BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvR 2101/09 -
über
die Verfassungsbeschwerde
1. des Herrn Dr. S…,
2. der Frau S…
- Rechtsanwalt Dr. Franz Bielefeld,
in Sozietät RP Richter & Partner,
Nymphenburger Straße 3b, 80335 München
- Bevollmächtigter zu Ziffer 1. - - Rechtsanwalt Kai König,
c/o Nachmann Rechtsanwalts GmbH,
Theatinerstraße 15, 80333 München
- Bevollmächtigter zu Ziffer 2. -
gegen a) | den Beschluss des Landgerichts Bochum vom 7. August 2009 - 2 Qs 2/09 -, |
b) | den Beschluss des Amtsgerichts Bochum vom 8. April 2009 - 64 Gs-35 js 220/07-1491/08 -, |
c) | den Beschluss des Amtsgerichts Bochum vom 10. April 2008 - 64 Gs 1491/08 - |
hat die 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
die Richterin Osterloh
und die Richter Mellinghoff,
Gerhardt
gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 9. November 2010 einstimmig beschlossen:
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die Anordnung einer Wohnungsdurchsuchung in einem steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren. Die Beschwerdeführer wenden sich dagegen, dass der Anfangsverdacht auf Daten gestützt worden ist, die die Bundesrepublik Deutschland von einer Privatperson aus Liechtenstein erworben hat.
I.
Gegen die Beschwerdeführer wird wegen des Verdachts der Einkommensteuerhinterziehung in den Veranlagungszeiträumen 2002 bis 2006 ermittelt.
1. Das Amtsgericht Bochum ordnete mit Beschluss vom 10. April 2008 die Durchsuchung der Wohnung der Beschwerdeführer an. Im Rahmen der Ermittlungen gegen einen Liechtensteiner Treuhänder sei bekannt geworden, dass die Beschwerdeführer bei der L. AG in Liechtenstein am 17. Januar 2000 die K. Stiftung und am 14. Juni 2000 die T. S.A. gegründet hätten. Vermögensanlagen über diese Gesellschaften bei der L. AG in Liechtenstein seien den Beschwerdeführern zuzurechnen. Der Beschwerdeführer zu 1. habe zudem ein Konto bei der B. Bank in den Steuererklärungen nicht angegeben. Es seien Kapitalerträge aus den Vermögen der Stiftung und der S.A. in Höhe von etwa 2.000.000 DM nicht erklärt und dadurch voraussichtlich Steuern in den Jahren 2002 bis 2006 zwischen 16.390 € und 24.270 € verkürzt worden.
Bei der am 23. September 2008 vollzogenen Durchsuchung wurden ein Umschlag mit Unterlagen der L. AG sichergestellt und fünf Computerdateien ausgedruckt.
2. Die Beschwerdeführer legten gegen die Durchsuchungsanordnung Beschwerde ein und beantragten umfassende Akteneinsicht. Sie seien daran interessiert, die Daten einzusehen, die die Grundlage der Durchsuchungsanordnung bildeten.
Die Staatsanwaltschaft gewährte Akteneinsicht in die Ermittlungsakte und teilte den Beschwerdeführern mit, dass eine Akteneinsicht in alle Akten über die Gewinnung, den Weg und den Inhalt von Daten der L. AG nicht gewährt werden könne, weil darin Daten einer Vielzahl von Beschuldigten enthalten seien, die durch das Steuergeheimnis geschützt würden. Es könne jedoch mitgeteilt werden, dass es sich um Daten handele, die der Steuerfahndung im Wege der Amtshilfe durch den Bundesnachrichtendienst zur Verfügung gestellt worden seien.
Der Beschwerdeführer zu 1. beantragte daraufhin Einsicht in das Sicherstellungsverzeichnis bezüglich des Datenträgers und in Protokolle über die Vernehmung der Person, die die Daten geliefert habe. Auf diesen Antrag teilte die Staatsanwaltschaft mit, dass diese Unterlagen bei den Ermittlungsbehörden nicht vorhanden seien. Den Beschwerdeführern wurde Einsicht in die bei der Staatsanwaltschaft vorhandenen Ermittlungsakten gegeben.
3. a) Mit der Beschwerde machten die Beschwerdeführer geltend, die der Durchsuchung zugrundeliegenden Erkenntnisse seien unverwertbar. Die Erhebung der verfahrensgegenständlichen Daten verstoße gegen das Völkerrecht, weil die Bundesrepublik die Daten außerhalb des Europäischen Übereinkommens vom 20. April 1959 über die Rechtshilfe in Strafsachen und des Übereinkommens über Geldwäsche sowie Ermittlung, Beschlagnahme und Einziehung von Erträgen aus Straftaten vom 8. November 1990 erlangt habe. Die Verwendung der Daten verstoße auch gegen innerstaatliches Recht. Die Entgegennahme der Daten durch den Bundesnachrichtendienst sei rechtswidrig und strafbar gewesen. Der Bundesnachrichtendienst sei zur Entgegennahme der Daten nicht ermächtigt gewesen; die Weitergabe an die Staatsanwaltschaft verstoße darüber hinaus gegen das Trennungsgebot. Der Ankauf der Daten sei auch strafbar gewesen, denn hierdurch sei gegen § 17 Abs. 2 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) verstoßen worden.
Aufgrund der zahlreichen Rechtsverstöße seien die von der L. AG erlangten Daten unverwertbar; die Aufnahme und Fortführung des Ermittlungsverfahrens sei bereits deshalb unzulässig, weil die L. AG-Daten die einzigen Erkenntnisquellen seien, auf die sich die Strafverfolgungsbehörden berufen könnten. Wenn sich ein Strafverfahren allein auf rechtswidrig erlangte Beweismittel stütze, werde gegen das in Art. 6 Abs. 1 EMRK garantierte Recht auf ein faires Verfahren verstoßen.
b) Die Staatsanwaltschaft beantragte, den Beschwerden nicht abzuhelfen.
Der Verwertung der von privaten Personen überlassenen Beweismittel könne ein ausländischer Staat nicht widersprechen; völkerrechtliche Verträge seien insoweit nicht berührt. Aus dem innerstaatlichen Recht lasse sich ebenfalls kein Beweisverwertungsverbot ableiten; insbesondere beruhe die Verschaffung des Datenträgers nicht auf rechtswidrigen Handlungen. Es existiere keine Norm, die den Erwerb von steuerlich und steuerstrafrechtlich relevantem Informationsmaterial gegen Entgelt verbiete. Die Zahlung von Geld für Informationen sei dem Strafverfahren auch nicht fremd (z.B. Auslobung und Belohnung für Zeugen und V-Leute). Die Beschaffung des Datenträgers verstoße auch nicht gegen § 17 UWG.
Selbst wenn von einer rechtswidrigen Beweiserhebung ausgegangen würde, ergäbe sich nach der nach herrschender Meinung relevanten Abwägungslehre kein Beweisverwertungsverbot. Insoweit bezieht sich die Staatsanwaltschaft auf den Beschluss des Landgerichts Bochum vom 22. April 2008 - 2 Qs 10/08 -, der eine Unverwertbarkeit der angekauften Daten selbst dann ablehnt, wenn zugunsten der Beschuldigten davon auszugehen wäre, dass deutsches Strafrecht über § 7 StGB anwendbar sei, der Ankauf sich als Begünstigung im Sinne des § 257 StGB und als Beihilfe zum Geheimnisverrat nach § 17 Abs. 2 Nr. 2 UWG darstelle und die Vortat den Tatbestand der Betriebsspionage nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UWG erfülle. Es gehe in der vorliegenden Konstellation nicht um ein zunächst rechtswidriges Verhalten staatlicher Ermittlungsbehörden, sondern um strafrechtlich relevantes Verhalten einer Privatperson. Die Regelungen der Strafprozessordnung über die Beweisgewinnung würden sich an die Strafverfolgungsorgane, nicht jedoch an Privatpersonen richten. Daraus folge, dass durch Private in rechtswidriger Art und Weise gewonnene Beweismittel grundsätzlich verwertbar seien.
Im Rahmen der erforderlichen Abwägung sei zu berücksichtigen, dass die Verwertung der durch die Daten eröffneten Erkenntnisse nicht den unantastbaren Bereich privater Lebensgestaltung, sondern den geschäftlichen Bereich berühre. Die eventuelle Straftat richte sich auch nicht primär gegen den Beschuldigten. Zudem diene die Verwertung der Kenntnisse der Aufklärung einer Straftat, deren Aufklärung im besonderen Allgemeininteresse liege.
4. a) Das Amtsgericht half den Beschwerden nicht ab. Ergänzend zur Stellungnahme der Staatsanwaltschaft stellte das Gericht darauf ab, dass weder ein direkter Verstoß gegen das Völkerrecht vorliege noch multi- oder bilaterale Völkerrechtsbestimmungen umgangen worden seien. Die Daten seien weder auf Ersuchen an den Staat Liechtenstein noch auf Ersuchen an eine dritte Person zur Verfügung gestellt worden. Die Daten seien in keinem Fall auf Geheiß des Bundesnachrichtendienstes oder der Strafverfolgungsbehörden hergestellt, beschafft oder in sonstiger Weise erfasst, sondern lediglich passiv entgegengenommen worden. Hierzu sei der Bundesnachrichtendienst befugt gewesen, weil die DVD über 9.600 Datensätze über internationale Geldflüsse enthalte und lediglich auch die Daten der Beschwerdeführer.
b) Das Landgericht Bochum verwarf die Beschwerden mit Beschluss vom 7. August 2009 als unbegründet. Der für die Durchsuchung erforderliche Tatverdacht dürfe auf die strittigen Daten gestützt werden. Es bestehe kein Beweisverwertungsverbot. Das gelte selbst dann, wenn dabei nach innerstaatlichem Recht rechtswidrig oder gar strafbar gehandelt worden sein sollte.
Es sei bereits zweifelhaft, ob - wie die Beschwerdeführer behaupteten - das Europäische Übereinkommen über Rechtshilfe und das Übereinkommen über Geldwäsche umgangen worden sei. Der „Datendiebstahl“ sei der Bundesrepublik Deutschland nicht zuzurechnen. Selbst wenn völkerrechtliche Übereinkommen umgangen worden sein sollten, sei dies unschädlich, weil sich aus der Verletzung eines völkerrechtlichen Vertrages, der keine persönlichen Rechte gewähre, kein Verwertungsverbot ergebe. Im Übrigen sei das möglicherweise völkerrechtswidrige Geschehen („Datendiebstahl“ und Ankauf der „gestohlenen“ Daten) abgeschlossen gewesen; durch die Benutzung der Daten in dem Ermittlungsverfahren gegen die Beschwerdeführer würden die Übereinkommen nicht erneut beeinträchtigt.
II.
Mit der Verfassungsbeschwerde rügen die Beschwerdeführer die Verletzung ihrer Rechte auf ein faires, rechtsstaatliches Verfahren (Art. 2 Abs. 1 GG...