Beschluss vom 22.03.2021 - BVerwG 1 B 4.21

Judgment Date22 Marzo 2021
ECLIDE:BVerwG:2021:220321B1B4.21.0
Neutral CitationBVerwG 1 B 4.21
Record Number220321B1B4.21.0
Registration Date30 Junio 2021
Subject MatterAsylrecht
CourtDas Bundesverwaltungsgericht

BVerwG 1 B 4.21

  • VG Trier - 26.09.2017 - AZ: VG 7 K 1796/17.TR
  • OVG Koblenz - 28.10.2020 - AZ: OVG 7 A 10784/18.OVG

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 22. März 2021
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit und die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Dr. Rudolph und
Dr. Wittkopp
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 28. Oktober 2020 wird zurückgewiesen
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens
Gründe

1 Die auf die Zulassungsgründe einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (I.) und eines Verfahrensmangels (II.) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

2 I. Die Revision ist nicht wegen der mit der Beschwerde geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.

3 1. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kommt einer Rechtssache zu, wenn sie eine für die erstrebte Revisionsentscheidung entscheidungserhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit und der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO setzt insoweit die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besteht. Die Beschwerde muss daher erläutern, dass und inwiefern die Revisionsentscheidung zur Klärung einer bisher revisionsgerichtlich nicht beantworteten fallübergreifenden Rechtsfrage des revisiblen Rechts führen kann (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26 S. 14). Die Begründungspflicht verlangt, dass sich die Beschwerde mit den Erwägungen des angefochtenen Urteils, auf die sich die aufgeworfene Frage von angeblich grundsätzlicher Bedeutung bezieht, substantiiert auseinandersetzt und im Einzelnen aufzeigt, aus welchen Gründen der Rechtsauffassung, die der Frage zugrunde liegt, zu folgen ist (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 8. Juni 2006 - 6 B 22.06 - NVwZ 2006, 1073 Rn. 4 f. und vom 10. August 2015 - 5 B 48.15 - juris Rn. 3 m.w.N.). Die Darlegung muss sich auch auf die Entscheidungserheblichkeit des jeweils geltend gemachten Zulassungsgrunds erstrecken.

4 2. Die von der Beschwerde als rechtsgrundsätzlicher Klärung bedürftig erachtete Frage,
"ob sich das Tatsachengericht trotz des Systems der normativen Vergewisserung der den Betroffenen zu erwartenden Situation im EU-Zielstaat individuell genau und substantiiert nähern muss oder ob - wie hier - eine pauschale und verallgemeinernde Bewertung ausreicht, um einen Eingriff in Art. 4 GRCh bei Rückführung in den EU-Drittstaat auszuschließen",
rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung, weil es bereits an der Darlegung einer weiter klärungsbedürftigen Rechtsfrage fehlt.

5 Die abstrakten Anforderungen an die Sachverhaltsaufklärung im Asylverfahren sind - auch bezüglich der Frage, ob einem Schutzberechtigten im Zielstaat der Abschiebung mit Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) unvereinbare Lebensbedingungen drohen - in der Rechtsprechung geklärt. Das Bundesamt bzw. das Verwaltungsgericht haben insoweit alle für die Beurteilung des Vorliegens einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung relevanten Lebensbedingungen im Zielstaat der Abschiebung zu ermitteln und zu würdigen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. August 2018 - 1 B 25.18 - Buchholz 402.242 § 60 Abs. 2 ff. AufenthG Nr. 58 Rn. 16). Dafür ist unter anderem auch von Bedeutung, ob der rückkehrende Ausländer eine Unterkunft finden kann und ob er seine elementarsten Bedürfnisse durch eigene Arbeit oder Sozialleistungen decken kann. Dabei muss die fachgerichtliche Beurteilung von möglicherweise gegen Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK verstoßenden Aufnahmebedingungen - jedenfalls dann, wenn diese ernstlich zweifelhaft sind - auf einer hinreichend verlässlichen, auch ihrem Umfang nach zureichenden tatsächlichen Grundlage beruhen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 2019 - 2 BvR 1380/19 - juris Rn. 15). Auch nach der Rechtsprechung des EuGH ist das Gericht, das mit einem Rechtsbehelf gegen eine Entscheidung befasst ist, mit der ein neuer Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig abgelehnt wurde, in dem Fall, dass es über Angaben verfügt, die der Antragsteller vorgelegt hat, um das Vorliegen eines solchen Risikos in dem bereits schutzgewährenden Mitgliedstaat nachzuweisen, verpflichtet, auf der Grundlage objektiver, zuverlässiger, genauer und gebührend aktualisierter Angaben und im Hinblick auf den durch das Unionsrecht gewährleisteten Schutzstandard der Grundrechte zu würdigen, ob entweder systemische oder allgemeine oder aber bestimmte Personengruppen betreffende Schwachstellen vorliegen (vgl. EuGH, Urteil vom 19. März 2019 - C-297/17 u.a. [ECLI:​EU:​C:​2019:​219], Ibrahim u.a. - Rn. 88).

6 Einer weitergehenden grundsätzlichen Klärung sind die allgemeinen Anforderungen an die gerichtliche Sachverhaltsaufklärung...

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