Urteil Nr. VIII ZR 28/21 des VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs, 06-07-2022

ECLIECLI:DE:BGH:2022:060722UVIIIZR28.21.0
Date06 Julio 2022
Docket NumberVIII ZR 28/21
CourtVIII. Zivilsenat
ECLI:DE:BGH:2022:060722UVIIIZR28.21.0
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 28/21 Verkündet am:
6. Juli 2022
Reiter,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB §§ 306, 134; AVBFernwärmeV §§ 4, 24 Abs. 4 (in der bis zum 4. Oktober 2021
geltenden Fassung); KlauselRL Art. 6 Abs. 1
a) Bei Preisänderungsklauseln in Fernwärmelieferungsverträgen gebietet das Trans-
parenzgebot in § 24 Abs. 4 Satz 2 AVBFernwärmeV eine Erläuterung der Zusam-
mensetzung der Bezugspreise des Fernwärmeversorgungsunternehmens, also ins-
besondere der diesen zugrundeliegenden vertraglichen und preislichen Bestimmun-
gen, oder auch die namentliche Bezeichnung des Bezugslieferanten nicht. Aller-
dings muss eine Preisänderungsklausel zum Arbeitspreis, mit dem die vom Kunden
abgenommene Wärmemenge vergütet wird, nach § 24 Abs. 4 Satz 1 AVBFern-
wärmeV zwingend auch die jeweiligen Verhältnisse auf dem Wärmemarkt ange-
messen berücksichtigen (Bestätigung des Senatsurteils vom 1. Juni 2022 - VIII ZR
287/20, juris Rn. 20 ff., 27 ff., zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen).
b) Nach Maßgabe des § 306 Abs. 1 BGB führt die Unwirksamkeit einer nur eine Preis-
komponente (hier: den Arbeitspreis) betreffenden Preisänderungsklausel nach § 24
Abs. 4 AVBFernwärmeV in Verbindung mit § 134 BGB nicht zugleich zur Unwirk-
samkeit andere Preiskomponenten (hier: den Bereitstellungspreis) betreffender An-
passungsklauseln, wenn es sich - wie im Regelfall - um inhaltlich voneinander trenn-
- 2 -
bare Vertragsklauseln handelt, die jeweils Gegenstand einer gesonderten Wirksam-
keitsprüfung nach § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV sind (Bestätigung des Senatsurteils
vom 6. April 2022 - VIII ZR 295/20, NJW 2022, 1944 Rn. 44 ff.).
c) Die in Energieversorgungsstreitigkeiten entwickelte sogenannte Dreijahreslösung
des Senats vermeidet die bei einer Gesamtnichtigkeit des Versorgungsvertrags für
den Kunden eintretenden nachteiligen Folgen einer bereicherungsrechtlichen
(Rück-)Abwicklung, indem sie entsprechend den auch nach der jüngeren Recht-
sprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu beachtenden Zielsetzun-
gen von Art. 6 Abs. 1 der Klausel-Richtlinie 93/13/EWG darauf angelegt ist, die nach
dem Vertrag bestehende formale Ausgewogenheit der Rechte und Pflichten der
Vertragsparteien unter Heranziehung und Gewichtung ihrer Interessen durch eine
materielle Ausgewogenheit zu ersetzen und auf diese Weise ein Gleichgewicht der
Rechte und Pflichten tatsächlich wiederherzustellen (Bestätigung des Senatsurteils
vom 1. Juni 2022 - VIII ZR 287/20, juris Rn. 42 ff. mwN, zur Veröffentlichung in
BGHZ vorgesehen).
d) Der nach der Dreijahreslösung maßgebliche Preis tritt endgültig an die Stelle des
zwischen den Parteien des Energieversorgungsvertrags vereinbarten Anfangsprei-
ses. Wird dieser neue "Ausgangspreis" anschließend unterschritten, hat der Kunde
für die Zeiträume der Preisunterschreitungen aber nur die geringeren Entgelte zu
entrichten (Bestätigung der Senatsurteile vom 6. April 2016 - VIII ZR 79/15, BGHZ
209, 337 Rn. 40; vom 5. Oktober 2016 - VIII ZR 241/15, NJW-RR 2017, 557 Rn. 27).
Da derartige nachträgliche Preissenkungen jedoch den nach der Dreijahreslösung
maßgeblichen neuen "Ausgangspreis" nicht dauerhaft ersetzen, kann der Energie-
versorger nach einer solchen Preissenkung anschließend auch erneute Preisstei-
gerungen geltend machen, soweit diese den nach der Dreijahreslösung maßgebli-
chen "Ausgangspreis" nicht überschreiten.
e) Ein Fernwärmeversorgungsunternehmen ist gemäß § 4 Abs. 1, 2 AVBFernwärmeV
in Verbindung mit § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV berechtigt und - soweit das Kun-
deninteresse dies erfordert - verpflichtet, eine von ihm gegenüber Endkunden ver-
wendete - von Vertragsbeginn an unwirksame oder ab einem bestimmten Zeitpunkt
danach unwirksam gewordene - Preisänderungsklausel auch während des laufen-
den Versorgungsverhältnisses mit Wirkung für die Zukunft einseitig anzupassen,
wenn und soweit dadurch sichergestellt wird, dass die Klausel den Anforderungen
des § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV entspricht (Bestätigung des Senatsurteils vom
26. Januar 2022 - VIII ZR 175/19, ZIP 2022, 901 Rn. 30 ff., zur Veröffentlichung in
BGHZ vorgesehen).
BGH, Urteil vom 6. Juli 2022 - VIII ZR 28/21 - LG Berlin
AG Berlin-Schöneberg

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