BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvR 3474/08 -
über
die Verfassungsbeschwerde
1. | des Herrn E..., |
2. | des Herrn R..., |
Annastraße 28, 97072 Würzburg -
gegen a) | den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. Oktober 2008 - BVerwG 4 A 3001.08 -, |
b) | das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. Juli 2008 - BVerwG 4 A 3001.07 -, |
c) | den Ergänzungsplanfeststellungsbeschluss des Regierungspräsidiums Leipzig vom 27. Juni 2007 - 14-0513.20-10/14 - |
hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
den Präsidenten Papier
und die Richter Bryde,
Schluckebier
gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 15. Oktober 2009 einstimmig beschlossen:
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
I.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft den Ergänzungsplanfeststellungsbeschluss für den Verkehrsflughafen Leipzig/Halle sowie hierzu ergangene Gerichtsentscheidungen.
1. a) Der Planfeststellungsbeschluss vom 4. November 2004, geändert durch Beschluss vom 9. Dezember 2005, sah vor, die Südbahn des Flughafens Leipzig/Halle durch Drehung um einen Winkel von 20 Grad parallel zur Nordbahn auszurichten und auf 3.600 m zu verlängern. Zentrales Planungsziel war der Ausbau des Flughafens zu einem Drehkreuz für den Luftfrachtverkehr. Die Start- und Landebahnen sollten auf der Grundlage der unbefristeten Nachtfluggenehmigung vom 20. September 1990 in der Gestalt der Genehmigung vom 14. März 2000 im Wesentlichen ohne zeitliche Einschränkung für den Luftverkehr zur Verfügung stehen. Grundsätzlich untersagt waren lediglich An- und Abflüge im Rahmen von Ausbildungsflügen zwischen 22:00 Uhr und 6:00 Uhr. Ansonsten verwies der Planfeststellungsbeschluss die Flughafenanwohner auf passiven Lärmschutz.
Auf Klagen lärmbetroffener Anwohner - darunter auch die Beschwerdeführer - verpflichtete das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 9. November 2006 den im Ausgangsverfahren beklagten Freistaat Sachsen, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut darüber zu entscheiden, ob der Nachtflugbetrieb weiter beschränkt wird, soweit es nicht um Frachtflüge zum Transport von Expressgut geht (BVerwG 4 A 2001.06, BVerwGE 127, 95; sowie Beschlüsse vom 2. Mai 2007 - BVerwG 4 A 2000.07 bis 4 A 2002.07 -).
Mit dem vorliegend angegriffenen Ergänzungsplanfeststellungsbeschluss vom 27. Juni 2007 traf der Freistaat Sachsen unter anderem folgende betriebliche Regelungen, die ab Inbetriebnahme der Start- und Landebahn gelten sollen:
4.7.1. Beschränkungen in der Nachtzeit
In der Zeit von 22.00 bis 6.00 Uhr Ortszeit (Nachtzeit) wird der Flugbetrieb auf dem Flughafen Leipzig/Halle zum Schutz der Nachtruhe beschränkt. Flugbewegungen in der Zeit zwischen 22.00 bis 6.00 Uhr sind nur wie folgt zulässig:
4.7.1.1. Im gewerblichen Passagierverkehr
4.7.1.1.1. Starts und Landungen von Luftfahrtunternehmen des gewerblichen Linien- und Bedarfsluftverkehrs (außer Lufttaxiverkehr) von 22.00 bis 23.30 Uhr und von 5.30 bis 6.00 Uhr.
4.7.1.1.2. Verspätete Landungen und Starts in der Zeit von 23.30 bis 24.00 Uhr, sofern die planmäßige Ankunfts- oder Abflugzeit am oder vom Flughafen Leipzig/Halle vor 23.30 Uhr liegt und die Ankunft oder der Abflug vor 24.00 Uhr erfolgt; verfrühte Landungen in der Zeit von 5.00 bis 5.30 Uhr, sofern die planmäßige Ankunftszeit nach 5.30 Uhr liegt.
4.7.1.1.3. Flüge von Luftfahrtunternehmen nach 4.7.1.1.1., die einen Wartungsschwerpunkt ihrer Luftfahrzeuge auf dem Flughafen Leipzig/Halle haben und gewerblichen Linien- oder Bedarfsluftverkehr am Flughafen Leipzig/Halle durchführen, zum Zwecke der Wartung/Instandsetzung sowie Überführungs-/Bereitstellungsflüge dieser Luftfahrtunternehmen in der Zeit von 22.00 bis 23.30 Uhr und von 5.30 bis 6.00 Uhr.
4.7.1.2. Im gewerblichen Luftfrachtverkehr
4.7.1.2.1. Flüge von Luftfahrtunternehmen, die logistisch in das Luftfrachtzentrum am Flughafen Leipzig/Halle eingebunden sind, in der Zeit von 22.00 bis 6.00 Uhr.
4.7.1.2.2. Flüge von Luftfahrtunternehmen nach 4.7.1.2.1., die einen Wartungsschwerpunkt ihrer Luftfahrzeuge auf dem Flughafen Leipzig/Halle haben, zum Zwecke der Wartung/Instandsetzung sowie Überführungs-/Bereitstellungsflüge dieser Luftfahrtunternehmen in der Zeit von 22.00 bis 6.00 Uhr.
4.7.1.2.3. Flüge, die für Dienstleistungen im Sinne des § 4 Nr. 1 PostG erbracht werden.
...
4.7.2. Definition Wartungsschwerpunkt
Ein Wartungsschwerpunkt im Sinne von 4.7.1.1.3. und 4.7.1.2.2. ist gegeben, wenn ein Luftfahrtunternehmen in einem gemäß § 13 LuftGerPV genehmigten Instandhaltungsbetrieb regelmäßig auf dem Flughafen Leipzig/Halle an Luftfahrzeugen gesetzlich vorgeschriebene Wartungsarbeiten einschließlich solcher vom sog. A-Check aufwärts tatsächlich durchführen lässt.
4.7.3. Die Beschränkungen unter 4.7.1. finden keine Anwendung auf:
...
4.7.3.6. Flüge aufgrund polizeilicher oder militärischer Anforderung zur Erfüllung innerstaatlicher Aufgaben oder zur Erfüllung von Bündnisverpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland
4.7.3.7. Flüge aufgrund militärischer Anforderung zur Erfüllung internationaler Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland oder von Aufgaben aufgrund von Initiativen oder Mandaten der Europäischen Union, der Vereinten Nationen oder der NATO
4.7.3.8. sonstige Flüge aufgrund militärischer Anforderung, für die eine Einflugerlaubnis der jeweils zuständigen deutschen Behörde vorliegt.
...
Bereits seit März 2006 wird auf dem Flughafen Leipzig/Halle Sonderfrachtverkehr aufgrund militärischer Anforderung im Rahmen des internationalen SALIS-Projekts abgewickelt. SALIS (Strategic Airlift Interim Solution) ist ein Programm, mit dem NATO und EU Engpässe im strategischen Lufttransport durch Nutzung ziviler Transportkapazitäten überbrücken. In einer internationalen Ausschreibung wurde die R... GmbH ausgewählt, die mit dem Flugzeug AN124-100 über das weltgrößte Serien-Transportflugzeug verfügt. Darüber hinaus hat sich bereits im Jahr 2006 eine erhebliche Verkehrssteigerung beim Passagierverkehr durch den Anforderungsverkehr von Militär-Truppentransporten in Zivilflugzeugen ergeben, die insbesondere von den Fluggesellschaften W... und N... durchgeführt werden. Die Fluggesellschaften befödern US-Militärpersonal hauptsächlich zwischen verschiedenen zivilen und Militärflughäfen der USA und dem Nahen und Mittleren Osten. Hauptdestination in Asien ist der Verkehrsflughafen Kuwait. Der Flughafen Leipzig/Halle wird dabei für technische Zwischenlandungen genutzt.
b) Die Beschwerdeführer sind Eigentümer von in der Nähe des Flughafens Leipzig/Halle gelegenen Wohngrundstücken. Sie erhoben mit Schriftsatz vom 31. Juli 2007 Klage gegen den Ergänzungsplanfeststellungsbeschluss. Die Klage wurde vom Bundesverwaltungsgericht durch Urteil vom 24. Juli 2008 abgewiesen (BVerwG 4 A 3001.07, juris = BVerwGE 131, 316). Die daraufhin erhobene Anhörungsrüge wurde vom Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 29. Oktober 2008 zurückgewiesen (BVerwG 4 A 3001.08, juris).
2. Die Beschwerdeführer haben am 30. Oktober 2008 gegen den Ergänzungsplanfeststellungsbeschluss sowie das Urteil vom 24. Juli 2008 Verfassungsbeschwerde erhoben, in die sie am 11. Dezember 2008 den Anhörungsrügebeschluss vom 29. Oktober 2008 einbezogen haben. Sie rügen die Verletzung von Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG in Verbindung mit Art. 8 EMRK, Art. 14 Abs. 1 sowie Art. 103 Abs. 1 GG.
II.
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Sie hat keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung im Sinne von § 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG. Die hier maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen sind in der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hinreichend geklärt. Die Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerde hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg in der Sache.
1. Dies gilt zunächst, soweit die Beschwerdeführer geltend machen, der Ergänzungsplanfeststellungsbeschluss vom 27. Juni 2007 und das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. Juli 2008 verletzten das Recht auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG.
a) Das Recht auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG schützt den Einzelnen nicht nur als subjektives Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe. Es beinhaltet auch die staatliche Pflicht, sich schützend und fördernd vor die in ihm genannten Rechtsgüter Leben und körperliche Unversehrtheit zu stellen und sie vor rechtswidrigen Eingriffen von Seiten anderer zu bewahren. Die sich aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ergebende Schutzpflicht erfordert auch die Ergreifung von Maßnahmen zum Schutz vor gesundheitsschädigenden und gesundheitsgefährdenden Auswirkungen von Fluglärm (vgl. BVerfGE 56, 54 <73 ff.>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 20. Februar 2008 - 1 BvR 2722/06 -, juris Rn. 78; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 29. Juli 2009 - 1 BvR 1606/08 -, juris Rn. 9 ff.). Dass auch eine auf Grundrechtsgefährdungen bezogene Risikovorsorge von der Schutzpflicht der staatlichen Organe umfasst werden kann, ist in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bereits mehrfach zum Ausdruck gekommen (vgl. BVerfGE 49, 89 <140 ff.>; 53, 30 <57>; 56, 54 <78>). Die verfassungsrechtliche Schutzpflicht kann eine...