Beschluss vom 28.02.2022 - BVerwG 9 A 12.21

Judgment Date28 Febrero 2022
ECLIDE:BVerwG:2022:280222B9A12.21.0
Neutral CitationBVerwG 9 A 12.21
Record Number280222B9A12.21.0
Registration Date21 Abril 2022
Subject MatterStraßen- und Wegerecht
CourtDas Bundesverwaltungsgericht

BVerwG 9 A 12.21

In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 28. Februar 2022
durch den Richter am Bundesverwaltungsgericht Steinkühler,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hammer und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Emmenegger
beschlossen:

  1. Das Ablehnungsgesuch der Kläger gegen den Richter am Bundesverwaltungsgericht F vom 7. September 2021 wird verworfen
  2. Das Ablehnungsgesuch der Kläger gegen die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht A, die Richter am Bundesverwaltungsgericht B und C sowie die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht D und E vom 2. Juli 2021 wird zurückgewiesen
Gründe I

1 1. Der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts wies mit Urteil vom 2. Juli 2020 (9 A 8.19 ) durch den damaligen Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht G, die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht A und D sowie die Richter am Bundesverwaltungsgericht B und C die Klage der Kläger gegen den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten vom 30. Mai 2012 in Gestalt der Planänderungsbeschlüsse vom 9. Oktober 2013, 20. Januar 2017 und 17. Januar 2019 als unzulässig ab.

2 Einen Antrag auf Berichtigung der Sitzungsniederschrift vom 23. Juni 2020 lehnte der Senat durch Beschluss vom 8. Juli 2020 ab. Mit weiterem Beschluss vom 10. Mai 2021 lehnte der Senat durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht A, die Richter am Bundesverwaltungsgericht B und C und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht D einen Antrag auf Berichtigung des Tatbestands des Urteils vom 2. Juli 2020 ab. Die gegen das vorgenannte Urteil erhobene Anhörungsrüge wies der Senat mit Beschluss vom 17. Mai 2021 (9 A 7.20 ) durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht A und die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht D und E zurück, nachdem zuvor ein Ablehnungsgesuch gegen die an dem vorgenannten Urteil beteiligten Richterinnen und Richter keinen Erfolg hatte (BVerwG, Beschluss vom 14. April 2021 - 9 A 8.19 , 9 A 7.20 ).

3 2. Mit ihrer am 2. Juli 2021 erhobenen Klage begehren die Kläger, gemäß § 153 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 579 Abs. 1 Nr. 1 ZPO das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 2. Juli 2020 (9 A 8.19 ), hilfsweise dessen Beschluss vom 17. Mai 2021 (9 A 7.20 ), aufzuheben und das zugrunde liegende Klage- bzw. Anhörungsrügeverfahren wiederaufzunehmen.

4 Mit der Klage lehnen sie die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht A, die Richter am Bundesverwaltungsgericht B und C sowie die Richterin am Bundesverwaltungsgericht D aufgrund deren Vorbefassung mit der Sache in dem Urteil vom 2. Juli 2020 sowie die Vorsitzende Richterin A und die Richterinnen D und E aufgrund ihrer Mitwirkung an dem angefochtenen Beschluss vom 17. Mai 2021 wegen der Besorgnis einer Befangenheit ab. Letzterem entnehmen sie zudem ebenso eine Vorfestlegung hinsichtlich der Nichtigkeitsklage betreffend das Urteil vom 2. Juli 2020 wie dem Schreiben A vom 21. Juni 2021, worin sie ausführte, dass sich die gerügte fehlende Mitwirkung des Richters F in den Verfahren der Kläger aus der senatsinternen Geschäftsverteilung ergebe, und die Frage der Kläger nach einer Verhinderung des Richters als nicht nachvollziehbar bezeichnete. Darüber hinaus lehnen sie die Vorsitzende Richterin A sowie die Richterinnen D und E mit der Begründung ab, Mitarbeiter der Vorhabenträgerin hätten schon vor der Zustellung der Beschlüsse vom 10. und 17. Mai 2021 Kenntnis von deren Inhalt gehabt, woraus zu schließen sei, dass eine der an den Entscheidungen mitwirkenden Richterinnen die Betroffenen vorab informiert habe, ohne die Kläger zu unterrichten.

5 Mit Schriftsatz vom 7. September 2021 haben die Kläger als weiteren Ablehnungsgrund bzgl. der Vorsitzenden Richterin A, der Richter B und C sowie der Richterin D geltend gemacht, das Urteil vom 2. Juli 2020 beruhe auf Willkür. In ihrer dienstlichen Stellungnahme zu dem Ablehnungsgesuch habe die Vorsitzende Richterin A erneut ihre Vorfestlegung bzgl. der Ordnungsgemäßheit der Spruchkörperbesetzung bekundet, die Gegenstand der Nichtigkeitsklage sei, und damit zugleich gegen die Wartepflicht nach § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 47 Abs. 1 ZPO verstoßen. Die dienstlichen Äußerungen der Vorsitzenden Richterin A sowie der Richterinnen D und E seien zudem unvollständig, weil sie lediglich Gespräche bzw. Telefonate mit Vertretern der Vorhabenträgerin, nicht aber andere Kontakte verneinten; hierin liege ein weiterer Ablehnungsgrund. Zudem lehnen die Kläger den Richter am Bundesverwaltungsgericht F ebenso wie die Vorsitzende Richterin A, die Richter B und C sowie die Richterinnen D und E wegen deren Mitwirkung an den Beschlüssen zur senatsinternen Geschäftsverteilung für die Geschäftsjahre 2020 bzw. 2021 ab; die Nichtigkeitsklage sei auf die Fehlerhaftigkeit der Geschäftsverteilung des 9. Senats gestützt, weshalb die abgelehnten Richterinnen und Richter - wie auch das Schreiben der Vorsitzenden Richterin A vom 21. Juni 2021 zeige - nicht unvoreingenommen hierüber entscheiden könnten. Dass der Richter F dies nicht selbst angezeigt habe, begründe zusätzlich die Besorgnis der Befangenheit. Auch sei er gehindert, an der Entscheidung über das Ablehnungsgesuch mitzuwirken, da er andernfalls über einen Ablehnungsgrund entscheiden müsse, der auch gegen ihn selbst geltend gemacht werde. Schließlich ergebe sich ein weiterer Ablehnungsgrund gegen Richter F daraus, dass das Auskunftsbegehren der Kläger vom 16. Juni 2021 noch nicht erledigt worden sei.

II

6 Die Ablehnungsgesuche, über die unter Mitwirkung des abgelehnten Richters am Bundesverwaltungsgericht F (1.) ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung (2.) entschieden werden kann, haben keinen Erfolg (3.).

7 1. Über die Ablehnungsgesuche entscheidet der Senat gemäß § 10 Abs. 3 Halbs. 2 VwGO in seiner im Präsidiumsbeschluss nach § 21e Abs. 1 GVG vom 13. Dezember 2021 (3101 E-23-2021/16) in Abschnitt B. I. und Abschnitt C. III. vorgesehenen Zusammensetzung unter Mitwirkung des abgelehnten Richters am Bundesverwaltungsgericht F. Das grundsätzliche Verbot der Selbstentscheidung (§ 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 45 Abs. 1 ZPO) steht dem nicht entgegen. Denn die Ablehnung des Richters ist unzulässig.

8 a) Ein Ablehnungsgesuch nach § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 42 Abs. 1 und 2 ZPO kann ausnahmsweise unter Mitwirkung abgelehnter Richter verworfen werden, wenn es sich als offenbarer Missbrauch des Ablehnungsrechts darstellt oder sonst offensichtlich unzulässig ist. Davon ist auszugehen, wenn keine geeigneten Befangenheitsgründe vorgetragen werden, vielmehr das Vorbringen von vornherein, d.h. ohne Eingehen auf den Gegenstand des Verfahrens, ersichtlich ungeeignet ist, die Besorgnis der Befangenheit zu rechtfertigen (stRspr, vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 15. Juni 2015 - 1 BvR 1288/14 - juris Rn. 15 ff. und Beschluss vom 20. Juli 2021 - 2 BvE 41/20 u.a. - juris Rn. 35; BVerwG, Beschlüsse vom 29. Januar 2014 - 7 C 13.13 - Buchholz 310 § 54 VwGO Nr. 76 Rn. 5, vom 16. April 2020 - 5 B 15.20 D - juris Rn. 3 und vom 3. August 2021 - 9 B 48.20 - juris Rn. 26).

9 Eine völlige Ungeeignetheit liegt regelmäßig bei Gesuchen vor, die Handlungen des Richters beanstanden, welche nach der Prozessordnung vorgeschrieben sind oder sich ohne Weiteres aus der Stellung des Richters ergeben (vgl. BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 24. Februar 2006 - 2 BvR 836/04 - BVerfGK 7, 325 Rn. 49 und vom 11. März 2013 - 1 BvR 2853/11 - juris Rn. 30). Hierzu zählt die Mitwirkung an der senatsinternen Geschäftsverteilung, die gemäß § 21g GVG allen Berufsrichtern obliegt, die dem Spruchkörper angehören. Dass die Kläger mit ihrer Nichtigkeitsklage Fehler bei der Abfassung der Senatsgeschäftsverteilungspläne für die Jahre 2020 und 2021 geltend machen, rechtfertigt keine abweichende Betrachtung. Die Anwendung und ggf. Auslegung des Geschäftsverteilungsplans liegt der Entscheidung jedes Verfahrens zugrunde (vgl. BVerfG, Plenumsbeschluss vom 8. April 1997 - 1 PBvU 1/95 - BVerfGE 95, 322 <330>; BGH, Beschluss vom 8. Oktober 2014 - 2 StR 104/14 - juris Rn. 6); dies schließt die Möglichkeit der Erkenntnis einer etwaigen Fehlerhaftigkeit ein. Es handelt sich daher auch insoweit um prozessual vorgegebene Handlungen des Richters, die ersichtlich ungeeignet sind, eine Besorgnis der Befangenheit zu begründen.

10 Etwas anderes ergibt sich nicht aus dem Beschluss des Oberlandesgerichts Saarbrücken vom 28. Februar 1994 (5 AR 2/94 - NJW-RR 1994, 763). Dieser betraf einen anders gelagerten Fall. Darin stand der Vorwurf einer nicht lediglich (unbewusst) unvollständigen und deshalb fehlerhaften, sondern einer gänzlich fehlenden festen Geschäftsverteilung innerhalb des Spruchkörpers, d.h. einer Besetzung nach freiem Ermessen des Vorsitzenden, und damit letztlich ein bewusster Verstoß gegen den gesetzlichen Richter gemäß Art. 101 Abs...

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