Urteil Nr. KZR 65/12 des Kartellsenat des Bundesgerichtshofs, 17-12-2013

Docket NumberKZR 65/12
Date17 Diciembre 2013
CourtKartellsenat
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
KZR 65/12 Verkündet am:
17. Dezember 2013
Bürk
Amtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Stromnetz Heiligenhafen
GWB § 20 Abs. 1 aF; EnWG § 46 Abs. 1, 2
a) Gemeinden haben auch dann, wenn sie die Nutzung ihrer öffentlichen Ver-
kehrswege zum Netzbetrieb einem Eigenbetrieb übertragen wollen, das Dis-
kriminierungsverbot des § 46 Abs. 1 EnWG zu beachten; sie können sich in
diesem Zusammenhang weder auf ein "Konzernprivileg" noch auf die Grund-
sätze des im Vergaberecht anerkannten "In-house-Geschäfts" berufen.
b) Das aus dem Diskriminierungsverbot folgende Transparenzgebot verlangt,
dass den am Netzbetrieb interessierten Unternehmen die Entscheidungskri-
terien der Gemeinde und ihre Gewichtung rechtzeitig vor Angebotsabgabe
mitgeteilt werden.
c) Die Übertragung des Netzbetriebs auf einen Eigenbetrieb ist unwirksam,
wenn ein entsprechender Konzessionsvertrag wegen unbilliger Behinderung
von Unternehmen, die sich um die Konzession bewerben, nichtig wäre.
BGH, Urteil vom 17. Dezember 2013 - KZR 65/12 - OLG Schleswig
LG Kiel
- 2 -
Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhand-
lung vom 17. Dezember 2013 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-
Beck sowie die Richter Prof. Dr. Strohn, Dr. Kirchhoff, Dr. Bacher und
Dr. Deichfuß
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des Kartellsenats des Schleswig-
Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 22. Novem-
ber 2012 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Beklagte ist Eigentümerin des Stromversorgungsnetzes im Stadtge-
biet der Klägerin. Die Klägerin hatte mit der Schleswag AG, der Rechts-
vorgängerin der Beklagten, einen Konzessionsvertrag mit einer Laufzeit von
20 Jahren ab dem Jahr 1989 geschlossen, der dieser gestattete, Stromversor-
gungsleitungen auf und unter den öffentlichen Wegen des Gemeindegebiets zu
betreiben. Die Endschaftsbestimmung dieses Vertrags sieht vor, dass die Ge-
meinde, falls sie nach Vertragsablauf das Vertragsverhältnis mit der Schleswag
AG nicht fortsetzen will, verpflichtet ist, die ausschließlich der Stromverteilung
im Gemeindegebiet dienenden Anlagen zum Sachzeitwert zu übernehmen.
Am 30. Dezember 2006 machte die Klägerin das Vertragsende zum
31. Dezember 2008 bekannt und setzte eine Frist für Angebote zum Abschluss
eines neuen Konzessionsvertrags bis zum 30. April 2007. Die Beklagte und ein
1
2
- 3 -
anderes Unternehmen gaben Angebote ab. Der Stadtrat der Klägerin entschied
am 11. Dezember 2008, keinem der Interessenten den Abschluss eines Kon-
zessionsvertrags anzubieten, sondern den Netzbetrieb durch einen zu grün-
denden Eigenbetrieb selbst zu übernehmen. Laut Sitzungsprotokoll wurden bei
dieser Entscheidung folgende Kriterien berücksichtigt:
"- Höhe der Konzessionsabgabe
- Höhe des sog. Kommunalrabatts
- Kostenverteilung für Leitungsumlegungen
- Laufzeit des Konzessionsvertrags
- sog. Endschaftsregelung
- Pflicht zur Erdverkabelung
- Rückbau stillgelegter Leitungen".
Ihre Entscheidung machte die Klägerin am 25. März 2009 mit folgender
Begründung amtlich bekannt:
"Durch die Konzessionierung der Stadtwerke […] als Eigenbetrieb
wird der Stromnetzbetrieb der allgemeinen Versorgung im Stadt-
gebiet kommunalisiert. Die Stadt erwirbt hierdurch den größtmög-
lichen Einfluss auf den Betrieb des Stromverteilnetzes. Die Stadt
ist davon überzeugt, dass durch die Konzessionierung der Stadt-
werke für die Zukunft bessere Konditionenbedingungen (z.B. Ein-
fluss der Stadt auf strategische Entscheidungen und auf das
Netzeigentum, auch nach Ablauf der Konzessionierung, Flexibili-
tät) erzielt werden können, als diese von den konkurrierenden
Bewerbern angeboten werden.
Die Stadt […] ist sich sicher, mit der Entscheidung für Stadtwerke
die besten Voraussetzungen für eine zuverlässige, preisgünstige
und umweltgerechte Stromversorgung geschaffen zu haben."
In den anschließenden Verhandlungen über die Netzübernahme konnten
sich die Parteien weder über Umfang noch Kaufpreis der zu übereignenden
Anlagen einigen.
3
4

Um weiterzulesen

FORDERN SIE IHR PROBEABO AN
10 temas prácticos
  • Urteil Nr. EnZR 11/14 des Kartellsenat des Bundesgerichtshofs, 14-04-2015
    • Deutschland
    • Kartellsenat
    • 14 Abril 2015
    ...unerheblich ist (vgl. Senatsurteile vom 17. Dezember 2013 - KZR 66/12, BGHZ 199, 289 Rn. 60 und 70 - Stromnetz Berkenthin und KZR 65/12, WuW/E DE-R 4139 Rn. 57 - Stromnetz Heiligenhafen). Hier geht es aber um den Inhalt eines ge-setzlichen Auskunftsanspruchs in einem laufenden Konzessionsve......
  • Urteil Nr. KZR 87/13 des Kartellsenat des Bundesgerichtshofs, 06-10-2015
    • Deutschland
    • Kartellsenat
    • 6 Octubre 2015
    ...(§ 19 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 GWB, zuvor § 20 Abs. 1 GWB aF) nicht verbunden waren (vgl. BGH, Urteil vom 17. Dezember 2013 - KZR 65/12, WuW/E DE-R 4139 Rn. 68 - Stromnetz Heiligenhafen). Die Vorschriften des § 21 Abs. 1 GWB und des § 4 Nr. 10 UWG, auf die sich die Klägerin ebenfalls berufen......
  • Urteil Nr. EnVR 10/13 des Kartellsenat des Bundesgerichtshofs, 03-06-2014
    • Deutschland
    • Kartellsenat
    • 3 Junio 2014
    ...Recht an (Senatsurteile vom 17. Dezember 2013 - KZR 66/12, WuW/E DE-R 4159 Rn. 60 und 70 - Stromnetz Berkenthin, für BGHZ bestimmt, und KZR 65/12, WuW/E DE-R 4139 Rn. 57 - Strom-netz Heiligenhafen). Ein etwaiger Anspruch der Beigeladenen wäre hier mit Ab-schluss des Konzessionsvertrags zwis......
  • Urteil Nr. KZR 66/12 des Kartellsenat des Bundesgerichtshofs, 17-12-2013
    • Deutschland
    • Kartellsenat
    • 17 Diciembre 2013
    ...der Gemeinde und ihre Gewichtung rechtzeitig vor Angebotsab-gabe mitgeteilt werden (s. dazu BGH, Urteil vom 17. Dezember 2013 - KZR 65/12 Rn. 44 ff. - Stromnetz Heiligenhafen; OLG München, Urteil vom 26. September 2013 - U 3589/12 Kart, juris Rn. 138; Albrecht in Schneider/Theobald, aaO § 9......
  • Fordern Sie ein Probeabo an, um weitere Ergebnisse zu sehen
11 sentencias
  • Urteil Nr. EnZR 11/14 des Kartellsenat des Bundesgerichtshofs, 14-04-2015
    • Deutschland
    • Kartellsenat
    • 14 Abril 2015
    ...unerheblich ist (vgl. Senatsurteile vom 17. Dezember 2013 - KZR 66/12, BGHZ 199, 289 Rn. 60 und 70 - Stromnetz Berkenthin und KZR 65/12, WuW/E DE-R 4139 Rn. 57 - Stromnetz Heiligenhafen). Hier geht es aber um den Inhalt eines ge-setzlichen Auskunftsanspruchs in einem laufenden Konzessionsve......
  • Urteil Nr. KZR 87/13 des Kartellsenat des Bundesgerichtshofs, 06-10-2015
    • Deutschland
    • Kartellsenat
    • 6 Octubre 2015
    ...(§ 19 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 GWB, zuvor § 20 Abs. 1 GWB aF) nicht verbunden waren (vgl. BGH, Urteil vom 17. Dezember 2013 - KZR 65/12, WuW/E DE-R 4139 Rn. 68 - Stromnetz Heiligenhafen). Die Vorschriften des § 21 Abs. 1 GWB und des § 4 Nr. 10 UWG, auf die sich die Klägerin ebenfalls berufen......
  • Urteil Nr. EnVR 10/13 des Kartellsenat des Bundesgerichtshofs, 03-06-2014
    • Deutschland
    • Kartellsenat
    • 3 Junio 2014
    ...Recht an (Senatsurteile vom 17. Dezember 2013 - KZR 66/12, WuW/E DE-R 4159 Rn. 60 und 70 - Stromnetz Berkenthin, für BGHZ bestimmt, und KZR 65/12, WuW/E DE-R 4139 Rn. 57 - Strom-netz Heiligenhafen). Ein etwaiger Anspruch der Beigeladenen wäre hier mit Ab-schluss des Konzessionsvertrags zwis......
  • Urteil Nr. KZR 66/12 des Kartellsenat des Bundesgerichtshofs, 17-12-2013
    • Deutschland
    • Kartellsenat
    • 17 Diciembre 2013
    ...der Gemeinde und ihre Gewichtung rechtzeitig vor Angebotsab-gabe mitgeteilt werden (s. dazu BGH, Urteil vom 17. Dezember 2013 - KZR 65/12 Rn. 44 ff. - Stromnetz Heiligenhafen; OLG München, Urteil vom 26. September 2013 - U 3589/12 Kart, juris Rn. 138; Albrecht in Schneider/Theobald, aaO § 9......
  • Fordern Sie ein Probeabo an, um weitere Ergebnisse zu sehen

VLEX uses login cookies to provide you with a better browsing experience. If you click on 'Accept' or continue browsing this site we consider that you accept our cookie policy. ACCEPT