Beschluss vom 05. Juli 2023 - 2 BvC 4/23
ECLI | ECLI:DE:BVerfG:2023:cs20230705.2bvc000423 |
Judgement Number | 2 BvC 4/23 |
Date | 05 Julio 2023 |
Court | Constitutional Court (Germany) |
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvC 4/23 -
Bundestagswahl Berlin - Beitrittserklärung
über
die Wahlprüfungsbeschwerde
der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag, vertreten durch den Justiziar Ansgar Heveling, MdB, Platz der Republik 1, 11011 Berlin, |
- Bevollmächtigter:
- (…) -
gegen |
den Beschluss des Deutschen Bundestages vom 10. November 2022, mit dem die dritte Beschlussempfehlung des Wahlprüfungsausschusses zu Einsprüchen anlässlich der Wahl zum 20. Deutschen Bundestag am 26. September 2021 - Drucksache 20/4000 - angenommen wurde |
hier: | Erklärung des Beitritts des Deutschen Bundestages und Antrag auf Ablehnung des Richters Müller wegen Befangenheit |
hat das Bundesverfassungsgericht - Zweiter Senat -
unter Mitwirkung der Richterinnen und Richter
Vizepräsidentin König,
Müller,
Kessal-Wulf,
Langenfeld,
Wallrabenstein,
Fetzer,
Offenloch
am 5. Juli 2023 beschlossen:
- Der Beitritt des Deutschen Bundestages ist unzulässig
- Der Antrag auf Ablehnung des Richters Müller ist gegenstandslos
A.
I.
1. Am 26. September 2021 fand die Wahl zum 20. Deutschen Bundestag statt. Im Land Berlin wurden zugleich die Wahlen zum 19. Abgeordnetenhaus und zu den Bezirksverordnetenversammlungen abgehalten sowie über den Volksentscheid der Initiative „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ abgestimmt. Beim Deutschen Bundestag gingen in der Folge 2.199 Wahleinsprüche gegen die Bundestagswahl ein. Über diese hat der Deutsche Bundestag in den Sitzungen vom 7. April 2022, 7. Juli 2022, 10. November 2022, 30. März 2023 und vom 22. Juni 2023 entschieden (vgl. BT-Plenarprotokoll 20/28 vom 7. April 2022, S. 2427
2. In einem Interview im Rahmen des „F.A.Z. Einspruch Podcast“ vom 5. Oktober 2022 äußerte sich Richter Müller unter anderem zu Fragen im Zusammenhang mit dem Berliner Wahlgeschehen.
II.
1.713 der beim Deutschen Bundestag eingelegten Wahleinsprüche betrafen ausschließlich oder teilweise das Berliner Wahlgeschehen. Auf der Grundlage der dritten Beschlussempfehlung und des Berichts des Wahlprüfungsausschusses vom 7. November 2022 (vgl. BTDrucks 20/4000) hat der Bundestag über diese Wahleinsprüche mit Beschluss vom 10. November 2022 entschieden (vgl. BT-Plenarprotokoll 20/66 vom 10. November 2022, S. 7656 , Ergebnis: S. 7672 ). Dabei wurde die Bundestagswahl in 431 Berliner Wahlbezirken für ungültig erklärt; sie soll in diesen Wahlbezirken wiederholt werden. Der Bundestag hat festgestellt, dass 327 Wahlbezirke mandatsrelevant fehlerbehaftet seien, die über die jeweiligen Briefwahlbezirke mit weiteren 104 nicht fehlerbehafteten Wahlbezirken verbunden seien. Die Beschwerdeführerin begründete in der Beschlussempfehlung ihr abweichendes Stimmverhalten und stimmte im Plenum gegen den Beschluss. Gegen den Beschluss des Deutschen Bundestages hat sie Wahlprüfungsbeschwerde erhoben.
III.
Mit Urteil vom 16. November 2022 erklärte der Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin die Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus und zu den Bezirksverordnetenversammlungen für ungültig (vgl. Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin, Urteil vom 16. November 2022 - VerfGH 154/21 -). Als Tag der Wiederholungswahl wurde in der Folge der 12. Februar 2023 bestimmt.
Den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen die Wiederholungswahl lehnte das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 25. Januar 2023 ab (vgl. BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 25. Januar 2023 - 2 BvR 2189/22 -).
IV.
1. Die Beschwerdeführerin hat die Aufhebung des Beschlusses des Deutschen Bundestages und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Gültigkeit der Wahl sowie über die Folgen ihrer Ungültigkeit beantragt. Die Wahlprüfungsbeschwerde zielt darauf ab, die Wahl jedenfalls in den Wahlkreisen 76 und 77 vollständig sowie in den Wahlkreisen 75, 79, 80 und 83 als Einstimmenwahl (nur Zweitstimme) wiederholen zu lassen.
2. Mit Schreiben der Vorsitzenden des Zweiten Senats vom 14. Februar 2023 ist dem Deutschen Bundestag, dem Bundesrat, der Bundesregierung, dem Bundesministerium des Innern und für Heimat, dem Bundesministerium der Justiz, der Bundeswahlleiterin, dem Landeswahlleiter des Landes Berlin und den im 20. Deutschen Bundestag vertretenen Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden.
3. Von dieser Gelegenheit hat der Deutsche Bundestag mit Schriftsatz vom 29. März 2023 Gebrauch gemacht. Darin wird neben inhaltlichen Ausführungen der Beitritt des Deutschen Bundestages zu dem Verfahren erklärt und der Richter Müller wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt.
a) Grundlage der Erklärung des Beitritts sei eine Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses (vgl. BTDrucks 20/6013), dem Verfahren beizutreten, die der Deutsche Bundestag mit Beschluss vom 16. März 2023 angenommen habe (vgl. BT-Plenarprotokoll 20/91, S. 10899). Danach sei der Beitritt zulässig, ohne dass er in den gesetzlichen Regelungen zur Wahlprüfung ausdrücklich vorgesehen sei, zumal er die verfahrensrechtliche Stellung der anderen Beteiligten nicht verschlechtere.
aa) Der Beitritt sei im Gesetz über das Bundesverfassungsgericht schon für kontradiktorische Verfahren nicht einheitlich geregelt; er sei diesen Verfahren auch nicht vorbehalten, wie die bei Verfassungsbeschwerden geltende Regelung zeige. Das Bundesverfassungsgericht habe vor diesem Hintergrund im Rahmen eines Zwischenländerstreits entschieden, den Beitritt bei einem „offenkundigen Bedürfnis“ zuzulassen (unter Bezugnahme auf BVerfGE 42, 103 ). Zudem sei auf eine Entscheidung aus dem Jahr 1968 zu verweisen, als § 94 Abs. 5 BVerfGG den Beitritt im Verfassungsbeschwerdeverfahren noch nicht geregelt habe (BVerfGE 24, 33 ). Demgegenüber habe das Bundesverfassungsgericht den Beitritt im Falle von Normenkontrollverfahren verweigert, wenn das...
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