Urteil Nr. B 10 EG 6/18 R des Bundessozialgericht, 2019-03-28

Judgment Date28 Marzo 2019
ECLIDE:BSG:2019:280319UB10EG618R0
Judgement NumberB 10 EG 6/18 R
CourtDer Bundessozialgericht (Deutschland)
Elterngeld - Einkommensermittlung - alleinerziehender Vater - selbstständige Tätigkeit - negative Einkünfte aus Gewerbebetrieb - letzter abgeschlossener steuerlicher Veranlagungszeitraum - keine ungeschriebene Ausnahme - Wechsel des Bemessungszeitraums wegen vorzeitiger Notgeburt - tödliche Krebserkrankung der Mutter - Verfassungsrecht - Gleichheitssatz - Ungleichbehandlung von Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit und nichtselbstständiger Tätigkeit - unterschiedliche Bemessungszeiträume - Elterngeld für Partnermonate - Minderung des Einkommens aus Erwerbstätigkeit - Bemessungszeitraum für Basiselterngeld als maßgeblicher Vergleichszeitraum
Leitsätze

1. Bei Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit bemisst sich das Elterngeld grundsätzlich auch dann nach dem Einkommen im letzten abgeschlossenen Veranlagungszeitraum vor der Geburt des Kindes, wenn die berechtigte Person mit ihrer Tätigkeit nur Verluste erzielt.

2. Die Festlegung unterschiedlicher Bemessungszeiträume für das Elterngeld bei Einkommen aus nichtselbstständiger Tätigkeit einerseits und Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit andererseits verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Grundgesetzes.

3. Für die Einkommensminderung bei Elterngeld für Partnermonate kommt es auf den Vergleich mit den Einkünften im Bemessungszeitraum des Basiselterngelds an.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 15. Mai 2018 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 22. Januar 2018 abgewiesen wird.

Außergerichtliche Kosten sind in allen Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Höhe und Bezugsdauer von Elterngeld (Basiselterngeld und Elterngeld Plus).

Der Kläger lebt mit seinem am 30.11.2015 geborenen Sohn A (A) und seinem weiteren am 19.6.2012 geborenen Sohn E in einem gemeinsamen Haushalt. Seine Ehefrau verstarb am 18.12.2015 an den Folgen einer Krebserkrankung. Der Kläger ist selbstständig und betreibt eine Kfz-Werkstatt. Im Jahr 2014 erzielte er negative Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 32 766 Euro (Einkommensteuerbescheid vom 23.2.2016) und im Jahr 2015 positive Einkünfte in Höhe von 37 348 Euro (Einkommensteuerbescheid vom 16.2.2017).

Unter dem 10.3.2016 beantragte der Kläger Elterngeld für die ersten 14 Lebensmonate des A und Elterngeld Plus für dessen 15. bis 18. Lebensmonat. Er gab an, dass er seine selbstständige Tätigkeit im Umfang von 26 Wochenstunden weiter ausüben werde. Mit Bescheid vom 14.6.2016 bewilligte die Beklagte dem Kläger wegen der Negativeinkünfte des Kalenderjahres 2014 Elterngeld für den 1. bis 12. Lebensmonat des A lediglich in Höhe des Mindestbetrags von 300 Euro monatlich. Den Antrag auf Elterngeld für zwei zusätzliche Partnermonate (13. und 14. Lebensmonat des A) lehnte die Beklagte ab, weil sich das Einkommen des Klägers in den beantragten Monaten im Vergleich zu seinen Einkünften im Kalenderjahr 2014 nicht reduziert habe. Die Bewilligung von Elterngeld Plus für vier Partnerschaftsbonusmonate (15. bis 18. Lebensmonat des A) in Höhe von 150 Euro monatlich erfolgte vorläufig. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23.3.2017 zurück.

Das SG hat mit Urteil vom 9.8.2017 die Klage abgewiesen. Mit Bescheid vom 22.1.2018 hat die Beklagte das Elterngeld Plus in bisheriger Höhe endgültig bewilligt.

Das LSG hat mit Urteil vom 15.5.2018 die Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger habe allein Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit erzielt. Als Bemessungszeitraum sei daher als letzter abgeschlossener steuerlicher Veranlagungszeitraum vor der Geburt des A das Kalenderjahr 2014 zugrunde zu legen. Die einschlägige Bestimmung des § 2b Abs 2 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG) verstoße nicht gegen Verfassungsrecht. Das Grundgesetz (GG) gebiete nicht, für jede denkbare persönliche Härte, die im Fall des Klägers vorliege, eine Ausnahmeregelung vorzusehen. Wegen der negativen Einkünfte im Bemessungszeitraum stehe ihm nur der Mindestbetrag zu. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Elterngeld für den 13. und 14. Lebensmonat des A. Zwar sei entgegen der Auffassung des SG die Ablehnung des Elterngelds für diese Monate nicht bestandskräftig geworden. Beim Kläger sei jedoch in diesen Monaten keine Minderung seines Einkommens aus Erwerbstätigkeit zu verzeichnen. Denn er habe im als Vergleichszeitraum auch hier heranzuziehenden Kalenderjahr 2014 nur negative Einkünfte erzielt. Hinsichtlich des Elterngeld Plus sei allein über den Bescheid der Beklagten vom 22.1.2018 zu entscheiden, weil dieser im Berufungsverfahren als endgültiger Verwaltungsakt die vorläufige Festsetzung des Elterngeld Plus ersetzt habe. Dessen Höhe sei angesichts der zutreffenden Festlegung des Bemessungszeitraums nicht zu beanstanden.

Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung materiellen Rechts. Die Bemessung des Elterngelds habe nach seinem Einkommen in den 12 Monaten vor dem Geburtsmonat des A erfolgen müssen. In seinem Einzelfall sei wegen der erheblichen finanziellen Nachteile eine teleologische Reduktion des § 2b BEEG geboten, weil sich bei Heranziehung der 12 Monate vor dem Geburtsmonat nach § 2b Abs 1 BEEG ein um mehr als 20 % höherer Elterngeldanspruch als bei der Berechnung nach Maßgabe der nach § 2b Abs 2 BEEG vorgesehenen Ermittlung der Bemessungseinkünfte anhand des vorausgegangenen Kalenderjahres ergeben würde. Aufgrund der schwierigen familiären Umstände vor und nach der Geburt des A durch die Krebserkrankung und den Tod der Mutter liege zudem ein Härtefall vor, der ebenfalls eine Bemessung seines Einkommens unter Anwendung des § 2b Abs 1 BEEG gebiete. Auch habe er Anspruch auf Elterngeld für den 13. und 14. Lebensmonat des A nach § 4 Abs 6 BEEG. Im Vergleich zu seinen Einkünften im Jahr 2015 liege bei ihm in diesen Monaten eine Minderung seines Einkommens aus Erwerbstätigkeit vor.

Der Kläger beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 15. Mai 2018 und des Sozialgerichts Karlsruhe vom 9. August 2017 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 14. Juni 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. März 2017 sowie des Bescheids vom 22. Januar 2018 zu verurteilen, dem Kläger für seinen Sohn A auf der Basis seines Einkommens in den zwölf Monaten vor dessen Geburt
1. höheres Elterngeld für dessen 1. bis 12 Lebensmonat,
2. Elterngeld auch für dessen 13. und 14. Lebensmonat und
3. höheres Elterngeld Plus für dessen 15. bis 18. Lebensmonat
zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil des LSG.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision des Klägers ist nicht begründet und deshalb zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 S 1 SGG).

Zu Recht haben die Vorinstanzen dem Klagebegehren des Klägers nicht entsprochen. Der Bescheid der Beklagten vom 14.6.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.3.2017 und der Bescheid vom 22.1.2018 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf höheres Basiselterngeld für den 1. bis 12. Lebensmonat seines Sohnes A. Er kann auch kein Elterngeld für dessen 13. und 14. Lebensmonat (Partnermonate) beanspruchen. Ebenso wenig hat er einen Anspruch auf höheres Elterngeld Plus für den 15. bis 18. Lebensmonat des A (Partnerschaftsbonusmonate).

A. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 14.6.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.3.2017 (§ 95 SGG), mit dem die Beklagte zum einen dem Kläger Basiselterngeld für den 1. bis 12. Lebensmonat des A auf Grundlage seiner negativen Einkünfte im als Bemessungszeitraum zugrunde gelegten Kalenderjahr 2014 in Höhe von 300 Euro bewilligt und zum anderen Elterngeld für den 13. bis 14. Lebensmonat des A (Partnermonate) abgelehnt hat. Hiergegen wendet sich der Kläger zulässigerweise mit einer auf den Erlass eines Grundurteils iS des § 130 Abs 1 SGG gerichteten kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage für den Zeitraum 1. bis 12. Lebensmonat des A auf Gewährung höheren Elterngelds und für den Zeitraum 13. und 14. Lebensmonat des A auf Bewilligung von Elterngeld (§ 54 Abs 1 S 1 und Abs 4, § 56 SGG; vgl hierzu Senatsurteil vom 21.6.2016 - B 10 EG 8/15 R - BSGE 121, 222 = SozR 4-7837 § 2b Nr 1, RdNr 14 mwN).

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist darüber hinaus aber auch der Bescheid der Beklagten vom 22.1.2018, mit dem sie Elterngeld Plus für den 15. bis 18. Lebensmonat des A (Partnerschaftsbonusmonate) in Höhe von 150 Euro monatlich endgültig bewilligt hat. Diesbezüglich ist das LSG zutreffend davon ausgegangen, dass allein über den Bescheid der Beklagten vom 22.1.2018 zu entscheiden und dieser nach § 153 Abs 1, § 96 Abs 1 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden ist. Denn der Bescheid vom 22.1.2018 hat als endgültiger Verwaltungsakt die vorläufige Festsetzung des Elterngeld Plus für den 15. bis 18. Lebensmonat des A im Ausgangsbescheid vom 14.6.2016 insoweit ersetzt und zu deren Erledigung geführt (§ 39 Abs 2 SGB X), ohne dass es einer gesonderten Aufhebung bedarf (vgl Senatsurteil vom 29.6.2017 - B 10 EG 4/16 R - BSGE 123, 276 = SozR 4-7837 § 2f Nr 1, RdNr 11). Auch insoweit hat der Kläger zulässigerweise eine auf den Erlass eines Grundurteils gerichtete kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage erhoben. Allerdings hätte das LSG über den Bescheid vom 22.1.2018 nicht auf Berufung, sondern erstinstanzlich "auf Klage" entscheiden müssen (vgl stRspr, zB BSG Urteil vom 7.2.2012 - B 13 R 85/09 R - SozR 4-1200 § 52 Nr 5 RdNr 36).

B. Die zulässigen Klagen sind unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf höheres Basiselterngeld für den 1. bis 12. Lebensmonat des A, insbesondere nicht auf der Grundlage eines anderen Bemessungszeitraums als des Kalenderjahres 2014 (dazu unter 1.). Er hat auch keinen Anspruch auf Elterngeld für den 13. und 14. Lebensmonat des A in Gestalt...

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