BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvQ 45/22 -
über den Antrag,
im Wege der einstweiligen Anordnung
sinngemäß: die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die mit dem Bescheid des Landratsamts Garmisch-Partenkirchen vom 25. Juni 2022 - Az. 51-1341/G7-Sternmarsch - verfügte Auflage Nummer A. 1. c. mit der Maßgabe wiederherzustellen, dass der Versammlungsort 200 Meter Richtung Südwesten und Schloss Elmau auf den von der Mautstraße abzweigenden Weg (Koordinaten: 47.464404, 11.189678) vorverlegt wird |
Antragsteller: (…) |
- Bevollmächtigte/r: (…)
hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
den Präsidenten Harbarth,
und die Richterinnen Ott,
Härtel
gemäß § 32 Abs. 1 in Verbindung mit § 93d Abs. 2 BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473)
am 27. Juni 2022 einstimmig beschlossen:
- Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat keinen Erfolg.
1. Nach § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Dabei haben die Gründe, die für die Verfassungswidrigkeit des angegriffenen Hoheitsakts vorgetragen werden, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben, es sei denn, die Verfassungsbeschwerde erwiese sich von vornherein als unzulässig oder offensichtlich unbegründet (vgl. BVerfGE 112, 284 ; 121, 1 ; stRspr). Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 32 Abs. 1 BVerfGG sind die erkennbaren Erfolgsaussichten einer Verfassungsbeschwerde zu berücksichtigen, wenn ein Abwarten den Grundrechtsschutz mit hoher Wahrscheinlichkeit vereitelte (vgl. BVerfGE 111, 147 ; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 29. April 2020 - 1 BvQ 44/20 -, Rn. 7; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 21. September 2020 - 1 BvR 2146/20 -, Rn. 2; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 31. Januar 2022 - 1 BvR 208/22 -, Rn. 2).
Bei einem offenen Ausgang der Verfassungsbeschwerde sind die Folgen, die eintreten würden, wenn die einstweilige Anordnung nicht erginge, die Verfassungsbeschwerde aber später Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen abzuwägen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Verfassungsbeschwerde jedoch der Erfolg versagt bliebe (vgl. BVerfGE 131, 47 ; 132, 195 ; stRspr). Wegen der meist weittragenden Folgen, die eine einstweilige Anordnung in einem verfassungsgerichtlichen Verfahren auslöst, ist bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 BVerfGG ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. BVerfGE 131, 47 ; 132, 195 ; stRspr).
2. Nach diesen Maßstäben kommt der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht in Betracht.
a) Die Erfolgsaussichten einer – noch zu erhebenden – Verfassungsbeschwerde sind nicht derart offensichtlich, dass hier allein schon deshalb in der Nichtgewährung von Rechtsschutz ein schwerer Nachteil für das gemeine Wohl im Sinne von § 32 Abs. 1 BVerfGG läge.
aa) Art. 8 Abs. 1 GG schützt die Freiheit, mit anderen Personen zum Zwecke einer gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung örtlich zusammen zu kommen (vgl. BVerfGE 104, 92 ; 111, 147 ; 128, 226 ). Als Freiheit zur kollektiven Meinungskundgabe ist die Versammlungsfreiheit für eine freiheitliche demokratische Staatsordnung konstituierend (vgl. BVerfGE 69, 315 ; 128, 226 ). In ihrer idealtypischen Ausformung sind Demonstrationen die gemeinsame körperliche Sichtbarmachung von Überzeugungen, bei der die Teilnehmer in der Gemeinschaft mit anderen eine Vergewisserung dieser Überzeugungen erfahren und andererseits nach außen - schon durch die bloße Anwesenheit, die Art des Auftretens und die Wahl des Ortes - im eigentlichen Sinne des...