BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvR 1073/21 -
über
die Verfassungsbeschwerde
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der (…)-GmbH, vertreten durch: (…), |
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2. |
der (…)-GmbH, vertreten durch: (…), |
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3. |
des Herrn (…), |
- Bevollmächtigte:
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(…) -
gegen |
1. |
entschädigungslose und in der Folge existenzbedrohende |
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den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs |
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3. |
die derzeit laufenden staatlichen Hilfsprogramme, wie die |
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die Insolvenzantragspflicht wegen Zahlungsunfähigkeit und |
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Beschränkungen aus §§ 28, 28a und 28b des |
und | Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung |
hat die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
die Richter Paulus,
Christ
und die Richterin Härtel
gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der
Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473)
am 10. Februar 2022 einstimmig beschlossen:
- Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen
- Mit der Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegenstandslos (§ 40 Abs. 3 GOBVerfG)
I.
Die Beschwerdeführerin zu 1) ist die Muttergesellschaft einer Hotel-Unternehmensgruppe mit insgesamt 58 Hotels in Deutschland, die als Eigen- oder Franchisebetriebe sowie auf Grundlage eines Betriebsmanagementvertrags betrieben werden. Darüber befindet sich noch eine Konzernobergesellschaft. Die Beschwerdeführerin zu 2) ist eine Hotelbetriebsgesellschaft in der Unternehmensgruppe. Die meisten der Hotels der Unternehmensgruppe der Beschwerdeführerinnen verfügen auch über Restaurants, Bars, Sport- und Wellnessbereiche. Der Beschwerdeführer zu 3) hat eine Bürgschaft für Verbindlichkeiten der Beschwerdeführerin zu 1) übernommen.
Die Beschwerdeführerinnen zu 1) und 2) machen geltend, durch die COVID-19-Pandemie und den erlassenen Beherbergungs-, Gastronomie- und Veranstaltungseinschränkungen ihrer Betriebe wirtschaftlich in ihrer Existenz bedroht zu sein.
Mit ihrer Verfassungsbeschwerde wenden sich die Beschwerdeführenden mit der Rüge einer Verletzung in ihren Grundrechten aus Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG gegen § 28a Abs. 1 Nr. 5, 7, 8, 9, 12, 13, 14 und 17 und bei sachgerechter Auslegung auch gegen § 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 in der bis zum 30. Juni 2021 anwendbaren Fassung des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz - IfSG), soweit Geimpfte und Genesene hiervon erfasst werden und keine Entschädigungen der Beschwerdeführenden für die Beschränkungen erhalten. Weiter wenden sich die Beschwerdeführenden gegen eine Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, die einen gegen § 5, § 11 Abs. 5, § 13 Abs. 1, § 14 Abs. 1 sowie § 15 Abs. 1 der aufgrund des § 32 Satz 1 in Verbindung mit § 28 Abs. 1, § 28a IfSG erlassenen Zwölften Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (12. BayIfSMV) vom 5. März 2020 gerichteten Eilantrag der Beschwerdeführerin zu 2) abwies. Die Verfassungsbeschwerde richtet sich zudem gegen die in § 15a der Insolvenzordnung (InsO) normierte und bis zum 30. April 2021 auch zunächst gemäß § 1 des COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetzes (COVInsAG) ausgesetzte Insolvenzantragspflicht, soweit die Insolvenzgründe auf der Pandemie beruhen.
Die Beschwerdeführenden bringen vor, die im Zuge der Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie angeordneten Betriebsschließungen griffen intensiv in die Berufsfreiheit der Gewerbetreibenden aus Art. 12 Abs. 1 GG ein. In Gestalt eines Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb beeinträchtigten länger andauernde Betriebsschließungen zudem die von Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Eigentumsfreiheit. Von Hotelbetrieben, aber auch von Reisen zu touristischen Zwecken gehe – anders als vom Einzelhandel und körpernahen Dienstleistungen – generell ein sehr geringes Risiko aus. Verfassungsrechtlich bestehe aufgrund der Eingriffe in Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG eine Ausgleichspflicht für den Gesetzgeber.
Die Beschwerdeführenden machen weiter geltend, ihr Unternehmensverbund werde gleichheitswidrig durch die in den Förderprogrammen der staatlichen Hilfsmaßnahmen vorgesehenen absoluten Obergrenzen gegenüber kleineren und mittleren Unternehmen benachteiligt, die ihre nicht gedeckten Kosten nahezu vollständig erlangen könnten, während sie einer Existenzgefährdung ausgesetzt seien. Die gewährten Hilfen würden nicht proportional zum Schaden zugewiesen, sondern nähmen unter Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG degressiv zur Unternehmensgröße ab. Dies ließe sich auch beihilferechtlich nicht rechtfertigen, insbesondere habe es der Bundesregierung oblegen, Beihilfen nach Art. 107 Abs. 2 Buchstabe b AEUV zu beantragen.
II.
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht gemäß § 93a Abs. 2 BVerfGG zur Entscheidung anzunehmen. Sie hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, da sie unzulässig ist (vgl. BVerfGE 90, 22 <25 f.>).
1. Dem Beschwerdeführer zu 3) mangelt es bereits an der Beschwerdebefugnis. Dieser ist als Bürge für Verbindlichkeiten der Beschwerdeführerin zu 1) durch keine der angegriffenen Hoheitsakte selbst betroffen. Die Selbstbetroffenheit setzt eine rechtliche Betroffenheit voraus; eine nur faktische Beeinträchtigung im Sinne einer Reflexwirkung genügt nicht (vgl. BVerfGE 108, 370 <384> m.w.N.).
2. Soweit sich die Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerinnen zu 1) und 2) unmittelbar gegen die Vorschriften des Infektionsschutzgesetzes wendet, ist sie unzulässig, da sie eine Verletzung in ihren Grundrechten durch die angegriffenen Vorschriften entgegen der sich aus § 23 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1, § 92 BVerfGG ergebenden Begründungsanforderungen nicht schlüssig aufzeigt (a) und darüber hinaus dem Gebot der Rechtswegerschöpfung und der Subsidiarität nicht genügt (b).
a) Nach § 23 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1, § 92 BVerfGG ist zur Begründung der Verfassungsbeschwerde das angeblich verletzte Recht zu bezeichnen und der seine Verletzung enthaltende Vorgang substantiiert darzulegen (vgl. BVerfGE 9, 109 <114 f.>; 81, 208 <214>; 99, 84 <87>). Die Verfassungsbeschwerde muss sich mit dem zugrundeliegenden einfachen Recht sowie mit der verfassungsrechtlichen Beurteilung des vorgetragenen Sachverhalts auseinandersetzen (vgl. BVerfGE 89, 155 <171>; 101, 331 <345 f.>). Die Beschwerdeführenden müssen darlegen, mit welchen verfassungsrechtlichen Anforderungen die angegriffene Maßnahme kollidiert; sie müssen das Grundrecht in Bezug zu dem Lebenssachverhalt setzen und die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung verdeutlichen (vgl. BVerfGE 79, 203 <209>; 108, 370 <386 f.>; 120, 274 <298>). Richtet sich die Verfassungsbeschwerde gegen eine gerichtliche Entscheidung, bedarf es einer ins Einzelne gehenden argumentativen Auseinandersetzung mit ihr. Richtet sich eine Verfassungsbeschwerde unmittelbar gegen eine gesetzliche Vorschrift, muss der Beschwerdeführer ausreichend substantiiert geltend machen, durch die angegriffene Norm selbst, gegenwärtig und unmittelbar verletzt zu sein (vgl. BVerfGE 40, 141 <156>; 60, 360 <370>; 72, 39 <43>; 79, 1 <13>; stRspr).
Danach zeigt die Verfassungsbeschwerde eine Verletzung der Beschwerdeführerinnen in ihren Grundrechten nicht ausreichend auf.
aa) Soweit sie eine Verletzung von Art. 14 Abs. 1 GG rügt, lässt die Verfassungsbeschwerde eine hinreichende Darlegung der verfassungsrechtlichen Maßstäbe vermissen. Dabei fehlen substantiierte Ausführungen insbesondere zu der Frage, inwieweit die Beschränkungen des Hotelbetriebs der Beschwerdeführenden in den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG eingreifen. Insbesondere gilt dies für die Frage, ob das im...