BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvR 612/12 -
über
die Verfassungsbeschwerde
1. |
der Frau B..., | |
2. |
des Herrn B..., | |
3. |
der Frau Dr. D..., | |
4. |
der Frau D..., | |
5. |
des Herrn D..., | |
6. |
des Herrn F..., | |
7. |
des Herrn G..., | |
8. |
des Herrn J..., | |
9. |
der Frau K..., | |
10. |
des Herrn K..., | |
11. |
der Frau K..., | |
12. |
des Herrn K..., | |
13. |
des Herrn K..., | |
14. |
der Frau K..., | |
15. |
der Frau L..., | |
16. |
des Herrn L..., | |
17. |
der Frau M..., | |
18. |
des Herrn M..., | |
19. |
der Frau P..., | |
20. |
des Herrn P..., | |
21. |
des Herrn P..., | |
22. |
der Frau R..., | |
23. |
der Frau R... als Rechtsnachfolgerin des verstorbenen C..., | |
24. |
der Frau S..., | |
25. |
des Herrn S..., | |
26. |
des Herrn S..., | |
27. |
der Frau S..., | |
28. |
des Herrn S..., | |
29. |
der Frau S..., | |
30. |
des Herrn S..., | |
31. |
der Frau T..., | |
32. |
des Herrn T..., | |
33. |
des Herrn Dr. W..., |
- Bevollmächtigte:
-
Anwaltskanzlei Zuck,
Vaihinger Markt 3, 70563 Stuttgart -
gegen |
a) |
den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. Februar 2012 - BVerwG 4 A 4001.12 (4 A 4001.10) -, |
b) |
das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. Oktober 2011 - BVerwG 4 A 4001.10 -, |
|
c) |
den Planergänzungsbeschluss des Ministeriums für Infrastruktur und Raumordnung des Landes Brandenburg „Lärmschutzkonzept BBI“ zum Vorhaben „Ausbau Verkehrsflughafen Berlin-Schönefeld“ vom 20. Oktober 2009 - 44-6441/1/114 - |
hat die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
den Richter Eichberger
und die Richterinnen Baer,
Britz
gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der
Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 2. Juli 2018
einstimmig beschlossen:
- Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen einen Planergänzungsbeschluss zum Ausbau des Verkehrsflughafens Berlin-Schönefeld, der die Nachtflugregelungen des ursprünglichen Planfeststellungsbeschlusses ergänzt, und gegen die ihn bestätigenden Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts.
I.
1. Mit Verordnung vom 28. Oktober 2003 beschlossen die Länder Brandenburg und Berlin den Landesentwicklungsplan Flughafenstandortentwicklung (LEP FS 2003) (GVBl. Bgb. II S. 594; GVBl. BE S. 521). Nach einer der Planaussagen ist der Flughafen Berlin-Schönefeld zur Deckung des nationalen und internationalen Luftverkehrsbedarfs der Länder Brandenburg und Berlin weiter zu entwickeln. Der Planfeststellungsbeschluss vom 13. August 2004 sieht den Ausbau des Verkehrsflughafens Berlin-Schönefeld zum Großflughafen Berlin Brandenburg mit zwei parallelen Start- und Landebahnen vor. Der Planfeststellungsbeschluss enthält Auflagen zur Vermeidung und Minderung von Fluglärm und regelte den Flugbetrieb während der Nacht (22:00 Uhr bis 06:00 Uhr). Abgesehen von der grundsätzlichen Beschränkung auf lärmarme Flugzeuge und den völligen Ausschluss von Ausbildungs- und Übungsflügen sollten Starts und Landungen während der gesamten Nachtzeit zulässig sein.
Das Bundesverwaltungsgericht gab gegen den Planfeststellungsbeschluss gerichteten, ausgewählten Musterklagen mit Urteil vom 16. März 2006 - BVerwG 4 A 1075.04 -, BVerwGE 125, 116, teilweise statt. Es verpflichtete die Planfeststellungsbehörde, unter anderem über weitergehende Einschränkungen des Nachtflugbetriebs unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Soweit der Planfeststellungsbeschluss den ausgesprochenen Verpflichtungen widersprach, wurde er aufgehoben.
2. Im Planergänzungsverfahren legte die Vorhabenträgerin Flughafen Berlin- Schönefeld GmbH unter anderem ein Gutachten über den Bedarf von Flugbewegungen während der Nachtzeit (ARC-Gutachten) vor. Die Planfeststellungsbehörde holte zum nächtlichen Flugbetrieb bei der Intraplan Consult GmbH Gutachten ein, die die von der Vorhabenträgerin vorgelegten Gutachten beurteilten und einen Abschlussbericht zum Nachtflugbedarf enthielten (Intraplan-Nachtfluggutachten).
Die Planfeststellungsbehörde ermittelte zunächst auf der Grundlage von Gutachten und Prognosen, welcher Bedarf für Nachtflugverkehr besteht. Dabei differenzierte sie jeweils nach einzelnen Verkehrssegmenten und schichtete die Nachtzeit in sogenannte Zeitscheiben ab. In dem Planergänzungsbeschluss „Lärmschutz BBI zum Vorhaben Ausbau Verkehrsflughafen Berlin-Schönefeld“ vom 20. Oktober 2009 ergänzte und änderte sie den Planfeststellungbeschluss, soweit dieser den Flugbetrieb während der Nacht (22:00 Uhr bis 06:00 Uhr) zum Gegenstand hatte. Auf diese Weise sollten die Verpflichtungen aus den Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. März 2006 umgesetzt werden.
Die im Planergänzungsbeschluss getroffene Nachtflugregelung hält die Nachtkernzeit 00:00 Uhr bis 05:00 Uhr grundsätzlich von Flugaktivitäten frei und öffnet die Nachtrandstunden von 22:00 Uhr bis 23:30 Uhr sowie von 05:30 Uhr bis 06:00 Uhr weitgehend für den Flugbetrieb. In der Nachtkernzeit dürfen nur besonders geregelte Flüge stattfinden. In den halben Stunden unmittelbar vor (23:30 Uhr bis 24:00 Uhr) und nach (05:00 Uhr bis 05:30 Uhr) der Nachtkernzeit sind großzügigere Ausnahmen vom Nachtflugverbot zugelassen.
3. Das Bundesverwaltungsgericht wies die Klage der Beschwerdeführenden gegen die Nachtflugregelung ab (BVerwGE 141, 1). Sie sei unbegründet, weil die Regelungen zum Nachtflugbetrieb nicht an Fehlern litten, die zu einem Anspruch der Kläger auf eine erneute Entscheidung führten.
a) Die Planfeststellungsbehörde habe im Planergänzungsbeschluss die im Urteil vom 16. März 2006 - BVerwG 4 A 1075.04 - dargelegte Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgerichts beachtet, zu Recht einen Bedarf für den zugelassenen Nachtflugverkehr bejaht und die Bedeutung und das Gewicht dieses Belangs nicht verkannt.
Die in dem Intraplan-Nachtfluggutachten erstellte Nachtflugprognose sei - im Rahmen der eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle von Prognosen - nicht zu beanstanden. Intraplan habe in einem ersten Schritt die tatsächlichen Flugbewegungen im Jahr 2008 an den drei Berliner Flughäfen erhoben und nach Verkehrssegmenten geordnet. Im nächsten Schritt seien dann für die Verkehrssegmente Wachstumsraten aus der Masterplan-Prognose abgeleitet worden. Diese habe mit einer geeigneten Methode das zukünftige Luftverkehrsaufkommen an den einzelnen Flughäfen ermittelt. Die Einzelflugbewegungen aus der Masterplan-Prognose hätten sich mittels der dort ebenfalls hinterlegten Daten (Start- und Zielflughafen, Verkehrsart, Fluglinie, Anzahl der Passagiere, Anzahl der Fracht etc.) den im Intraplan-Nachtfluggutachten definierten Verkehrssegmenten zuordnen lassen. Die Hochrechnung mit den aus der Masterplan-Prognose für die einzelnen Verkehrssegmente abgeleiteten Wachstumsraten sei eine geeignete Methode zur Ermittlung des Nachtflugaufkommens im Jahr 2020. Das Ergebnis der Nachtverkehrsprognose sei plausibel.
Was die Planfeststellungsbehörde in der Nacht zugelassen habe, sei von den Planungszielen für den Ausbau des Flughafens umfasst. Im Planergänzungsbeschluss seien auch die sachlichen Gründe, weshalb Flüge nicht befriedigend innerhalb der Tagesstunden abgewickelt werden könnten, plausibel dargelegt.
Dem Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis der Tatsache, dass es ungeachtet der dargelegten Nachtfluggründe möglich sei, die von Intraplan im Rahmen der Bedarfsprognose für die Nachtzeit prognostizierten beziehungsweise hochgerechneten Flüge auf die nachgelagerte Zeitscheibe zu verlagern, habe nicht entsprochen werden müssen. Ob und inwieweit ein Verkehrsbedarf befriedigend innerhalb der Tag- und der angrenzenden Nachtrandstunden abgewickelt werden könne, sei keine dem Beweis zugängliche Tatsachenfrage, sondern eine Rechtsfrage. Maßgebend sei, welche Gründe die Inanspruchnahme der Nachtrandzeiten rechtfertigen könnten, und wie diese Gründe insbesondere im Hinblick auf die Verkehrsfunktion des Flughafens und seine Stellung im Luftverkehrsnetz zu gewichten seien. Die Planfeststellungsbehörde habe die regionalwirtschaftlichen Auswirkungen einer Beschränkung des nächtlichen Flugbetriebs ausreichend ermittelt und die Bedeutung der regionalwirtschaftlichen Aspekte nicht überschätzt.
b) Die Lärmschutzbelange der Beschwerdeführenden seien ausreichend ermittelt worden. Ihr Gewicht habe die Planfeststellungsbehörde nicht zu gering eingeschätzt.
Dies gelte zunächst für die zugrunde gelegte Flugroutenprognose. Soweit es um die Regelung des Nachtflugbetriebs gehe, sei die für den abhängigen Bahnbetrieb erstellte Grobplanung der An- und Abflugrouten ausreichend, um die Lärmbetroffenheit auch bei unabhängigem Bahnbetrieb abzuschätzen.
Die Planfeststellungsbehörde habe neuere Erkenntnisse der Lärmmedizin und Lärmwirkungsforschung nicht zu würdigen brauchen. Der maßgebende Bezugspunkt für die Gewichtung der Lärmschutzbelange sei die fachplanerische Zumutbarkeitsschwelle, bei deren Überschreitung passiver Schallschutz zu...