Sonstige Entscheidungen - Oberlandesgericht Braunschweig

Published date08 Marzo 2023
SectionGerichtlicher Teil
IssuerOberlandesgericht Braunschweig
Oberlandesgericht Braunschweig

3 Kap 1/16

Hinweisbeschluss

in dem Kapitalanleger-Musterverfahren

Deka Investment GmbH gegen Volkswagen AG und
Porsche Automobil Holding SE
I.

Der Senat geht auch nach Auswertung der Stellungnahmen, die nach der mündlichen Verhandlung vom 29. Juni 2022 eingegangen sind, davon aus, dass die von ihm in Aussicht gestellte Beweiserhebung zum Kenntnisstand des Vorstands der Musterbeklagten zu 1) über den Einbau von unzulässigen Abschalteinrichtungen erforderlich ist, um die Frage der Haftung dem Grunde nach beantworten zu können. Das gilt nach Auffassung des Senats im Hinblick auf sämtliche Anspruchsgrundlagen, die Gegenstand der Feststellungsziele sind.

1. Der Senat hält insbesondere an den Ausführungen im Beschluss vom 18. November 2021 zur – rechtlich nicht gebotenen – Zurechnung des Wissens von Mitarbeitern der Musterbeklagten zu 1) fest, denen im Hinblick auf die Ad-hoc-Mitteilungspflicht der Musterbeklagten zu 1) keine leitende Funktion zugewiesen war. Die Stellungnahmen der Klägerseite zu den Fragen der „Wissenszurechnung“ bzw. „Wissenszusammenrechnung“ und zur Verletzung etwaiger „Wissensorganisationspflichten“ durch die Musterbeklagte zu 1) führen zu keiner abweichenden Beurteilung.

Der Senat weist hierzu zusammenfassend noch einmal auf Folgendes hin:

Der Senat hält weiterhin an seiner Rechtsauffassung fest, dass der objektive Tatbestand des § 37b Abs. 1 WpHG a. F. keine Kenntnis der Vorstandsmitglieder voraussetzt (vgl. Anlage 2 zum Sitzungsprotokoll vom 25. März 2019, S. 6; Hinweisbeschluss vom 18. November 2021, S. 28 = juris, Rn. 90). Im Hinblick auf die Erfüllung des objektiven Tatbestands des § 37b Abs. 1 WpHG a. F. kommt es deshalb auf die aufgeworfenen Fragen zur Wissenszurechnung bzw. Wissensorganisation nicht an.

Gleiches gilt für die Frage einer etwaigen Zurechnung des Wissens von Personen außerhalb des aktienrechtlichen Vorstands. Der Senat hält auch unter Berücksichtigung der weitergehenden Stellungnahmen der Beteiligten an seiner Rechtsauffassung fest, dass die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze der Wissenszu(sammen)rechnung weder bei Ansprüchen aus § 826 BGB noch bei Ansprüchen aus § 37b Abs. 1 WpHG a. F. zur Anwendung kommen (vgl. Hinweisbeschluss vom 18. November 2021, S. 23 ff. = juris, Rn. 76 ff.). Auch wenn eine Verletzung der Wissensorganisationspflichten vorläge, würde dies somit nicht zu einer Wissenszurechnung führen. Auch unter diesem Aspekt kommt es auf die Ausführungen zu einer etwaigen Wissensorganisationspflichtverletzung deshalb nicht an.

Der Senat hat sich auch nochmals mit den weitergehenden und vertieften Ausführungen der Beteiligten zu der Frage befasst, ob die Bereichsleiter Aggregateentwicklung, die Markenvorstände und/oder die Mitglieder des Ausschusses für Produktsicherheit als verfassungsmäßige Vertreter im Sinne von § 31 BGB auch für Ad-hoc-Mitteilungspflichten der Musterbeklagten zu 1) einzuordnen sind. Auch insoweit hält der Senat an seiner bislang geäußerten Rechtsauffassung fest (vgl. Hinweisbeschluss vom 18. November 2021, S. 19 ff.; Sitzungsprotokoll vom 29. Juni 2022, S. 9).

Das Vorbringen der Klägerseite zur Wissensorganisationspflicht bzw. deren etwaige Verletzung durch die Musterbeklagte zu 1) sind vor diesem Hintergrund nach der Bewertung des Senats „nur“ insoweit relevant, als sich hieraus eine eigene Organisationspflichtverletzung des aktienrechtlichen Vorstands ergeben kann. Eine solche könnte zu einer Haftung aus § 826 BGB bzw. § 37b WpHG a. F. führen. Der aktienrechtliche Vorstand hat – entgegen der Auffassung der Musterbeklagten – eine Informationsbeschaffungs- und Wissensorganisationspflicht (vgl. Anlage 2 zum Sitzungsprotokoll vom 25. März 2019, S. 20 f.; Hinweisbeschluss vom 18. November 2021, S. 21 f. = juris, Rn. 71). Eine Verletzung dieser Pflichten löste aber nur dann eine Haftung der Musterbeklagten zu 1) aus, wenn es sich um eine vorsätzliche (§ 826 BGB) oder (nicht ausschließbar) grob fahrlässige (§ 37b Abs. 2 WpHG a. F.) Organisationspflichtverletzung des aktienrechtlichen Vorstands handelte.

Die von der Klägerseite vorgetragenen Gesichtspunkte genügen nach Einschätzung des Senats nicht, um von einer vorsätzlichen Organisationspflichtverletzung des hier relevanten Personenkreises ausgehen zu können. Auch eine (nicht ausschließbar) grob fahrlässige...

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