Beschluss vom 21. September 2020 - 1 BvR 2152/20
ECLI | ECLI:DE:BVerfG:2020:rk20200921.1bvr215220 |
Citation | BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 21. September 2020 - 1 BvR 2152/20 -, Rn. 1-21, |
Date | 21 Septiembre 2020 |
Judgement Number | 1 BvR 2152/20 |
Court | Constitutional Court (Germany) |
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvR 2152/20 -
über
die Verfassungsbeschwerde
des Herrn K…, |
- Bevollmächtigter:
… -
gegen |
a) |
den Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 11. September 2020 - 2 B 2256/20 -, |
b) |
den Beschluss des Verwaltungsgerichts Gießen vom 8. September 2020 - 4 L 2955/20.GI - |
h i e r: | Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts |
hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
den Präsidenten Harbarth,
die Richterin Britz
und den Richter Radtke
gemäß § 32 Abs. 1 in Verbindung mit § 93d Abs. 2 BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473)
am 21. September 2020 einstimmig beschlossen:
- Dem Beschwerdeführer wird für das Verfahren über die einstweilige Anordnung Prozesskostenhilfe ohne Raten-zahlung bewilligt und Rechtsanwalt … aus … beigeordnet
- Die aufschiebende Wirkung der Klage des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Regierungspräsidiums Gießen vom 31. August 2020 in der Gestalt des Bescheides vom 2. September 2020 (Verwaltungsgericht Gießen - 4 K 2938/20.GI -) wird wiederhergestellt, soweit die Bescheide das Protestcamp „Wald statt Asphalt – A49 Stoppen – Protestcamp Ost am Sportplatz Lehrbach für die Verkehrswende in Lehrbach, gegen Räumung und Rodung des Dannenröder Waldes und gegen die Kriminalisierung von wildem Campieren“ im Zeitraum vom 24. bis 30. September 2020 zum Gegenstand haben
- Im Übrigen wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt
Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
1. Nach § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Dabei haben die Gründe, die der Antragsteller für die Verfassungswidrigkeit des angegriffenen Hoheitsakts anführt, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben, es sei denn, die Verfassungsbeschwerde in der Hauptsache erweist sich von vornherein als unzulässig oder offensichtlich unbegründet. Bei – wie hier – offenem Ausgang der Verfassungsbeschwerde sind die Folgen, die eintreten würden, wenn die einstweilige Anordnung nicht erginge, die Verfassungsbeschwerde aber später Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen abzuwägen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Verfassungsbeschwerde jedoch der Erfolg versagt bliebe (vgl. BVerfGE 131, 47 ; 132, 195 ; stRspr). Wegen der meist weittragenden Folgen, die eine einstweilige Anordnung in einem verfassungsgerichtlichen Verfahren auslöst, ist bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 BVerfGG ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. BVerfGE 131, 47 ; 132, 195 ; stRspr). Maßgebend für die Beurteilung ist der Verfahrensstand im Zeitpunkt der Entscheidung (BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 10. März 2010 - 1 BvQ 4/10 -, Rn. 14).
2. Ausgehend davon hat der Antrag des Beschwerdeführers teilweise Erfolg.
a) Der Erlass einer einstweiligen Anordnung kommt nicht in Betracht, soweit der Beschwerdeführer im verfassungsgerichtlichen Eilverfahren die Ermöglichung des von ihm für den Zeitraum vom 1. September 2020 bis 1. März 2021 als Versammlung angemeldeten „Protestcamps Nord“ an dem von ihm gewünschten Standort begehrt. Die gebotene Folgenabwägung fällt zugunsten einer Aufrechterhaltung der sofortigen Vollziehbarkeit des von dem Regierungspräsidium Gießen ausgesprochenen Verbots einer Veranstaltung des Protestcamps an diesem Standort aus.
aa) Wenn die einstweilige Anordnung nicht erginge, die sofortige Vollziehbarkeit des ausgesprochenen Verbots also bestehen bliebe, die Verfassungsbeschwerde insoweit aber später Erfolg hätte, wäre der Beschwerdeführer ohne rechtfertigenden Grund um die Möglichkeit gebracht worden, von seinem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit gemäß Art. 8 Abs. 1 GG an dem von ihm dafür vorgesehenen Ort Gebrauch zu machen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass ihm die Ausübung seiner Versammlungsfreiheit auch an anderer Stelle in räumlichem Zusammenhang mit dem geplanten Trassenverlauf der Bundesautobahn 49 und der bevorstehenden Rodungsarbeiten im Zuge des Autobahnbaus generell verboten wäre. An anderen Standorten kann grundsätzlich auch das geplante Protestcamp durchgeführt werden, soweit die sonstigen versammlungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind, mag sich die Suche nach einem geeigneten Alternativstandort nicht zuletzt wegen der von dem Beschwerdeführer gewünschten mehrmonatigen Dauer des Camps auch als schwierig erweisen. Danach wird der Beschwerdeführer durch das ortsbezogene Verbot zwar in seinem von Art. 8 Abs. 1 GG umfassten Selbstbestimmungsrecht über den Versammlungsort (vgl....
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