BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvR 1043/15 -
über
die Verfassungsbeschwerde
des Herrn T…, |
- Bevollmächtigter:
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Rechtsanwalt Dr. Ali B. Norouzi,
in Sozietät Rechtsanwälte Widmaier, Norouzi,
Kurfürstendamm 216, 10719 Berlin -
gegen |
a) |
den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 14. April 2015 - 5 StR 9/15 -, |
b) |
das Urteil des Landgerichts Berlin vom 14. Juli 2014 - (506) 254 Js 214/13 KLs (21/13) -, |
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c) |
den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 16. Dezember 2013 - (506) 254 Js 214/13 KLs (21/13) - |
hat die 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
den Richter Landau
und die Richterinnen Kessal-Wulf,
König
gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der
Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473)
am 9. Dezember 2015 einstimmig beschlossen:
- Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen
I.
Das Landgericht Berlin verurteilte den Beschwerdeführer am 14. Juli 2014 wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 256 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren; zudem hat es den Verfall von Wertersatz angeordnet.
Gegen dieses Urteil, dem eine Verständigung im Sinne des § 257c StPO nicht vorausging, wandte sich der Beschwerdeführer mit seiner Revision und rügte - neben Verstößen gegen § 243 Abs. 4 Satz 1 und 2 StPO sowie gegen § 24 Abs. 2 StPO in Verbindung mit § 338 Nr. 3 StPO - eine Verletzung von § 273 Abs. 1a Satz 3 StPO, da das Hauptverhandlungsprotokoll kein Negativattest im Sinne dieser Vorschrift enthalte. Der Generalbundesanwalt beantragte, die Revision des Beschwerdeführers gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet zu verwerfen. Der Rüge nach § 273 Abs. 1a Satz 3 StPO müsse der Erfolg versagt bleiben, weil das Urteil auf einem Protokollierungsmangel schlechterdings nicht beruhen könne: Die Sitzungsniederschrift werde erst nach Verkündung der Urteilsformel fertiggestellt. Der Bundesgerichtshof verwarf mit Beschluss vom 14. April 2015 die Revision des Beschwerdeführers als unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO und schloss in Zusammenhang mit den gerügten Verstößen gegen § 243 Abs. 4 Satz 1 und 2 StPO unter Berücksichtigung des Verfahrensablaufs, des Revisionsvorbringens und der unwidersprochen gebliebenen dienstlichen Erklärung des Vorsitzenden der Strafkammer aus, dass eine gesetzeswidrige Absprache angestrebt oder gar getroffen wurde; zur Rüge der Verletzung des § 273 Abs. 1a Satz 3 StPO verhielt sich der Beschluss nicht.
Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer unter anderem, der Bundesgerichtshof habe die indizielle Bedeutung eines Verstoßes gegen § 273 Abs. 1a Satz 3 StPO für einen Verstoß gegen § 257c StPO verkannt und mit seiner Auslegung der Vorschrift gegen das Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG) verstoßen.
II.
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen. Ihr kommt weder grundsätzliche Bedeutung zu, noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung der Rechte des Beschwerdeführers angezeigt (§ 93a Abs. 2 BVerfGG), denn sie hat keine Aussicht auf Erfolg (vgl. BVerfGE 90, 22 ).
1. Soweit der Beschwerdeführer in der Auslegung und Anwendung des § 273 Abs. 1a Satz 3 StPO durch den Bundesgerichtshof Grundrechte verletzt sieht, ist die Verfassungsbeschwerde unbegründet, da die angefochtene Entscheidung jedenfalls nicht auf einem etwaigen Verfassungsverstoß beruht.
a) Der Prüfungsmaßstab ist dem Grundrecht auf ein faires Verfahren zu entnehmen. Das Recht auf ein faires Verfahren hat seine Wurzeln im Rechtsstaatsprinzip in Verbindung mit den Freiheitsrechten und Art. 1 Abs. 1 GG (vgl. BVerfGE 57, 250 ; 86, 288 ; 118, 212 ; 122, 248 ) und gehört zu den wesentlichen Grundsätzen eines rechtsstaatlichen Verfahrens (vgl. BVerfGE 38, 105 ; 46, 202 ). Es enthält keine in allen Einzelheiten bestimmten Ge- oder Verbote; vielmehr bedarf es der Konkretisierung je nach den sachlichen Gegebenheiten (vgl. BVerfGE 57, 250 ; 70, 297 ; 130, 1 ). Diese Konkretisierung ist zunächst Aufgabe des Gesetzgebers und sodann, in den vom Gesetz gezogenen Grenzen, Pflicht der zuständigen Gerichte bei der ihnen obliegenden Rechtsauslegung und -anwendung (vgl. BVerfGE 63, 45 ; 64, 135 ; 122, 248 ; 133, 168 ). Die Gerichte haben den Schutzgehalt der in Frage stehenden Verfahrensnormen und anschließend die Rechtsfolgen ihrer Verletzung zu bestimmen. Dabei sind Bedeutung und Tragweite des Rechts auf ein faires Verfahren angemessen zu berücksichtigen, damit dessen wertsetzende Bedeutung auch auf der Rechtsanwendungsebene gewahrt bleibt (vgl. zur Bedeutung der Grundrechte als objektive Wertordnung BVerfGE 7, 198 ;...