Beschluss vom 23.02.2021 - BVerwG 2 C 11.19

JurisdictionGermany
Judgment Date23 Febrero 2021
Neutral CitationBVerwG 2 C 11.19
ECLIDE:BVerwG:2021:230221B2C11.19.0
Applied RulesZPO § 85 Abs. 2,BDG § 3,LDG NRW §§ 3, 13,VwGO § 60 Abs. 1 und 2, § 139 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 und Satz 2, § 173 Satz 1,GG Art. 33 Abs. 5
Registration Date13 Abril 2021
Record Number230221B2C11.19.0
Subject MatterBeamtendisziplinarrecht
CourtDas Bundesverwaltungsgericht
CitationBVerwG, Beschluss vom 23.02.2021 - 2 C 11.19

BVerwG 2 C 11.19

  • VG Münster - 30.03.2011 - AZ: VG 13 K 283/10.O
  • OVG Münster - 06.07.2018 - AZ: OVG 3d A 1161/11.O

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 23. Februar 2021
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. von der Weiden
und Dollinger
beschlossen:

  1. Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 6. Juli 2018 wird verworfen.
  2. Der Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Gründe

1 Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts ist unzulässig und nach § 144 Abs. 1 VwGO zu verwerfen, weil der Beklagte die Revisionsbegründungsfrist (§ 139 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 VwGO) nicht gewahrt hat (1.) und eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 60 VwGO) ausgeschlossen ist (2.).

2 1. Nach § 3 Abs. 1, § 67 LDG NRW und § 139 Abs. 3 VwGO ist die Revision im Falle der Zulassung der Revision durch das Bundesverwaltungsgericht einen Monat nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Revision zu begründen. Die Revisionsbegründung ist gemäß § 3 Abs. 1 LDG NRW i.V.m. § 139 Abs. 3 Satz 2 VwGO bei dem Bundesverwaltungsgericht einzureichen.

3 Der Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. Juni 2019 über die Zulassung der Revision ist dem Bevollmächtigten des Beklagten am 12. Juli 2019 zugestellt worden. Die diesem Beschluss beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung entspricht den Anforderungen des § 58 Abs. 1 VwGO. Die erst unter dem Datum des 27. September 2019 erstellte Revisionsbegründung des Beklagten ist beim Bundesverwaltungsgericht per Telefax am 27. September 2019 - und damit lange nach Ablauf der Frist zur Revisionsbegründung am 12. August 2019 - eingegangen.

4 2. Die vom Beklagten beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 60 VwGO ist ausgeschlossen.

5 Nach § 60 Abs. 1 VwGO kann einem Verfahrensbeteiligten auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden, wenn er ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Wie sich unmittelbar aus § 60 Abs. 2 Satz 1 VwGO ergibt, besteht diese Möglichkeit auch bei der Versäumung der gesetzlichen Frist zur Begründung der Revision nach § 139 Abs. 3 VwGO.

6 Verschulden ist gegeben, wenn der Beteiligte hinsichtlich der Wahrung der Frist diejenige Sorgfalt außer Acht lässt, die für einen gewissenhaften und seine Rechte und Pflichten sachgemäß wahrnehmenden Prozessführenden im Hinblick auf die Fristwahrung geboten und ihm nach den gesamten Umständen zuzumuten ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. Juni 1995 - 6 C 13.93 - Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 198 S. 14). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts setzt Verschulden stets den Verstoß gegen eine individuelle Sorgfaltspflicht voraus, auf die der Beteiligte (oder sein Bevollmächtigter) sich einstellen konnte (BVerfG, Beschlüsse vom 8. November 1991 - 2 BvR 1388/91 u.a. - NVwZ 1992, 262 , vom 2. Juni 1992 - 2 BvR 1401/91 - BVerfGE 86, 280 und vom 26. April 2004 - 1 BvR 1819/00 - NJW 2004, 2583 f.).

7 Der die Wiedereinsetzung beantragende Beteiligte muss die Tatsachen zur Begründung des Antrags glaubhaft machen (§ 60 Abs. 2 Satz 2 VwGO). Erforderlich ist eine rechtzeitige, substanziierte und schlüssige Darstellung der für die Wiedereinsetzung wesentlichen Tatsachen (vgl. u.a. BVerwG, Beschluss vom 6. Dezember 2000 - 2 B 57.00 - Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 236 S. 24; Hoppe, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 60 Rn. 32 f.). Weitere Wiedereinsetzungsgründe in tatsächlicher Hinsicht können nach Ablauf der Zweiwochenfrist - abgesehen von bloßen Ergänzungen und Erläuterungen - nicht mehr vorgetragen werden. Nachgeholt werden kann im Verfahren gemäß § 60 Abs. 2 Satz 2 VwGO nur die Glaubhaftmachung (stRspr, vgl. u.a. BVerwG, Urteil vom 21. Oktober 1975 - 6 C 170.73 - BVerwGE 49, 252 ; Beschlüsse vom 3. Februar 1993 - 6 B 4.93 - Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 183 S. 56 und vom 16. Februar 1999 - 8 B 10.99 - Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 222 S. 4; BGH, Beschluss vom 1. Juli 1992 - IV ZB 13/90 - RuS 1993, 238 f.).

8 Die beantragte Wiedereinsetzung ist hier ausgeschlossen, weil der Beklagte nicht ohne Verschulden verhindert war, die Frist für die Einreichung der Revisionsbegründung einzuhalten (a) und ihm das Verschulden seines Bevollmächtigten zuzurechnen ist (b).

9 a) Auf der Grundlage des Sachvortrags des Bevollmächtigten des Beklagten ist das Fristversäumnis nicht lediglich auf ein dem Bevollmächtigten nicht zuzurechnendes Verschulden einer Hilfsperson zurückzuführen. Es beruhte vielmehr auf einem Alleinverschulden seines mit der Prozessvertretung selbst betrauten Rechtsanwalts. Denn der Bevollmächtigte des Beklagten hat keinen konkreten Grund für die Fristversäumnis benannt, sondern bei Begründung des Wiedereinsetzungsantrags ausdrücklich eingeräumt, dass "aus im Einzelnen nicht mehr sicher nachvollziehbaren Gründen" die hier einzutragende "Schriftsatzfrist" nicht notiert worden ist. Aus dem Sachvortrag des Bevollmächtigten des Beklagten zum Wiedereinsetzungsantrag ergeben sich betreffend die Handhabung der Revisionsbegründungsfrist als besonderer prozessualer Frist mehrere erhebliche Verletzungen der anwaltlichen Sorgfaltspflicht.

10 Ein erster Sorgfaltspflichtverstoß liegt darin, dass die...

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