Urteil Nr. B 6 KA 7/19 R des Bundessozialgericht, 2019-12-11

Judgment Date11 Diciembre 2019
ECLIDE:BSG:2019:111219UB6KA719R0
Judgement NumberB 6 KA 7/19 R
CourtDer Bundessozialgericht (Deutschland)
Tenor

Auf die Revision der Beklagten werden die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 30. Januar 2019 und des Sozialgerichts Marburg vom 5. November 2014 vollständig aufgehoben. Die Klage wird in vollem Umfang abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits für alle Rechtszüge zu tragen.

Tatbestand

Umstritten ist die Höhe des Abzugs vom vertragsärztlichen Honorar, den die Klägerin in der Zeit vom 1.7.2012 bis zum 30.6.2013 für die Zwecke der Erweiterten Honorarverteilung (EHV) hinzunehmen hat. In der Hauptsache streiten die Beteiligten darum, ob das für die EHV der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) relevante Honorar der Klägerin richtig berechnet worden ist.

Die Klägerin betreibt in der Rechtsform einer GmbH ein medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) mit Praxissitz in F.. Seit dem 1.10.2011 ist dort die Fachärztin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie H. (H) als angestellte Ärztin tätig. Umstritten ist, wie die von der Klägerin zu tragende EHV-Umlage zugunsten dieser angestellten Ärztin zu berechnen ist.

Nachdem die Beklagte ursprünglich die angestellte Ärztin H in die Beitragsklasse 4 eingestuft hatte, korrigierte sie diese Entscheidung mit Bescheid vom 26.7.2013 und nahm eine Einstufung in die Beitragsklasse 1 (niedrigste Beitragsklasse) vor. Nach einem Vorstandsbeschluss seien bei Fehlen eines Vergleichshonorars im Vorvorjahr die Ausgangswerte des Jahres 2011 heranzuziehen, gegebenenfalls die ersten vier Quartale seit Aufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit. Daraufhin teilte die Klägerin mit, die Einstufung in die (niedrigste) Beitragsklasse 1 werde nicht mehr gerügt. Sie halte aber daran fest, dass sie als MVZ prinzipiell nicht der Beitragspflicht für die EHV unterliege, zumal ganz unbestimmt sei, welche Umsätze ihres MVZ bezogen auf den einzelnen Arzt für die Zwecke der EHV zu berücksichtigen seien.

Als einzige KÄV in der Bundesrepublik Deutschland gewährleistet die Beklagte im Wege der EHV in begrenztem Umfang auch die Versorgung ehemaliger Vertragsärzte und ihrer Hinterbliebenen. In Hessen wird die Altersversorgung der Vertragsärzte - anders als in allen anderen KÄV-Bezirken - sowohl über das Versorgungswerk der Landesärztekammer Hessen als auch über die KÄV sichergestellt. Nach § 8 des Gesetzes über die KÄV und KZÄV Hessen (KVHG - vom 22.12.1953, GVBl für das Land Hessen S 206, in der Neufassung durch das Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die KÄV und KZÄV Hessen vom 14.12.2009, GVBl für das Land Hessen I S 662) sorgt die KÄV Hessen "im Rahmen ihrer Satzung für eine wirtschaftliche Sicherung der invaliden und alten Vertragsärztinnen oder Vertragsärzte und Hinterbliebenen von Vertragsärztinnen oder Vertragsärzten. Diese Sicherung kann auch durch besondere Honorarverteilungsgrundsätze geregelt werden". Bundesgesetzliche Grundlage für die landesrechtliche Vorschrift des § 8 KVHG ist die nach wie vor geltende Regelung des Art 4 § 1 Abs 2 Satz 2 des Gesetzes über das Kassenarztrecht (GKAR) vom 17.8.1955 (BGBl I 513). Danach bleiben die landesrechtlichen Regelungen über die "Altersversorgung der Kassenärzte" unberührt. Diese Vorschrift schützt die bei Inkrafttreten dieses Gesetzes bereits bestehenden Versorgungseinrichtungen von Vertragsärzten.

Satzungsrechtliche Grundlage der auf § 8 Abs 1 Satz 2 KVHG beruhenden EHV sind die "Grundsätze der erweiterten Honorarverteilung (GEHV)", die die Vertreterversammlung (VV) der beklagten KÄV beschließt. Diese waren bereits wiederholt Gegenstand der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 24.10.1984 - 6 RKa 25/83 - USK 84267; Urteil vom 9.12.2004 - B 6 KA 44/03 R - BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2; Urteil vom 16.7.2008 - B 6 KA 38/07 R - BSGE 101, 106 = SozR 4-2500 § 85 Nr 43; Urteil vom 19.2.2014 - B 6 KA 10/13 R - SozR 4-2500 § 85 Nr 79; Urteil vom 12.12.2018 - B 6 KA 53/17 R - zur Veröffentlichung in SozR 4-2500 § 87b Nr 19 vorgesehen).

In der Vergangenheit und wieder ab dem 1.1.2017 wurde bzw wird der für die Leistungen aus der EHV an die früheren Vertragsärzte erforderliche Finanzbedarf durch eine Umlage der Vertragsärzte aufgebracht, die sich nach einem variablen Vomhundertsatz des über die Beklagte abgerechneten Umsatzes aus der vertragsärztlichen Tätigkeit ergibt. Der Vomhundertsatz hat sich jahrelang um 5 % bewegt und ist 2019 auf 6,92 % angestiegen. Für die Zeit vom 1.7.2012 bis zum 31.12.2016 hat die Beklagte das System eines prozentualen Abzugs vom Umsatz durch ein System von neun Beitragsklassen ersetzt. Die Einstufung in eine der Beitragsklassen erfolgt nach dem Verhältnis zwischen dem Umsatz des einzelnen Arztes zum Durchschnittsumsatz der hessischen Vertragsärzte, der sich im für den hier streitbefangenen Zeitraum maßgeblichen Referenzjahr 2010 auf ca 205 389 Euro und im Quartalsdurchschnitt auf ca 51 347 Euro belief. Hinsichtlich der Ärztin H ist die Klägerin in die niedrigste Beitragsklasse eingestuft worden; diese erfasst Ärzte mit weniger als 25 % des Durchschnittsumsatzes. Die Umlage in dieser Beitragsklasse betrug 627 Euro im Quartal und 2508 Euro im Jahr.

Das SG hat die Beklagte verpflichtet, über die Festsetzung der Umlage der Klägerin zur EHV im Hinblick auf die angestellte Ärztin H unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen, soweit sie auf die Feststellung gerichtet war, dass die Klägerin bezogen auf die Umsätze von H überhaupt keine Honorarabzüge für Zwecke der EHV hinzunehmen habe.

Beide Seiten haben das Urteil mit der Berufung angefochten. Das LSG hat durch die Berichterstatterin als Einzelrichterin das sozialgerichtliche Urteil dahin geändert, dass die Beklagte über das SG-Urteil hinausgehend verpflichtet wurde, die einbehaltenen Beträge für die vier streitigen Quartale in Höhe von 2508 Euro wieder an die Klägerin auszuzahlen. Im Übrigen - also hinsichtlich der begehrten Feststellung, für angestellte Ärzte überhaupt keine Umlage für die EHV leisten zu müssen - hat das LSG die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Auch die Berufung der Beklagten hat nur im Hinblick auf eine Neubescheidung Erfolg gehabt.

Das LSG hat seine Entscheidung zu Lasten der Beklagten allein mit der Erwägung begründet, § 3 Abs 1 GEHV biete derzeit keine Grundlage für die Festsetzung der Umlage für die Zwecke der EHV. Die Norm ermögliche keine angemessene Berücksichtigung von besonders hohen Kosten für einzelne Arztgruppen und bestimmte ärztliche Leistungen. Zwar sei die Klägerin grundsätzlich verpflichtet, Abzüge für die EHV hinzunehmen, und auch das Beitragsklassensystem sei - soweit es auf die Klägerin anzuwenden sei - mit höherrangigem Recht vereinbar. Die Klägerin könne jedoch nur auf...

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