Urteil vom 05. Mai 2015 - 2 BvL 17/09
ECLI | ECLI:DE:BVerfG:2015:ls20150505.2bvl001709 |
Citation | BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 05. Mai 2015 - 2 BvL 17/09 - Rn. (1-196), |
Judgement Number | 2 BvL 17/09 |
Date | 05 Mayo 2015 |
Court | Constitutional Court (Germany) |
Leitsätze
zum Urteil des Zweiten Senats vom 5. Mai 2015
- 2 BvL 17/09 u.a. -
- Dem weiten Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers bei der praktischen Umsetzung der aus Art. 33 Abs. 5 GG resultierenden Pflicht zur amtsangemessenen Alimentierung der Richter und Staatsanwälte entspricht eine zurückhaltende, auf den Maßstab evidenter Sachwidrigkeit beschränkte verfassungsgerichtliche Kontrolle der einfachgesetzlichen Regelung. Ob die Bezüge evident unzureichend sind, muss anhand einer Gesamtschau verschiedener Kriterien und unter Berücksichtigung der konkret in Betracht kommenden Vergleichsgruppen geprüft werden
- Im Rahmen dieser Gesamtschau liegt es nahe, mit Hilfe von aus dem Alimentationsprinzip ableitbaren und volkswirtschaftlich nachvollziehbaren Parametern einen durch Zahlenwerte konkretisierten Orientierungsrahmen für eine grundsätzlich verfassungsgemäße Ausgestaltung der Alimentationsstruktur und des Alimentationsniveaus zu ermitteln
- Hierzu eignen sich fünf Parameter, die in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Alimentationsprinzip angelegt sind und denen indizielle Bedeutung bei der Ermittlung des verfassungsrechtlich geschuldeten Alimentationsniveaus zukommt (deutliche Differenz zwischen einerseits der Besoldungsentwicklung und andererseits der Entwicklung der Tarifentlohnung im öffentlichen Dienst, des Nominallohnindex sowie des Verbraucherpreisindex, systeminterner Besoldungsvergleich und Quervergleich mit der Besoldung des Bundes und anderer Länder). Ist die Mehrheit dieser Parameter erfüllt (1. Prüfungsstufe), besteht eine Vermutung für eine verfassungswidrige Unteralimentation. Diese Vermutung kann durch die Berücksichtigung weiterer alimentationsrelevanter Kriterien im Rahmen einer Gesamtabwägung widerlegt oder weiter erhärtet werden (2. Prüfungsstufe)
- Ergibt die Gesamtschau, dass die als unzureichend angegriffene Alimentation grundsätzlich als verfassungswidrige Unteralimentation einzustufen ist, bedarf es der Prüfung, ob dies im Ausnahmefall verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein kann. Der Grundsatz der amtsangemessenen Alimentation ist Teil der mit den hergebrachten Grundsätzen verbundenen institutionellen Garantie des Art. 33 Abs. 5 GG. Soweit er mit anderen verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen oder Instituten kollidiert, ist er entsprechend dem Grundsatz der praktischen Konkordanz im Wege der Abwägung zu einem schonenden Ausgleich zu bringen (3. Prüfungsstufe). Verfassungsrang hat namentlich das Verbot der Neuverschuldung in Art. 109 Abs. 3 Satz 1 GG
- Jenseits der verfassungsrechtlich gebotenen Mindestalimentation genießt die Alimentation des Richters oder Staatsanwalts einen relativen Normbestandsschutz. Der Gesetzgeber darf hier Kürzungen oder andere Einschnitte in die Bezüge vornehmen, wenn dies aus sachlichen Gründen gerechtfertigt ist
- Die Festlegung der Besoldungshöhe durch den Gesetzgeber ist an die Einhaltung prozeduraler Anforderungen geknüpft. Diese Anforderungen treffen ihn insbesondere in Form von Begründungspflichten.
Verkündet
am 5. Mai 2015
Kunert
Amtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvL 17/09 -
- 2 BvL 18/09 -
- 2 BvL 3/12 -
- 2 BvL 4/12 -
- 2 BvL 5/12 -
- 2 BvL 6/12 -
- 2 BvL 1/14 -
zu der verfassungsrechtlichen Prüfung,
ob die auf §§ 1 Absatz 1 Nummer 2, Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 Nummer 2 und 4, 37 Absatz 1, 38 Absatz 1 in Verbindung mit Anlage IV Nummer 4 Bundesbesoldungsgesetz in den Fassungen der Bekanntmachungen vom 6. August 2002 und vom 10. September 2003 in Verbindung mit § 1 Absatz 1 Nummer 2, §§ 2, 4 Absatz 1 Urlaubsgeldgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. Mai 2002 in Verbindung mit Artikel 1 Nr. 5 Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetz 2003/2004, § 85 Absatz 1 Bundesbesoldungsgesetz in Verbindung mit Artikel 13 Nummer 7 Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetz 2003/2004, § 67 Absatz 1 Bundesbesoldungsgesetz und Artikel 18 Absatz 1 Nummer 1 Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetz 2003/2004 vom 10. September 2003 in Verbindung mit § 1 Absatz 1 Nummer 2, §§ 2, 5, 6 Absätze 1 und 2 Nummer 1 Sonderzahlungsgesetz Nordrhein-Westfalen vom 20. November 2003 beruhende Netto-Alimentation des Klägers im Kalenderjahr 2003 – bezogen auf die Besoldungsgruppe R 1 Bundesbesoldungsordnung – mit Artikel 33 Absatz 5 des Grundgesetzes in seiner bis zum 31. August 2006 geltenden Fassung nicht vereinbar gewesen ist. |
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- Aussetzungs- und Vorlagebeschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 9. Juli 2009 - 1 A 373/08 - |
- 2 BvL 17/09 -,
ob die auf § 1 Absatz 1 Nummer 2, Absatz 2 Nummer 1 und 3, Absatz 3 Nummer 2 und 4, §§ 37 Absatz 1, 38 Absatz 1, 39 Absatz 1, 40 Absatz 1 Nummer 1 und Absatz 2 in Verbindung mit Anlage IV Nummer 4 und Anlage V Bundesbesoldungsgesetz in den Fassungen der Bekanntmachungen vom 6. August 2002 und vom 10. September 2003 in Verbindung mit § 1 Absatz 1 Nummer 2, §§ 2, 4 Absatz 1 Urlaubsgeldgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. Mai 2002 in Verbindung mit Artikel 1 Nummer 5 Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetz 2003/2004, § 85 Absatz 1 Bundesbesoldungsgesetz in Verbindung mit Artikel 13 Nummer 7 Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetz 2003/2004, § 67 Absatz 1 Bundesbesoldungsgesetz und in Verbindung mit Artikel 18 Absatz 1 Nummer 1 Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetz 2003/2004 vom 10. September 2003 in Verbindung mit § 1 Absatz 1 Nummer 2, §§ 2, 5, 6 Absätze 1 und 2 Nummer 1, 8 Absatz 1 Sonderzahlungsgesetz Nordrhein-Westfalen vom 20. November 2003 beruhende Netto-Alimentation des Klägers im Kalenderjahr 2003 – bezogen auf die Besoldungsgruppe R 1 Bundesbesoldungsordnung – mit Artikel 33 Absatz 5 des Grundgesetzes in seiner bis zum 31. August 2006 geltenden Fassung nicht vereinbar gewesen ist. |
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- Aussetzungs- und Vorlagebeschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 9. Juli 2009 - 1 A 1416/08 - |
- 2 BvL 18/09 -,
ob die |
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- im Zeitraum vom 1. Januar 2008 bis 30. April 2008 auf §§ 1 Absatz 1 Satz 1, Absatz 2 Satz 1, 18a - 18c in Verbindung mit Anlage 2 Nummer 4 des Besoldungsgesetzes für das Land Sachsen-Anhalt vom 3. März 2005, |
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- im Zeitraum vom 1. Mai 2008 bis 28. Februar 2009 auf §§ 1 Absatz 1 Satz 1, Absatz 2 Satz 1, 18a - 18c in Verbindung mit Anlage 2 Nummer 4 des Besoldungsgesetzes für das Land Sachsen-Anhalt vom 3. März 2005, geändert durch Gesetz zur Änderung landesbesoldungs- und versorgungsrechtlicher Vorschriften vom 25. Juli 2007, |
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- im Zeitraum vom 1. März 2009 bis 28. Februar 2010 auf §§ 1 Absatz 1 Satz 1, Absatz 2 Satz 1, 18a - 18c in Verbindung mit Anlage 2 Nummer 4 des Besoldungsgesetzes für das Land Sachsen-Anhalt vom 3. März 2005, geändert durch Gesetz zur Änderung landesbesoldungs- und versorgungsrechtlicher Vorschriften vom 25. Juli 2007 sowie Landesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetz 2009/2010 vom 9. Dezember 2009, |
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- im Zeitraum vom 1. März 2010 bis 31. Dezember 2010 auf §§ 1 Absatz 1 Satz 1, |
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Absatz 2 Satz 1, 18a - 18c in Verbindung mit Anlage 2 Nummer 4 des Besoldungsgesetzes für das Land Sachsen-Anhalt vom 3. März 2005, geändert durch Gesetz zur Änderung landesbesoldungs- und versorgungsrechtlicher Vorschriften vom 25. Juli 2007 sowie Landesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetz 2009/2010 vom 9. Dezember 2009, |
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beruhende Netto-Alimentation des Klägers - bezogen auf die Besoldungsgruppe R 1 - mit Artikel 33 Absatz 5 des Grundgesetzes in seiner ab dem 1. September 2006 geltenden Fassung nicht vereinbar gewesen ist. |
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- Aussetzungs- und Vorlagebeschluss des Verwaltungsgerichts Halle vom 28. September 2011 - 5 A 206/09 HAL - |
- 2 BvL 3/12 -,
ob die |
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- im Zeitraum vom 1. Januar 2008 bis 30. April 2008 auf §§ 1 Absatz 1 Satz 1, Absatz 2 Satz 1, 18a - 18c in Verbindung mit Anlage 2 Nummer 4 des Besoldungsgesetzes für das Land Sachsen-Anhalt vom 3. März 2005, |
||
- im Zeitraum vom 1. Mai 2008 bis 28. Februar 2009 auf §§ 1 Absatz 1 Satz 1, Absatz 2 Satz 1, 18a - 18c in Verbindung mit Anlage 2 Nummer 4 des Besoldungsgesetzes für das Land Sachsen-Anhalt vom 3. März 2005, geändert durch Gesetz zur Änderung landesbesoldungs- und versorgungsrechtlicher Vorschriften vom 25. Juli 2007, |
||
- im Zeitraum vom 1. März 2009 bis 28. Februar 2010 auf §§ 1 Absatz 1 Satz 1, Absatz 2 Satz 1, 18a - 18c in Verbindung mit Anlage 2 Nummer 4 des Besoldungsgesetzes für das Land Sachsen-Anhalt vom 3. März 2005, geändert durch Gesetz zur Änderung landesbesoldungs- und versorgungsrechtlicher Vorschriften vom 25. Juli 2007 sowie Landesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetz 2009/2010 vom 9. Dezember 2009, |
||
- im Zeitraum vom 1. März 2010 bis 31. Dezember 2010 auf §§ 1 Absatz 1 Satz 1, Absatz 2 Satz 1, 18a - 18c in Verbindung mit Anlage 2 Nummer 4 des Besoldungsgesetzes für das Land Sachsen-Anhalt vom 3. März 2005, geändert durch Gesetz zur Änderung landesbesoldungs- und versorgungsrechtlicher Vorschriften vom 25. Juli 2007 sowie Landesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetz 2009/2010 vom 9. Dezember 2009, |
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beruhende Netto-Alimentation des Klägers - bezogen auf die Besoldungsgruppe R 1 - mit Artikel 33 Absatz 5 des Grundgesetzes in seiner ab dem 1. September 2006 geltenden Fassung nicht... |
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