Beschluss vom 19. Dezember 2017 - 2 BvR 424/17
ECLI | ECLI:DE:BVerfG:2017:rs20171219.2bvr042417 |
Citation | BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 19. Dezember 2017 - 2 BvR 424/17 - Rn. (1-61), |
Judgement Number | 2 BvR 424/17 |
Date | 19 Diciembre 2017 |
Court | Constitutional Court (Germany) |
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvR 424/17 -
über
die Verfassungsbeschwerde
des Herrn D... |
- Bevollmächtigte:
-
Rechtsanwälte Dr. Gerhard Strate und Dr. Ole-Steffen Lucke,
Holstenwall 7, 20355 Hamburg -
gegen |
a) |
den Beschluss des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 19. Januar 2017 - Ausl 81/16 -, |
b) |
den Beschluss des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 3. Januar 2017 - Ausl 81/16 - |
hat das Bundesverfassungsgericht - Zweiter Senat -
unter Mitwirkung der Richterinnen und Richter
Präsident Voßkuhle,
Huber,
Hermanns,
Müller,
Kessal-Wulf,
König,
Maidowski
am 19. Dezember 2017 beschlossen:
- Die Beschlüsse des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 3. Januar 2017 - Ausl 81/16 - und vom 19. Januar 2017 - Ausl 81/16 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 101 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes; sie werden aufgehoben.
- Die Sache wird an das Hanseatische Oberlandesgericht zurückverwiesen.
- Die Freie und Hansestadt Hamburg hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen zu erstatten.
A.
I.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Auslieferung des Beschwerdeführers, eines rumänischen Staatsangehörigen, nach Rumänien zum Zwecke der Strafverfolgung. Der Beschwerdeführer wendet sich dagegen mit Blick auf die dortigen Haftbedingungen.
1. Gegen ihn besteht ein Europäischer Haftbefehl, dem ein nationaler Haftbefehl eines Gerichts in Constanta (Rumänien) vom 1. Juli 2015 (Nr. 13/UP) wegen des Verdachts der Begehung von Vermögens- und Urkundsdelikten in drei Fällen zugrunde liegt. Der Beschwerdeführer verbüßte wegen in der Bundesrepublik Deutschland begangener Straftaten bis zum 24. September 2017 eine Freiheitsstrafe in Hamburg-Billwerder. Seither befindet er sich dort in Auslieferungshaft.
2. Das Hanseatische Oberlandesgericht erließ am 12. September 2016 einen Auslieferungshaftbefehl gegen den Beschwerdeführer. Am 19. September 2016 beantragte die Generalstaatsanwaltschaft Hamburg, die Auslieferung für zulässig zu erklären, und teilte mit, es sei nicht beabsichtigt, Bewilligungshindernisse (§ 83b des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen - IRG) geltend zu machen. Mit Verfügung vom 30. September 2016 bat der Vorsitzende des beim Oberlandesgericht zuständigen Strafsenats die Generalstaatsanwaltschaft, Auskünfte der rumänischen Behörden zu den Bedingungen der dem Beschwerdeführer drohenden Untersuchungshaft und einer möglichen Strafhaft einzuholen. Dabei wies er insbesondere darauf hin, dass ein jedem Gefangenen zur Verfügung stehender Platz von weniger als 4 m² ungenügend sei.
3. Nachdem sich die Generalstaatsanwaltschaft Hamburg mit einem entsprechenden Schreiben an die rumänischen Behörden gewandt hatte, verwiesen diese unter dem 4. Oktober 2016 auf die rumänischen Bestimmungen zu Mindeststandards der Unterbringung von Häftlingen. Danach müssten die dortigen Hafträume die Würde des Menschen achten und sanitäre und hygienische Mindeststandards erfüllen. Insbesondere müsse es eine natürliche Belüftung und Anlagen für künstliche Beleuchtung geben und die Räume müssten mit Heizungen ausgestattet sein. Es sei in jedem Raum ein Platz von mindestens 4 m² für jeden Häftling vorzusehen, der sich im geschlossenen oder im Hochsicherheitsregime befinde, und mindestens 6 m³ Luft für jeden Häftling, der im halboffenen oder offenen Vollstreckungsregime untergebracht werde. Auch der Zugang zu warmem und Trinkwasser sowie die Versorgung mit Lebensmitteln seien nach rumänischem Recht zu gewährleisten.
4. Auf eine weitere Nachfrage hin teilten die rumänischen Behörden am 25. Oktober 2016 mit, dass der Beschwerdeführer zunächst für die Dauer von 21 Tagen in eine Haftanstalt zur Durchführung der nach rumänischem Recht vorgesehenen Quarantäne- und Aufsichtszeit verbracht werde. Die Aufnahmeanstalt Bukarest Rahova verfüge über 24 Quarantänezimmer mit individuellem Raum von mindestens 3 m².
Nach Beendigung der Quarantänezeit werde der Untersuchungshaftbefehl in der Haftanstalt Poarta Alba vollstreckt. Dort seien die Haftzellen mit Einzelbett, Matratze und Bettzeug, Möbeln zur Aufbewahrung persönlicher Gegenstände und für die Nahrungsaufnahme ausgestattet. Die Häftlinge hätten zudem ein Recht auf Spaziergänge im Freien und auf die Teilnahme an verschiedenen Aktivitäten.
Werde der Verfolgte zu einer Freiheitsstrafe verurteilt, werde er in einer Haftanstalt möglichst nahe an seinem Wohnsitz untergebracht. Bei der Frage, welches der insgesamt vier Vollstreckungsregime dem Verurteilten auferlegt werde, seien die Dauer der Freiheitsstrafe, die Vorstrafen, das Alter und der Gesundheitszustand des Verurteilten, sein Verhalten, seine Bedürfnisse nach sozialer und psychologischer Hilfe sowie seine Bereitschaft zu arbeiten und das Bedürfnis nach Schulung oder Ausbildung zu berücksichtigen. Da nicht klar sei, zu welchem Strafmaß der Beschwerdeführer verurteilt werde, könne das Vollzugsregime noch nicht festgelegt werden. Müsse er die Haftstrafe im geschlossenen Regime verbüßen, werde er unter Berücksichtigung seines Wohnsitzes womöglich in der Haftanstalt Tulcea inhaftiert. Dort verfügten die Haftzellen über ein von der Haftzelle aus zugängliches Badezimmer mit Waschbecken, Toilette und Dusche, es gebe Tageslicht durch ein Fenster in der Größe von 1,13 m x 1,15 m und weißes Neonlicht. Die natürliche Belüftung erfolge über das Fenster und im Badezimmer durch ein Fenster in der Größe von 0,52 m x 0,45 m. In den Haftzellen befänden sich Tisch, Stühle, Kleiderhaken und Regalräume mit einer Fläche von 0,78 m². Laufendes Kaltwasser werde ununterbrochen, Warmwasser drei Mal wöchentlich geliefert. Die Häftlinge hätten täglich Zugang zu Spazierhöfen, Sportanlagen, dem Sportsaal, der Kirche, Klassenräumen und sonstigen Räumen zur Ausübung ihrer Rechte. Im halboffenen Regime könnten die Häftlinge sich innerhalb der Haftanstalt auf bestimmten Wegen ohne Begleitung bewegen und die Freizeit unter Aufsicht gestalten. Die Haftzellen seien tagsüber offen. Die Behörden sicherten den Häftlingen einen minimalen persönlichen Raum, einschließlich Bett und entsprechender Möbel, von 3 m² bei der Vollstreckung im geschlossenen Regime und von 2 m² bei der Vollstreckung im halboffenen oder offenen Regime zu.
5. Mit Verfügung vom 18. November 2016 bat das Oberlandesgericht die Generalstaatsanwaltschaft unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) darum, eine ausdrückliche Zusicherung einzuholen, dass die dem Beschwerdeführer zustehende Haftraumgröße zu jeder Zeit ein absolutes Mindestmaß von 3 m² ohne Berücksichtigung des Mobiliars nicht unterschreiten werde.
6. Am 29. November 2016 nahmen die anwaltlichen Vertreter des Beschwerdeführers zu dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft auf Bewilligung der Auslieferung Stellung. Darin führten sie aus, die Auslieferung werde für unzulässig zu erklären sein. Die rumänischen Behörden hätten nur allgemein zu den verschiedenen Haftanstalten vorgetragen. Die Angaben zur Größe der Hafträume entsprächen nicht den konventionsrechtlichen Mindeststandards.
7. Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz teilte den Landesjustizverwaltungen mit Schreiben vom 1. Dezember 2016 mit, es hätten wegen der unzureichenden Haftbedingungen in Rumänien Gespräche stattgefunden und die Haftanstalt Bucuresti Jilava sei besichtigt worden. Dabei sei festgestellt worden, dass die Haftanstalten in Rumänien deutlich überbelegt seien und circa 9.500 Haftplätze fehlten. Die rumänische Regierung beabsichtige, die Haftplatzkapazität noch im Jahr 2016 um 659 Haftplätze zu erhöhen und weitere 200 Haftplätze zu modernisieren. Im Jahr 2017 sollten 200 und in den Jahren 2018 bis 2020 5.500 neue Plätze geschaffen werden. Es gebe im rumänischen Justizvollzug vier Vollzugsregime: zwei strenge und zwei gelockerte. Über die Frage, in welches Regime ein Verurteilter eingewiesen werde, entscheide eine Fachkommission, nicht der Justizvollzug. In den strengen Regimen seien die Haftraumtüren grundsätzlich tagsüber und nachts verschlossen, da hier hohe Sicherheitsstandards herrschten. Die dort untergebrachten Gefangenen könnten sich etwa drei Stunden pro Tag außerhalb ihres Haftraums bewegen. In den gelockerten Regimen hätten die Gefangenen die Möglichkeit, sich tagsüber frei zu bewegen. Im offenen Vollzug seien die Haftraumtüren auch nachts geöffnet. Die Gefangenen müssten sich zu Beginn der Inhaftierung für 21 Tage in Quarantäne begeben. Nach der Verbüßung eines Fünftels der Strafe prüfe die Fachkommission eine Änderung des Vollzugsregimes für den betreffenden Gefangenen. Außerdem könne es zu unvorhersehbaren Verlegungen kommen.
Die Erteilung von auf den Einzelfall abgestimmten Zusicherungen über die Unterbringung in einer bestimmten Justizvollzugsanstalt sei deshalb aus rumänischer Sicht schwierig. Eine Abweichung von der gesetzlich verankerten Zuständigkeit der Fachkommission bedürfe einer Gesetzesänderung, die nur mittelfristig möglich sei. Daher seien die bisher erteilten Zusicherungen sehr allgemein gehalten. Die rumänischen Behörden wollten sich gleichwohl bemühen, sie auf den Einzelfall abzustimmen, und hätten sie inzwischen dahingehend aktualisiert, dass sie einen Raum von mindestens 3 m² für Gefangene zusichern...
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Urteil Nr. 6 StR 41/20 des 6. Strafsenat des Bundesgerichtshofs, 21-04-2020
...des Europäischen Gerichtshofs ersichtlich noch die Rechtslage von vornherein eindeutig ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. Dezember 2017 – 2 BvR 424/17, ECLI:DE:BVerfG:2017:rs20171219.2bvr042417, Rn. 38; Urteil vom 28. Januar 2014 – 2 BvR 1561/12, ECLI: DE:BVerfG:2014:rs20140128.2bvr15 6112......
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Urteil Nr. 6 StR 41/20 des 6. Strafsenat des Bundesgerichtshofs, 21-04-2020
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