Beschluss vom 11. Dezember 2019 - 1 BvR 3087/14
ECLI | ECLI:DE:BVerfG:2019:rk20191211.1bvr308714 |
Judgement Number | 1 BvR 3087/14 |
Date | 11 Diciembre 2019 |
Court | Constitutional Court (Germany) |
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvR 3087/14 -
über
die Verfassungsbeschwerde
des Herrn S…, |
- Bevollmächtigter:
- … -
gegen |
a) das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 10. September 2014 - IV ZR 298/13 -, |
|
b) das Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 6. August 2013 - 12 U 29/13 -, |
||
c) das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 25. Januar 2013 - 6 O 47/12 - |
hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
den Vizepräsidenten Harbarth
und die Richterinnen Baer,
Ott
am 11. Dezember 2019 einstimmig beschlossen:
- Das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 10. September 2014 - IV ZR 298/13 -, das Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 6. August 2013 - 12 U 29/13 - und das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 25. Januar 2013 - 6 O 47/12 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes, soweit sie einen Anspruch auf Zahlung der Rentendifferenz vor Mitteilung seiner Verpartnerung und Freistellung von den mit der vorgerichtlichen Durchsetzung dieses Anspruchs verbundenen Rechtsanwaltskosten vorenthalten haben. Das Urteil des Bundesgerichtshofs wird insoweit aufgehoben. Die Sache wird in diesem Umfang an den Bundesgerichtshof zurückverwiesen.
- Die Bundesrepublik Deutschland und das Land Baden-Württemberg haben dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen je zur Hälfte zu erstatten.
I.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Gleichbehandlung von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft im Bereich der betrieblichen Altersversorgung für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes nach der Satzung der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL).
1. Der Beschwerdeführer bezieht seit 1998 eine Zusatzrente. Bei deren Berechnung wurde gemäß § 41 Abs. 2a bis 2c der Satzung der Beklagten vom 22. Dezember 1966 in der Fassung vom 20. Dezember 2001 (VBLS a.F.) die Lohnsteuer nach der Steuerklasse I/0 zugrunde gelegt. Der Beschwerdeführer begründete am 23. November 2001 eine eingetragene Lebenspartnerschaft, worüber er die VBL erstmals mit Schreiben vom 8. Oktober 2006 unterrichtete. Im Jahre 2011 beantragte er eine Neuberechnung seiner Rente rückwirkend ab dem Zeitpunkt seiner Verpartnerung. Die VBL leistete eine Nachzahlung für den Zeitraum ab dem auf die Mitteilung über die Verpartnerung folgenden Monat, lehnte dies aber für den Zeitraum vor der Mitteilung ab.
2. Die Klage des Beschwerdeführers auf eine höhere Zusatzrente für den Zeitraum vor der Mitteilung seiner Verpartnerung blieb in allen Instanzen ohne Erfolg. Der Bundesgerichtshof führte aus, die eingetragene Lebenspartnerschaft des Beschwerdeführers müsse wie eine Ehe behandelt und für die Berechnung der Zusatzrente daher die für Ehepaare günstigere Steuerklasse III/0 zugrunde gelegt werden. Dies gelte jedoch erst ab der Mitteilung der Verpartnerung gegenüber der VBL, denn § 56 Abs. 1 Satz 4 VBLS a.F. setze einen diesbezüglichen Antrag voraus, der in der Mitteilung aus dem Jahr 2006 liege. Diese Anforderung verstoße nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, denn § 56 Abs. 1 Satz 4 VBLS a.F. gelte für verheiratete und verpartnerte Personen gleichermaßen. Die VBL sei nicht verpflichtet gewesen, den Beschwerdeführer vor der Mitteilung im Jahr 2006 darauf hinzuweisen, dass er die Neuberechnung beantragen müsse.
3. Der Beschwerdeführer rügt insbesondere eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG durch das Antragserfordernis des § 56 Abs. 1 Satz 4 VBLS a.F.
4. Die Akten der Ausgangsverfahren lagen vor. Das Bundesverfassungsgericht hat unter anderem dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz sowie den Beteiligten der Ausgangsverfahren Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Die VBL als Beklagte des Ausgangsverfahrens meint, eine verfassungskonforme Auslegung des § 56 Abs. 1 Satz 4 VBLS a.F., wonach auf das Antragserfordernis verzichtet werden müsse und sich die rückwirkende Neuberechnung der Betriebsrente auf die Zeit bis zur Begründung der eingetragenen Lebenspartnerschaft erstrecke, sei nicht geboten. Die Gleichstellung mit der Ehe gebiete es vielmehr, auf den Antrag abzustellen. Es sei verständigen Versicherten schon seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Juli 2002 im Normenkontrollverfahren über das „Gesetz zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften: Lebenspartnerschaften“ (BVerfGE 105, 313) ersichtlich gewesen, dass sich die eingetragene Lebenspartnerschaft hin zu einem mit der Ehe vergleichbaren Rechtsinstitut entwickle. Die VBL selbst habe erst mit dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 7. Juli 2009 (BVerfGE 124, 199) Kenntnis erlangt, dass die unterschiedliche Behandlung der eingetragenen Lebenspartnerschaft mit der Ehe eine ungerechtfertigte Diskriminierung darstelle und sodann ihre Versicherten davon unterrichtet.
II.
Die Kammer nimmt die zulässige Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung des als verletzt gerügten Rechts des Beschwerdeführers auf Gleichbehandlung gemäß Art. 3 Abs. 1 GG angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Diese Entscheidung kann von der Kammer getroffen werden, weil die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden sind. Die Verfassungsbeschwerde ist danach zulässig und offensichtlich begründet (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG).
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