Sonstige Entscheidungen - Bundesgerichtshof

Published date13 Julio 2023
SectionGerichtlicher Teil
IssuerBundesgerichtshof
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS

XI ZB 17/21

vom
13. Juni 2023
in dem Rechtsstreit

Dr. Kathrin Weißmann, Schwarzwaldstraße 107, Mannheim,
(LG Hamburg: 322 O 487/18),

Musterklägerin und Musterrechtsbeschwerdeführerin,
- Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Scheuch und Lindner -
1.

Dr. Anne Sohns, Coburger Straße 7, Bonn,
für die Erbengemeinschaft nach Erich Horst Sohns,
bestehend aus Dr. Anne Sohns, Judith Sohns und Gertrud Sohns,
(LG Hamburg: 322 O 1/19),

2.

Inge Althoff, Orthstraße 12, Aachen,
(LG Hamburg: 322 O 485/17),

3.

Beate Schönwälder, Schwarzwaldstraße 330 b, Freiburg,
(LG Hamburg: 322 O 48/19),

4.

Detlef Reck, Badener Straße 40, Mannheim,
(LG Hamburg: 322 O 514/18),

5.

Claudia Lometsch, Herkulesstraße 32, Kassel,
(LG Hamburg: 322 O 424/18),

6.

Prof. Dr. Karl-Josef Sabel, Kassernstraße 8, Hofheim,
(LG Hamburg: 322 O 516/18),

Beigeladene und Rechtsbeschwerdeführer,
- Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Scheuch und Lindner -

Beigetretene auf Seiten der Musterrechtsbeschwerdeführerin:

1.

Ingrid Stoppelkamp, Bahnhofstraße 3, Stelle,
(LG Hamburg: 322 O 515/18),

2.

Claudia Grüger, Höhenstraße 19a, Pforzheim,
(LG Hamburg: 318 O 70/18),

3.

Hans-Dieter Schindler, Karl-Böhm-Straße 99, Baldham,
(LG Hamburg: 322 O 423/18),

4.

Bärbel Toeller, Unter den Ulmen 1d, Köln,
(LG Hamburg: 318 O 161/19),

- Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Scheuch und Lindner -

gegen
1.

Wölbern Treuhand GmbH i.L., vertreten durch den Liquidator,
Königstraße 28, Hamburg,

Musterbeklagte und
Musterrechtsbeschwerdegegnerin,
- Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt Dr. Wessels -

2. bis 6. ...

Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. Juni 2023 durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Ellenberger, den Richter Dr. Grüneberg sowie die Richterinnen Dr. Menges, Dr. Derstadt und Ettl

beschlossen:

Die Rechtsbeschwerden der Musterrechtsbeschwerdeführerin und der Rechtsbeschwerdeführer gegen den Musterentscheid des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 30. Juli 2021 werden zurückgewiesen.

Die Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens und die außergerichtlichen Kosten der Musterrechtsbeschwerdegegnerin tragen die Musterrechtsbeschwerdeführerin, die Rechtsbeschwerdeführer und die Beigetretenen wie folgt:

Musterrechtsbeschwerdeführerin 26,06%
Rechtsbeschwerdeführerin zu 1 3,18%
Rechtsbeschwerdeführerin zu 2 4,08%
Rechtsbeschwerdeführerin zu 3 4,63%
Rechtsbeschwerdeführer zu 4 4,12%
Rechtsbeschwerdeführerin zu 5 2,01%
Rechtsbeschwerdeführer zu 6 3,98%
Beigetretene zu 1 5,24%
Beigetretene zu 2 6,29%
Beigetretener zu 3 15,11%
Beigetretene zu 4 25,30%

Ihre außergerichtlichen Kosten im Rechtsbeschwerdeverfahren tragen die Musterrechtsbeschwerdeführerin, die Rechtsbeschwerdeführer und die Beigetretenen selbst.

Der Streitwert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird hinsichtlich der Gerichtskosten auf bis 850.000 € festgesetzt.

Der Gegenstandswert für die außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird für den Prozessbevollmächtigten der Musterrechtsbeschwerdeführerin, der Rechtsbeschwerdeführer und der Beigetretenen auf 397.214,10 € und für den Prozessbevollmächtigten der Musterrechtsbeschwerdegegnerin auf bis 600.000 € festgesetzt.

Gründe:

A.
1.

Die Parteien streiten im Rahmen eines Verfahrens nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG) über die Fehlerhaftigkeit des am 26. August 2008 aufgestellten Prospekts (nachfolgend: Prospekt) zu der "Fünfundsechzigste IFH geschlossener Immobilienfonds für Holland GmbH & Co. KG" (nachfolgend: Fondsgesellschaft).

2.

Gegenstand der Fondsgesellschaft war der Erwerb und Betrieb einer 1996 fertiggestellten Büroimmobilie in Zaandam, Niederlande (nachfolgend: Fondsimmobilie). Diese war zum Zeitpunkt der Erstellung des Prospekts voll vermietet. Mieter war einer der weltweit größten Betreiber von Supermarktketten, der im Jahr 1997 bei einem Umsatz von ca. 28 Mrd. € einen Gewinn von ca. 1,1 Mrd. € erwirtschaftete. Das Unternehmen wurde im Frühjahr 2008 von einer niederländischen Agentur mit der Höchstnote 1 ("hervorragend") geratet. Der Mietvertrag war bis Ende 2023 fest abgeschlossen, wobei die Miete jährlich nach Maßgabe der Steigerung des niederländischen Verbraucherpreisindexes angepasst werden sollte.

3.

Die Rechtsvorgängerin der Musterbeklagten zu 1 und die Musterbeklagte zu 2 waren Gründungsgesellschafterinnen der Fondsgesellschaft. Die Musterbeklagten zu 3 und 6 sind Anlageberater oder -vermittler, die mit dem Vertrieb des Fonds befasst waren. Die Rechtsvorgängerin der Musterbeklagten zu 4 war Alleingesellschafterin der Rechtsvorgängerin der Musterbeklagten zu 1 (im Folgenden einheitlich: Musterbeklagte zu 1).

4.

Der Prospekt enthält soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren von Interesse folgende Angaben:

5.

Auf Seite 10 ist im Prospekt für die Fondsimmobilie ein Mietvervielfältiger, d.h. ein Verhältnis von Jahresnettomiete zum Kaufpreis, mit dem Faktor 14,62 angegeben. Des Weiteren ist dort zum "Vermietungsstand" unter anderem angeführt:

"- 100%ige Vermietung der Immobilie an Ahold N.V./Albert Heijn B.V.

- Mietvertragslaufzeit: bis 31.12.2023"

6.

Auf Seite 11 ist unter dem Punkt "Gutachten" ausgeführt:

"- Der vereinbarte Kaufpreis der Immobilie wurde laut unabhängigem Gutachter CB Richard Ellis (s. "Vertragspartner", S. 120 ff.) zum Zeitpunkt der Bewertung (01.07.2008) für marktgerecht erklärt.

- Die vorliegenden Bauunterlagen sowie das Gebäude wurden von Rietmeijer Huisvestingsadviseurs (s. "Vertragspartner", S. 120 ff.) am 22.07.2008 gutachterlich mit einem positiven Ergebnis ohne Beanstandungen geprüft.

- Die steuerliche Konzeption für die Niederlande wurde durch ein Gutachten einer renommierten international tätigen Anwaltskanzlei bestätigt.

- Weitere Bewertungsgutachten existieren nicht."

7.

Auf Seite 16 des Prospekts finden das Risiko des Totalverlustes der Kapitaleinlage und des Agios Erwähnung sowie unter der Überschrift "Mieterbonität" das Folgende:

"Sämtliche Mietflächen sind an Ahold N.V./Albert Heijn B.V. vermietet. Im Fall eines dauerhaften oder vorübergehenden Mietausfalls oder einer Insolvenz des Mieters könnten sich negative Folgen für die Auszahlungen bzw. den Liquidationserlös ergeben."

8.

Auf Seite 17 findet sich unter der Überschrift "Vermietung" Folgendes:

"Es besteht das Risiko, dass der Mietvertrag außerordentlich vor Ablauf der Festmietzeit gekündigt werden wird oder das Kündigungsrecht durch den Mieter rechtzeitig zum Ablauf der Mietvertragslaufzeit ausgeübt wird, die Optionen auf Verlängerung des Mietverhältnisses mieterseitig nicht ausgeübt werden und die Flächen neu vermietet werden müssen.

Für etwaige Leerstandszeiten hätte die Emittentin zusätzlich die anfallenden Nebenkosten zu tragen. Die mit einer Neuvermietung verbundenen Kosten (z.B. Umbaukosten, Makler) sind in der Prognoserechnung nicht enthalten und würden zu einer entsprechenden Reduktion des Bewirtschaftungsergebnisses der Emittentin führen.

Darüber hinaus besteht das Risiko, dass die Neuvermietung nur zu einem niedrigeren Mietzins durchgeführt werden kann. Auch dies würde eine Reduzierung des Bewirtschaftungsergebnisses und der Auszahlungen der Emittentin zur Folge haben."

9.

Weiter wird auf Seite 17 unter dem Punkt "Wertentwicklung" angegeben:

"Der Verkauf der Immobilie kann von einer Vielzahl von Faktoren negativ beeinflusst werden. Aus diesem Grunde wird im Abschnitt "Liquidationsprognose" auf S. 48 f. dieses Prospektes eine entsprechende Bandbreite bei der Betrachtung möglicher Verkaufsszenarien dargestellt.

Letztendlich besteht das Risiko, dass der Verkaufspreis der Immobilie nicht ausreicht, um das valutierende Fremdkapital der Emittentin vollständig zurückzuführen und somit auch das Eigenkapital nicht zurückgeführt werden kann. Auch bei einer vollständigen Rückführung des Fremdkapitals besteht das Risiko, dass das Eigenkapital nicht vollständig zurückgeführt werden kann."

10.

Auf Seite 18 enthält der Prospekt unter dem Punkt "Altlasten" folgende Aussagen:

"Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass während der Fondslaufzeit Altlasten im Erdreich oder im Grundwasser entdeckt werden, deren Beseitigungskosten zu einer Reduzierung der Auszahlungen führen. Außerdem könnten solche Altlasten zu einer erheblichen Verminderung der Veräußerungsmöglichkeiten bzw. des Veräußerungserlöses führen."

11.

Unter der Überschrift "Liquidationsprognose" wird auf Seite 48 des Prospekts ausgeführt:

"Nachfolgend wird das mögliche Ergebnis der Liquidation nach rund zehn Jahren dargestellt.

Verkaufspreise von Immobilien werden üblicherweise als Vielfaches der Nettojahresmiete dargestellt. Beim Ankauf der Immobilie wurde ein durchschnittlicher Mietvervielfältiger von 14,62 realisiert. Abhängig von konjunkturellen, regionalen und lokalen Entwicklungen und anderen nicht vorhersehbaren wertbildenden Faktoren ist es bei der Veräußerung möglich, dass auch ein anderer Mietvervielfältiger erreicht wird. Aus diesem Grund wird eine Liquidationsrechnung mit verschiedenen Verkaufsfaktoren dargestellt."

12.

Unter dem Punkt "Verkaufspreis" findet sich auf derselben Seite sodann Folgendes:

...

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