Urteil Nr. B 8 SO 28/16 R des Bundessozialgericht, 2018-07-05

Judgment Date05 Julio 2018
ECLIDE:BSG:2018:050718UB8SO2816R0
Judgement NumberB 8 SO 28/16 R
CourtDer Bundessozialgericht (Deutschland)
Sozialhilfe - Klage gegen eine Entscheidung der Schiedsstelle nach § 80 SGB XII - Vergütungsvereinbarung mit einer WfbM - Höhe des Investitionsbetrages - Erfüllung der Aufgaben und der fachlichen Anforderungen der Werkstatt - Kosten für die Erweiterung um neue Werkstattplätze - Bindung an die Anerkennung als WfbM - Bindung an die Zustimmung zu den Investitionsmaßnahmen
Leitsätze

1. Zu den vollständig zu berücksichtigenden Investitionskosten für die Erfüllung der Aufgaben und der fachlichen Anforderungen einer Werkstatt für behinderte Menschen gehören die Kosten für die Erweiterung der Werkstatt um neue Werkstattplätze auch, wenn damit die wirtschaftliche Betätigung am Markt erst ermöglicht wird.

2. Mit dem Einwand, das mit einer Erweiterung entstandene Unternehmen entspreche nicht den Grundsätzen einer Werkstatt für behinderte Menschen, ist ein Sozialhilfeträger ausgeschlossen, soweit er den Investitionsmaßnahmen zuvor zugestimmt hat.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 18. August 2016 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 171 500,50 Euro festgesetzt.

Tatbestand

Im Streit ist die Entscheidung einer Schiedsstelle über die Höhe des Investitionsbetrags als Teil der Vergütung von Leistungen der Eingliederungshilfe in einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII).

Die Beklagte ist Träger einer WfbM, die im Kreisgebiet des Klägers gelegen ist und geistig, körperlich, seelisch und mehrfach behinderte Menschen mit dem Ziel der Eingliederung in das Arbeitsleben betreut. Sie erbat im Jahr 2009 vom Kläger unter Hinweis auf einen Kostenvoranschlag über insgesamt 4 410 000 Euro die Zustimmung zu einer Erweiterung der Werkstatt zum Betrieb einer Großküche und einer Großwäscherei; der Kläger stimmte zu (Bescheide vom 10.6.2009 und 4.12.2009). Die Beklagte erweiterte sodann die Werkstatt um 70 Plätze im Arbeitsbereich und tätigte insoweit Investitionen ua für allgemeine und besondere Haustechnik in Höhe von 2 552 623 Euro. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) erkannte nach Abschluss der Erweiterung für die WfbM nach § 142 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX; hier in der bis zum 31.12.2016 geltenden Fassung, im Folgenden: aF) eine der beantragten Erweiterung entsprechende Platzzahl (231 Plätze insgesamt) an (Bescheid vom 12.3.2014).

Zwischen den Beteiligten sowie der BA war eine Leistungs-, Prüfungs- und Vergütungsvereinbarung gemäß §§ 112 ff Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung - (SGB III), §§ 40, 41 SGB IX aF, § 75 Abs 3 SGB XII abgeschlossen worden (Vereinbarung vom 30.4.2012; ergänzende Vereinbarung vom 2.10.2012); danach betrug der Investitionsbetrag zuletzt pro Tag und Platz 3,10 Euro. Wegen der Vergütung war in beiden Verträgen eine Laufzeit bis zum 31.12.2013 vereinbart. Neue Verhandlungen zwischen dem Kläger und der Beklagten über die Vergütung der Maßnahmen im Arbeitsbereich, zu der die Beklagte am 12.7.2013 aufforderte, blieben ohne Erfolg. Die Beklagte beantragte daraufhin bei der Schiedsstelle nach § 80 SGB XII für das Land Brandenburg die Festsetzung eines Investitionsbetrags pro Tag und Platz für die Zeit vom 1.1. bis 31.12.2014 in Höhe von 7,09 Euro (Antrag vom 18.11.2013). Wegen der Höhe der Grund- und Maßnahmepauschale vereinbarten die Beteiligten, den Ausgang des Schiedsverfahrens abzuwarten.

Die Schiedsstelle setzte die zu berücksichtigenden Investitionskosten für den Erweiterungsbau (70 Plätze) pro Jahr in Höhe eines Gesamtbetrags von 434 868 Euro fest. Zur Begründung führte die Schiedsstelle aus, es handele sich bei den Kosten für die technischen Anlagen in der Wäscherei und der Küche um berücksichtigungsfähige Kosten für die Erfüllung der Aufgaben der Werkstatt iS des § 41 Abs 3 Satz 3 Nr 1 SGB IX aF, nicht dagegen um Kosten der wirtschaftlichen Betätigung der Werkstatt nach Nr 2 der Vorschrift; denn ohne die betriebsnotwendigen Anlagen und ihre Ausstattung sei die WfbM nicht denkbar. Die geltend gemachten Kosten seien auch notwendig und entsprächen den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leistungsfähigkeit. Sie seien der Höhe nach plausibel, was auch vom Kläger nicht bestritten werde. Die Kalkulation der Beklagten sei lediglich wegen systematischer Fehler in Einzelheiten zu korrigieren gewesen. Soweit die Kosten gegenüber dem Kostenvoranschlag, der mit der Bitte um Zustimmung beim Kläger vorgelegen habe, erheblich gestiegen seien, habe die Beklagte die Kostensteigerungen im Einzelnen nachvollziehbar begründet. Der Höhe des Investitionsbetrags stehe auch ein externer Vergleich nicht entgegen. Zwar habe der Kläger eine Übersicht über Verträge mit anderen Einrichtungen eingereicht, die einen Höchstbetrag von 4,66 Euro ausweise. Diese Übersicht lasse aber keinen Schluss auf Baujahr und Größe der dortigen Küchen und Wäschereien zu. Der Kläger habe im Übrigen keine tragenden Argumente gegen die Forderung der Beklagten vorgebracht.

Die Klage des Klägers hiergegen hat keinen Erfolg gehabt (Urteil des Landessozialgerichts <LSG> Berlin-Brandenburg vom 18.8.2016). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, die Schiedsstelle habe rechtsfehlerfrei die von der Beklagten geltend gemachten Kosten als solche nach § 41 Abs 3 Satz 3 Nr 1 SGB IX aF angesehen. Ausgehend von den in § 136 SGB IX aF umschriebenen Aufträgen einer WfbM habe der zuständige Rehabilitationsträger - für den Arbeitsbereich also der Träger der Sozialhilfe - den Teil der Investitionen über die Vergütungen zu finanzieren, der der Einbeziehung des behinderten Menschen in den Prozess der Teilhabe am Arbeitsleben und der Eingliederung diene, die Werkstatt dagegen denjenigen Teil, der originär mit der Erwirtschaftung wirtschaftlicher Arbeitsergebnisse und der damit verbundenen Beteiligung am Marktgeschehen verbunden sei. Erteile ein Sozialhilfeträger seine Zustimmung zu Investitionen für den "Bau einer Werkstatt zum Betrieb einer Großküche sowie einer Großwäscherei", müsse er auch die für die fachlichen Anforderungen dieser spezifischen Werkstätte notwendigen Kosten berücksichtigen. Einwände gegen die Höhe der Kosten einzelner technischer Geräte habe der Kläger nicht erhoben. Fehler in den Ausführungen der Schiedsstelle zur Wirtschaftlichkeit der Kosten, die gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar seien, seien nicht erkennbar. Wegen Art, Umfang und Kosten der verwendeten Materialien im Einzelnen habe im Rahmen des Schiedsverfahrens ausreichend Gelegenheit zum Vortrag bestanden, wovon der Kläger aber nur eingeschränkt Gebrauch gemacht habe. Die Schiedsstelle habe sich schließlich in beanstandungsfreier Weise mit dem Vorbringen der Beteiligten auseinandergesetzt und dieses auch in der Begründung dargestellt.

Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung von § 41 Abs 3 Satz 3 Nr 1 SGB IX aF. Es sei von den Kosten für technische Anlagen nur derjenige Anteil als Kosten iS des § 41 Abs 3 Satz 3 Nr 1 SGB IX aF zu berücksichtigen, der der Ausstattung des Betriebs gerade für die Beschäftigung von behinderten Menschen geschuldet sei (etwa besondere Griffe, Haltevorrichtungen, Sicherheitsvorkehrungen etc). Die übrigen Kosten seien als solche anzusehen, die für eine wirtschaftliche Betätigung am Markt notwendig seien. Insoweit dürfe es nicht zu einem Wettbewerbsvorteil durch deren Finanzierung kommen.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 18. August 2016 und die Entscheidung der Schiedsstelle nach § 80 SGB XII für das Land Brandenburg vom 8. Mai 2014 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist zulässig, aber unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz <SGG>). Zu Recht hat das LSG die Klage gegen die Entscheidung der Schiedsstelle abgewiesen.

Streitgegenstand des Revisions-, aber auch des Gerichtsverfahrens insgesamt, ist die Entscheidung der Schiedsstelle, gegen die sich der Kläger - erstinstanzlich beim LSG (§ 29 Abs 2 Nr 1 SGG in der Fassung, die die Norm durch das Gesetz zur Änderung des SGG und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26.3.2008 - BGBl I 444 - erhalten hat) - mit einer Anfechtungsklage wendet (vgl hierzu nur BSGE 116, 227 = SozR 4-3500 § 77 Nr 1, RdNr 11).

Die Entscheidung der Schiedsstelle, die eine Schlichtungsmaßnahme eines sachnahen, weisungsfreien...

Um weiterzulesen

FORDERN SIE IHR PROBEABO AN

VLEX uses login cookies to provide you with a better browsing experience. If you click on 'Accept' or continue browsing this site we consider that you accept our cookie policy. ACCEPT