Beschluss vom 05. Mai 2014 - 2 BvR 1823/13
ECLI | ECLI:DE:BVerfG:2014:rk20140505.2bvr182313 |
Judgement Number | 2 BvR 1823/13 |
Date | 05 Mayo 2014 |
Court | Constitutional Court (Germany) |
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvR 1823/13 -
über
die Verfassungsbeschwerde
des Herrn E... |
gegen |
a) |
den Beschluss des Kammergerichts |
vom 20. August 2013 - 2 Ws 411/13 Vollz -, |
||
b) |
den Beschluss des Landgerichts Berlin |
|
vom 1. August 2013 - 595 StVK 301/13 Vollz - |
und | Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung |
hier: | Verfassungsbeschwerde |
hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
die Richterin Lübbe-Wolff,
den Richter Landau
und die Richterin Kessal-Wulf
am 5. Mai 2014 einstimmig beschlossen:
- Der Beschluss des Landgerichts Berlin vom 1. August 2013 - 595 StVK 301/13 Vollz - verletzt den Beschwerdeführer in seinen Rechten aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 3 und Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes. Er wird aufgehoben
- Die Sache wird zur Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits an das Landgericht Berlin zurückverwiesen
- Das Land Berlin hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen für das Verfassungsbeschwerdeverfahren zu erstatten
Die Verfassungsbeschwerde des strafgefangenen Beschwerdeführers betrifft seine Vorstellung in einer Augenklinik.
I.
1. Der Beschwerdeführer verbüßt eine Freiheitsstrafe in der Justizvollzugsanstalt Tegel. Mit Schriftsatz vom 30. Juli 2013 beantragte er beim Landgericht Berlin den Erlass einer einstweiligen Anordnung zur sofortigen Vorstellung in der Augenklinik der Charité. Am 29. Juli 2013 seien beim Arbeiten in der Tischlerei Holzpartikel in sein linkes Auge eingedrungen; das Auge habe sich stark entzündet. Die Sehkraft auf dem Auge schwinde. Dies sei am 29. und 30. Juli 2013 der Arztgeschäftsstelle eröffnet worden. Der Anstaltsarzt habe für den Fall der Verschlechterung sofortige Vorstellung bei der Augenklinik angewiesen, da die Augenprüfung und das Entfernen des Fremdkörpers „durch die Mittel des Vollzugs nicht zu beheben“ seien. Der Beschwerdeführer beantragte, sofort zu handeln, da die Schwellung sich im Bereich des Augenbogenknochens befinde, der nur auf einer Silikonplatte liege und sich stark entzünde. Der Verlust des linken Auges sei nicht hinnehmbar.
Mit angegriffenem Beschluss vom 1. August 2013 verwarf das Landgericht den Antrag kostenfällig und setzte den Streitwert auf 600 Euro fest. Eine vorläufige Zustandsregelung erscheine weder zur Abwendung eines dem Beschwerdeführer drohenden unverhältnismäßigen Nachteils noch aus anderen vorgreiflichen Gründen geboten. Die Vorstellung in der Arztgeschäftsstelle sei am Tag der Antragstellung erfolgt. Der Arzt habe nach den Angaben des Beschwerdeführers eine sofortige Vorstellung in der Augenklinik für den Fall der Verschlechterung angewiesen. Eine solche Verschlechterung sei nicht vorgetragen. Der Zustand der „starken Entzündung“ habe nach dem Vortrag des Beschwerdeführers auch schon während der Vorstellung in der Arztgeschäftsstelle bestanden.
2. Der Beschwerdeführer erhob gegen den Beschluss Gegenvorstellung und rügte, dass keine Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt eingeholt worden sei. Das Landgericht habe billigend in Kauf genommen, dass durch die Behandlungsverweigerung der Vollzugsbehörde ein immaterieller Schaden am Auge eintrete. Der Arbeitsunfall habe sich am 29. Juli 2013 ereignet, gleichwohl sei er erst am 1. August 2013 in der Augenklinik vorgestellt worden.
Das Landgericht verwarf die Gegenvorstellung mit nicht angegriffenem Beschluss vom 14. August 2013. Gegenvorstellungen gegen rechtskräftige Entscheidungen seien ausgeschlossen.
3. a) Mit der am 15. August 2013 rechtzeitig eingegangenen Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen den seinen Eilantrag ablehnenden Beschluss des Landgerichts. Dieser verletze Art. 3 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 4 GG, § 58 StVollzG und Art. 3 EMRK. Die Verweigerung der Behandlung durch Justizvollzugsanstalt und Landgericht habe zum Verlust des linken Augenlichts geführt; die Sehkraft betrage dort nur noch zehn Prozent. Der Vorfall mit seinem Auge habe sich am 29. Juli 2013 ereignet. Dennoch sei er erst am 1. August 2013 ins Krankenhaus ausgeführt worden. Zudem sei aktenkundig und der Strafvollstreckungskammer bekannt, dass eine HNO-Ärztin der Charité bereits am 17. August 2012 eine lebensnotwendige Operation angeordnet habe, da das linke Auge bei nochmaliger Entzündung der verschlossenen Nasennebenhöhle verloren gehen würde. Dies sei nun eingetreten.
b) Mit weiterem Schriftsatz vom 24. August 2013 wendet sich der Beschwerdeführer darüber hinaus gegen den im Rubrum bezeichneten Beschluss des Kammergerichts, mit dem eine Beschwerde gegen die Streitwertfestsetzung in dem angegriffenen Beschluss des Landgerichts als unzulässig verworfen wurde, weil der Beschwerdewert des § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG in Höhe von 200 Euro nicht erreicht worden sei; bei einem Streitwert von 600 Euro ergebe sich eine Gebühr von 26,50 Euro. Der Beschwerdeführer sieht sich hier in seinen Rechten aus Art. 19 Abs. 4 GG sowie Art. 3, 6 und 13 EMRK verletzt.
c) Einen mit der Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts verbundenen Eilantrag hat das Bundesverfassungsgericht abgelehnt, da der Beschwerdeführer nach seinem eigenen Vorbringen zwischenzeitlich - am 1. August 2013 - die begehrte Ausführung in die Augenklinik erhalten hatte (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 13. September 2013 - 2 BvR 1823/13 -).
4. a) Die Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz des Landes Berlin hält die Verfassungsbeschwerde für nicht begründet. Soweit sich der Beschwerdeführer gegen die Gerichtsbeschlüsse wende, werde bereits nicht die Verletzung spezifischen Verfassungsrechts gerügt. Es sei nicht ersichtlich, inwiefern die...
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