-137/14, EU:C:2015:683) nicht mehr.
aa) Die grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung im Sinne des § 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG setzt ein über den Einzelfall hinausgehendes...