Urteil Nr. B 13 R 3/17 R des Bundessozialgericht, 2018-05-25

Judgment Date25 Mayo 2018
ECLIDE:BSG:2018:250518UB13R317R0
Judgement NumberB 13 R 3/17 R
CourtDer Bundessozialgericht (Deutschland)
Rückforderung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung - nachträgliche Bewilligung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung - Befriedigung der Erstattungsansprüche anderer Leistungsträger - Nachzahlung übersteigender Rückforderungsbetrag - atypischer Fall
Leitsätze

Ein atypischer Fall kann vorliegen, wenn bei nachträglicher Bewilligung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung die Rückforderung wegen der zuvor bewilligten Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung die nach Befriedigung der Erstattungsansprüche anderer Leistungsträger verbleibende Nachzahlung übersteigt.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 20. Dezember 2016 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

Im Streit stehen die Rücknahme eines Verwaltungsakts über Zahlungsansprüche aus einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung aufgrund einer später - zum Teil mit Wirkung für denselben Zeitraum - bewilligten Rente wegen voller Erwerbsminderung und eine daraus folgende Erstattungsforderung.

Der beklagte Rentenversicherungsträger bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 6.2.2007 eine unbefristete Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung ab dem 1.9.2006 iHv monatlich 525,28 Euro. Mit Bescheid vom 4.7.2012 bewilligte er ihr rückwirkend ab dem 1.10.2011 "anstelle" der bisherigen Rente eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, ab 1.9.2012 mit einem monatlichen Auszahlungsbetrag iHv 1172,84 Euro. Zugleich hob die Beklagte den Bescheid vom 6.2.2007 "hinsichtlich des Zahlungsanspruchs" für die Zeit ab 1.10.2011 auf und stellte für den Zeitraum vom 1.10.2011 bis 31.8.2012 eine zu erstattende Überzahlung iHv 6337,76 Euro fest (Anlage 10 des Bescheids vom 4.7.2012). Sie wies darauf hin, dass die Nachzahlung für die Zeit vom 1.10.2011 bis 31.8.2012 iHv 12 675,61 Euro vorläufig nicht ausgezahlt werde, da zunächst Ansprüche der Krankenkasse der Klägerin zu klären seien.

Nachdem sie der Krankenkasse von dem neben der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung für die Zeit vom 31.10.2011 bis 28.6.2012 gezahlten Krankengeld (insgesamt 11 412,25 Euro) entsprechend deren Gesuch 9142,66 Euro erstattet hatte, hob die Beklagte den Bescheid über die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung vom 6.2.2007 "hinsichtlich des Zahlungsanspruchs für die Zeit ab 1.10.2011" (erneut) auf und stellte (nochmals) eine zu erstattende Überzahlung iHv 6337,76 Euro fest. Die Forderung aus der "Überzahlung" dieser Rente rechnete sie gegen den nach Erfüllung des Erstattungsanspruchs der Krankenkasse noch verbliebenen Nachzahlungsanspruch aus der Rente wegen voller Erwerbsminderung auf. Schließlich forderte sie von der Klägerin die Erstattung der "restliche(n) Überzahlung" iHv noch 2804,81 Euro (Bescheid vom 10.8.2012). Die Widersprüche der Klägerin gegen die Bescheide vom Juli und August 2012 blieben ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 17.4.2013).

Die hiergegen gerichtete Klage hat das SG abgewiesen (Urteil vom 19.5.2015). Auf die Berufung der Klägerin hat das LSG das Urteil des SG und die Bescheide der Beklagten vom 4.7.2012 und 10.8.2012 jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.4.2013 aufgehoben, "soweit eine Erstattungsforderung in Höhe von 2804,81 EUR festgesetzt wurde". Zur Begründung hat es ua ausgeführt, die Aufhebungsentscheidungen seien teilweise rechtswidrig. Zwar habe die Klägerin mit der höheren Rente wegen voller Erwerbsminderung ab Oktober 2011 Einkommen erzielt, welches nach § 89 SGB VI zum Wegfall des Anspruchs auf Zahlung der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung geführt habe. Deshalb habe die Beklagte den Auszahlungsanspruch aus dieser Rente nach § 48 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB X aufheben dürfen, jedoch wegen des zuvor befriedigten Erstattungsanspruchs der Krankenkasse nur in Höhe des der Klägerin danach verbliebenen Nachzahlungsbetrags iHv 3532,95 Euro (Urteil vom 20.12.2016).

Mit der Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 48 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB X. Noch zutreffend gehe das angefochtene Urteil des LSG davon aus, dass sie den Bescheid vom 6.2.2007 grundsätzlich nach § 48 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB X habe aufzuheben dürfen. Entgegen der Auffassung des LSG habe sie aber einen Anspruch auf Erstattung der insgesamt überzahlten 6337,76 Euro. Nur wenn sie berechtigt sei, von der Klägerin auch die streitbefangenen 2804,81 Euro zurückzufordern, verbleibe dieser per Saldo (gezahlte Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung zzgl Krankengeld abzgl Erstattungsforderung) der Leistungsumfang, der ihr von Rechts wegen zustehe, und ihr - der Beklagten - kein finanzieller Nachteil.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 20. Dezember 2016 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 19. Mai 2015 zurückzuweisen.

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist zulässig und im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung an das LSG (§ 170 Abs 4 S 1 SGG) begründet. Der Senat vermochte auf Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht abschließend darüber zu befinden, ob dieses das klageabweisende Urteil des SG und die angefochtenen Bescheide der Beklagten zu Recht teilweise aufgehoben hat.

1. Gegenstand des Rechtsstreits im Revisionsverfahren ist im Hinblick auf die allein von der Beklagten eingelegten Revision deren Bescheid vom 10.8.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.4.2013 nur noch in dem Umfang, in dem das LSG diesen aufgehoben hat. Die im Bescheid vom 4.7.2012 verlautbarten Verwaltungsakte über die vollständige Aufhebung des Zahlungsanspruchs aus der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung für die Zeit ab 1.10.2011 sowie über die vollständige Erstattung der sich hieraus bis zum 31.8.2012 ergebenden Überzahlung iHv 6337,76 Euro sind durch die gleichlautenden Verwaltungsakte des Bescheids vom 10.8.2012 in Gänze ersetzt worden (sog Zweitbescheid, vgl hierzu zB BSG Urteil vom 7.4.2016 - B 5 R 26/15 R - SozR 4-2600 § 89 Nr 3 RdNr 18 ff mwN) und dadurch "auf andere Weise erledigt" (§ 39 Abs 2 SGB X).

Diese beiden Verwaltungsakte des Bescheids vom 10.8.2012 hat das LSG (nur) teilweise aufgehoben. Denn unter Heranziehung der Gründe ist der Tenor des angegriffenen Urteils ("soweit eine Erstattungsforderung in Höhe von 2804,81 EUR festgesetzt wurde") dahingehend auszulegen (zur Auslegung von Urteilen vgl zB BSG Urteil vom 21.6.2016 - B 10 EG 3/15 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 31 RdNr 11 mwN), dass die Aufhebung nicht nur die Feststellung eines Erstattungsanspruchs durch die Beklagte, sondern auch den diesem Anspruch zugrundeliegenden Verwaltungsakt über die Aufhebung des Zahlungsanspruchs aus der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung erfassen...

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