BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvR 348/16 -
über
die Verfassungsbeschwerde
des Herrn C… |
- Bevollmächtigte:
-
Rechtsanwältin Joona Nissinen,
Johann-Mohr-Weg 2, 22763 Hamburg -
gegen |
den Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 19. Januar 2016 - 1 Ausl(A) 32/15 (37/15) - |
|
und Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung |
hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
die Richter Huber,
Müller,
Maidowski
gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der
Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473)
am 9. März 2016 einstimmig beschlossen:
- Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen
- Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
I.
1. Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen einen Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 19. Januar 2016, mit dem die Auslieferung des Beschwerdeführers an die Russische Föderation zum Zweck der Strafverfolgung für zulässig erklärt wurde. Dem Auslieferungsersuchen der Russischen Föderation liegt ein Haftbefehl des Perworetschenskij-Rayongerichts der Stadt Wladiwostok vom 23. Mai 2015 zugrunde. Darin werden dem Beschwerdeführer verschiedene Betrugsdelikte im Zusammenhang mit dem Verkauf und der Reparatur von Kraftfahrzeugen sowie mit der Aufnahme eines Darlehens vorgeworfen. Der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer hat unter dem 8. Februar 2016 zunächst den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt, wonach die Vollziehung des angegriffenen Beschlusses des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts auszusetzen und der Beschwerdeführer von der Auslieferungshaft zu verschonen sei. Gegen den Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts erhob der Beschwerdeführer unter dem 17. Februar 2016 Verfassungsbeschwerde, die am selben Tag per Telefax beim Bundesverfassungsgericht einging.
2. Der in Kabul geborene Beschwerdeführer ist sowohl russischer als auch afghanischer Staatsangehöriger und bezeichnet sich als gläubigen Vertreter der Sikh-Religion. Er hat zusammen mit seiner Ehefrau und drei seiner Kinder einen Asylantrag in Deutschland gestellt, der laut Beschluss des Oberlandesgerichts vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) mit Bescheid vom 3. September 2015 abgelehnt wurde. Das verwaltungsgerichtliche Verfahren gegen den ablehnenden Asylbescheid ist noch nicht abgeschlossen. Vor seiner Ausreise nach Deutschland lebte der Beschwerdeführer vom Import und Verkauf japanischer Automobile. Zudem hat er nach seinem eigenen Vortrag mit dem russischen Inlandsgeheimdienst FSB ungefähr zehn Jahre lang kooperiert, um die russische Staatsbürgerschaft zu erhalten.
Der Beschwerdeführer trägt gegen die Zulässigkeit seiner Auslieferung vor, in der Vergangenheit von den russischen Behörden in Gewahrsam genommen und dort misshandelt worden zu sein. Man habe versucht, von ihm ein Geständnis zu erpressen, indem man ihn gefesselt, ihm eine Gasmaske aufgesetzt und die Sauerstoffzufuhr abgedreht habe. Außerdem habe man ihm mit einem Messer in den Rücken gestochen. Die ihm vorgeworfenen Straftaten würden von den russischen Behörden nur behauptet, um seiner habhaft zu werden. Als Angehöriger der Sikh und der afghanischen Volksgruppe werde er in Russland diskriminiert. Er befürchte, bei Überstellung in die Russische Föderation gefoltert zu werden. Dass Angehörige von Minderheitenreligionen in Russland diskriminiert würden, sei eine allgemein bekannte Tatsache. Insbesondere innerhalb der russischen Justiz sei die Zugehörigkeit zu einer weniger verbreiteten Religionsgemeinschaft des Öfteren ein Diskriminierungs- und sogar ein Foltergrund. Auch seine äußerlich erkennbare afghanische Abstammung führe in Russland zu erheblichen Problemen. Die erwartete Diskriminierung durch die russische Justiz sowie deren Korruption, Unzuverlässigkeit und fehlende Objektivität seien aufgrund entsprechender Berichte allgemein bekannt.
3. Das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht begründete die Zulässigkeit der Auslieferung des Beschwerdeführers an die Russische Föderation mit folgenden Erwägungen:
a) Die dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Straftaten seien auslieferungsfähig. Dem deutschen Richter sei im Auslieferungsverkehr eine Prüfung des Tatverdachts grundsätzlich verwehrt. Ausnahmen hiervon seien nur dann zulässig und geboten, wenn und soweit hinreichende Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass der ersuchende Staat seinen Anspruch auf Auslieferung missbräuchlich geltend mache, oder die besonderen Umstände des Falles befürchten ließen, dass der Verfolgte im Falle seiner Auslieferung einem Verfahren ausgesetzt wäre, das gegen unabdingbare, von allen Rechtsstaaten anerkannte Grundsätze und damit...