BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvR 1510/20 -
über
die Verfassungsbeschwerde
der Frau F…, |
- Bevollmächtigter:
- … -
gegen |
a) |
den Beschluss des Oberlandesgerichts München |
vom 16. Juli 2020 - 4d Ws 137/20 -, |
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b) |
den Beschluss des Oberlandesgerichts München |
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vom 27. Mai 2020 - 4 Ws 56/20 KL -, |
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c) |
den Bescheid des Generalstaatsanwalts in München |
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vom 18. Februar 2020 - 402 Zs 916/19 d -, |
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d) |
den Bescheid der Staatsanwaltschaft München I |
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vom 14. November 2019 - 451 Js 145207/18 -, |
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e) |
den Bescheid der Staatsanwaltschaft München I |
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vom 7. Januar 2019 - 451 Js 145207/18 - |
hat die 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
den Richter Huber
und die Richterinnen Kessal-Wulf,
Wallrabenstein
gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der
Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473)
am 26. November 2020 einstimmig beschlossen:
- Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen
I.
Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Einstellung eines Ermittlungsverfahrens wegen des Tatverdachts auf sexuellen Missbrauch von Widerstandsunfähigen gemäß § 179 StGB a.F.
1. Die Beschwerdeführerin erstattete am 19./22. April 2013 Strafanzeige. Sie gab an, in der Nacht vom 18./19. April 2013 mit einem Bekannten in München unter anderem eine Bar besucht zu haben. Gegen 01:00 Uhr habe sie gemeinsam mit diesem das Lokal verlassen, um sich mit der U-Bahn auf den Heimweg zu begeben. Auf dem Weg zur U-Bahn habe sie einen Mann kennengelernt, mit dem sie in die Bar beziehungsweise das daneben befindliche Lokal zurückgekehrt sei. Kurze Zeit danach setze ihr Erinnerungsvermögen aus. Nur bruchstückhaft könne sie sich erinnern, dass sie sich zu einem späteren Zeitpunkt mit zwei ihr unbekannten Männern in einer Parkanlage befunden habe. Mit mindestens einem habe sie Geschlechtsverkehr gehabt. Körperliche oder verbale Gegenwehr habe sie nicht geleistet, da sie nach ihrem Eindruck unter dem Einfluss von K.o.-Tropfen gestanden habe. Gegen 04:45 Uhr sei sie wieder zu Hause eingetroffen. Ihr Mobiltelefon und ihr Münzgeld seien aus dem Geldbeutel verschwunden gewesen. Dagegen habe sich in ihrer Handtasche eine ihr unbekannte Sonnenbrille befunden. Nach ihrer Erinnerung habe einer der beiden Männer seine Sonnenbrille gesucht.
Die Staatsanwaltschaft München I stellte mit Bescheid vom 20. März 2014 das gegen einen Herrn M. geführte Ermittlungsverfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO ein. An der Sonnenbrille habe zwar eine DNA-Spur des Beschuldigten festgestellt werden können. Dies allein genüge jedoch nicht für eine Anklageerhebung, zumal die bei der Beschwerdeführerin festgestellten vaginalen DNA-Spuren nicht mit der DNA des Beschuldigten übereinstimmten. Die Beschwerdeführerin habe zudem angegeben, dass sie nicht mehr sagen könne, von welchem der beiden Männer, mit denen sie sich im Park befunden habe, die Brille stammen könne.
2. Durch ein weiteres daktyloskopisches Gutachten des Bayerischen Landeskriminalamtes vom 1. März 2018 konnten eine auf der Sonnenbrille gesicherte DNA-Spur sowie die bei der Beschwerdeführerin festgestellten vaginalen DNA-Spuren einem Herrn H. zugeordnet werden. Die Staatsanwaltschaft München I leitete am 15. Mai 2018 gegen den Beschuldigten H. ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen nach § 179 StGB a.F. ein. Mit Bescheid vom 7. Januar 2019 stellte die Staatsanwaltschaft München I das Ermittlungsverfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO ein. Der Tatnachweis sei nicht mit der für eine Anklageerhebung erforderlichen Sicherheit zu führen. Der Beschuldigte mache keine Angaben. Der Mitbeschuldigte M. bestreite den Tatvorwurf. Die Geschädigte könne sich weitgehend nicht an die Vorkommnisse erinnern. Ohne weitere belastbare Beweismittel könne nicht nachgewiesen werden, dass die Täter subjektiv davon ausgegangen seien, dass die sexuellen Handlungen gegen den Willen der Beschwerdeführerin oder unter Ausnutzung einer eventuellen Widerstandsunfähigkeit stattgefunden hätten. Es könne zudem nicht ausgeschlossen werden, dass die Beschwerdeführerin in der Tatnacht auch mit anderen Männern sexuellen Kontakt gehabt habe.
Auf die Beschwerde gegen die Einstellung des Ermittlungsverfahrens hin griff die Staatsanwaltschaft München I das Ermittlungsverfahren wieder auf. Zur Frage der Widerstandsunfähigkeit und deren Erkennbarkeit holte sie ein rechtsmedizinisches Gutachten ein. Mit Bescheid vom 14. November 2019 stellte die Staatsanwaltschaft München I das Verfahren erneut gemäß § 170 Abs. 2 StPO ein. Auch unter Berücksichtigung der durch die ergänzenden Ermittlungen gewonnenen Erkenntnisse könne nicht aufgeklärt werden, was sich im Vorfallszeitraum zugetragen habe. Ein Tatnachweis für eine Vergewaltigung gemäß § 177 StGB a.F. könne nicht geführt werden. Die Beschwerdeführerin habe selbst angegeben, es sei keine Gewalt angewendet worden. Auch habe sie nicht gesagt, dass sie keinen Geschlechtsverkehr möchte. Nach dem Ergebnis der körperlichen Untersuchung und Auskunft des Sachverständigen sei zwar möglich, dass die Hämatome am rechten Oberarm von einem Haltegriff resultierten. Weitere, eindeutige Spuren beziehungsweise Verletzungen, aus denen auf eine Gewaltanwendung geschlossen werden könne, seien jedoch nicht festgestellt worden. Auch sei nicht nachweisbar, dass der Beschuldigte die – unterstellte – Anwendung von Gewalt gezielt zur Überwindung eines geleisteten oder erwarteten Widerstands eingesetzt habe. Auch ein Tatnachweis für einen sexuellen Missbrauch Widerstandsunfähiger gemäß § 179 StGB a.F. könne nicht geführt werden. Nach dem Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin vom 21. Mai 2019 sowie den ergänzenden gutachterlichen Stellungnahmen vom 29. Mai 2019 und vom 16. Juli 2019 seien Hinweise auf K.o.-Tropfen nicht gefunden worden. Die Beschwerdeführerin sei zum Tatzeitpunkt zwar hochgradig alkoholisiert gewesen. Allein aus dem Grad der Alkoholisierung könne nach Auskunft des Gutachters jedoch nicht auf eine Widerstandsunfähigkeit geschlossen werden. Für den Vorfallszeitraum seien keine weiteren Anknüpfungspunkte, Zeugen oder sonstigen Beweismittel vorhanden. Allein die Tatsache, dass die Beschwerdeführerin Erinnerungslücken beschrieben habe, lasse nach Einschätzung des Sachverständigen nicht auf eine Widerstandsunfähigkeit schließen. Auch könne nicht belegt werden, dass der Beschuldigte eine etwaige Widerstandsunfähigkeit der Beschwerdeführerin erkannt und ausgenutzt habe. In diesem Zusammenhang sei auch die Aussage des Zeugen M. relevant, welcher schildere, dass er häufig, so auch am fraglichen Abend mit dem Beschuldigten in der Grünanlage gewesen sei und Alkohol konsumiert habe, und dass der Beschuldigte generell ein erhebliches Alkoholproblem gehabt habe. Zugunsten des Beschuldigten sei dessen möglicherweise erhebliche Alkoholisierung zu werten.
3. Der hiergegen eingelegten Beschwerde gab die Generalstaatsanwaltschaft München mit Bescheid vom 18. Februar 2020 keine Folge. Die Geschehnisse zwischen 02:00 Uhr und 04:00 Uhr in der Nacht des 19. April 2013 seien nicht mit einer für eine Anklageerhebung ausreichenden Sicherheit aufzuklären. Allein der Umstand, dass es zwischen dem Beschuldigten H. und der Beschwerdeführerin zum Geschlechtsverkehr gekommen sei, genüge nicht zur Annahme eines hinreichenden Tatverdachts...