BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvR 477/17 -
über
die Verfassungsbeschwerde
1. |
des Herrn H…, |
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2. |
der Frau R…, |
- Bevollmächtigte:
- … -
gegen |
a) |
den Beschluss des Bundesgerichtshofs |
vom 12. Januar 2017 - III ZR 140/15 -, |
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b) |
das Urteil des Bundesgerichtshofs |
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vom 6. Oktober 2016 - III ZR 140/15 -, |
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c) |
das Urteil des Oberlandesgerichts Köln |
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vom 30. April 2015 - 7 U 4/14 -, |
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d) |
das Urteil des Landgerichts Bonn |
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vom 11. Dezember 2013 - 1 O 460/11 - |
hat die 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
den Richter Huber
und die Richterinnen Kessal-Wulf,
Wallrabenstein
gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der
Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473)
am 18. November 2020 einstimmig beschlossen:
- Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen
A.
Gegenstand der Verfassungsbeschwerde ist die Abweisung einer Amtshaftungsklage wegen eines Bundeswehreinsatzes in Kunduz (Afghanistan) durch die Zivilgerichte. Die Beschwerdeführer verlangten von der Bundesrepublik Deutschland die Zahlung von Schmerzensgeld und Schadensersatz.
I.
Nach dem Sturz des Taliban-Regimes in Afghanistan richtete der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen mit der Resolution 1386 vom 20. Dezember 2001 eine internationale Sicherheitsunterstützungstruppe (International Security Assistance Force – ISAF) ein. Deren Aufgabe bestand darin, die gewählte Regierung Afghanistans bei der Herstellung und Aufrechterhaltung eines sicheren Umfelds zu unterstützen. Die ISAF-Truppen durften zur Erfüllung ihres Auftrags alle notwendigen Maßnahmen einschließlich der Anwendung von Waffengewalt ergreifen. Der Deutsche Bundestag beschloss am 22. Dezember 2001 die Beteiligung deutscher Streitkräfte an den ISAF-Truppen. Im April 2009 übernahm Oberst i.G. K. das Kommando über das Provinz-Wiederaufbauteam (Provincial Reconstruction Team – PRT) Kunduz.
Am Nachmittag des 3. September 2009 bemächtigte sich eine Gruppe von Taliban-Kämpfern zweier Tanklastwagen. Bei dem Versuch, die Tanklastwagen auf die Westseite des Flusses Kunduz zu verbringen, blieben diese gegen 18:15 Uhr etwa sieben Kilometer Luftlinie vom Feldlager des PRT Kunduz entfernt auf einer Sandbank manövrierunfähig stecken. Gegen 20:30 Uhr erhielt Oberst i.G. K. die Information über die Entführung der Tanklastwagen. Durch Einsatz eines Aufklärungsflugzeugs konnten die Lastwagen gegen Mitternacht aufgespürt werden. Gegen 01:00 Uhr des 4. September 2009 forderte Oberst i.G. K. Luftunterstützung an, die von zwei US-amerikanischen Kampfflugzeugen gewährt wurde. Diese übermittelten ab 01:17 Uhr Echtzeit-Infrarot-Luftaufnahmen vom Geschehen auf der Sandbank an die Operationszentrale im Feldlager Kunduz, wo sich auch Oberst i.G. K. aufhielt. Diesem wurde durch einen Informanten des Militärs unter Vermittlung eines Verbindungsoffiziers insgesamt sieben Mal telefonisch bestätigt, dass sich auf der Sandbank lediglich Aufständische und keine Zivilisten befänden. Gegen 01:40 Uhr gab Oberst i.G. K. den Befehl zum Abwurf von zwei 500-Pfund-Bomben. Dadurch wurden beide Tanklastwagen zerstört sowie zahlreiche Personen, hierunter auch Zivilisten, getötet oder verletzt.
II.
1. Die Beschwerdeführer erhoben – jeweils gestützt auf § 839 Abs. 1 BGB in Verbindung mit Art. 34 Satz 1 GG – Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland. Der Beschwerdeführer zu 1. machte Schmerzensgeld aufgrund der Tötung zweier seiner Söhne durch den Luftangriff geltend. Die Beschwerdeführerin zu 2. beansprucht den Ersatz von Unterhaltsschäden wegen der Tötung ihres Ehemanns und des Vaters der gemeinsamen Kinder. Der Bombenangriff sei unter Verletzung humanitären Völkerrechts erfolgt; für Oberst i.G. K. sei die Anwesenheit von Zivilpersonen im Abwurfgebiet erkennbar gewesen.
a) Das Landgericht Bonn wies die Klage ab; ein Anspruch sei bereits dem Grunde nach nicht gegeben. Die Beweisaufnahme habe keine schuldhafte Verletzung einer drittschützenden Amtspflicht ergeben. Zwar sei das Amtshaftungsrecht auf ein völkerrechtsrelevantes Delikt deutscher Amtsträger grundsätzlich anwendbar. Der Befehl zum Bombenabwurf habe jedoch keine Verletzung einer drittschützenden Amtspflicht dargestellt, sondern sei mit den Regelungen des humanitären Völkerrechts in Einklang gestanden. Aufgrund der zum Zeitpunkt der Angriffsentscheidung vorliegenden Erkenntnis sei nicht von einer Verletzung von Zivilpersonen auszugehen gewesen.
b) Das Oberlandesgericht Köln wies die hiergegen eingelegte Berufung zurück und ließ die Revision zu. Das deutsche Amtshaftungsrecht sei auf Auslandseinsätze der Bundeswehr zwar grundsätzlich anwendbar; das Landgericht habe jedoch auf der Grundlage für das Berufungsgericht bindender tatsächlicher Feststellungen eine schuldhafte Amtspflichtverletzung verneint.
c) Die hiergegen eingelegte Revision wies der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 6. Oktober 2016 zurück. Aus dem Völkerrecht lasse sich ein individueller Schadensersatzanspruch ebenso wenig ableiten wie aus der Verpflichtung, das innerstaatliche Recht völkerrechtsfreundlich auszulegen (Art. 25 Satz 1 GG). Soweit § 839 Abs. 1 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG dem Wortlaut nach auch auf schuldhafte Verletzungen dem Schutz der Zivilbevölkerung dienender völkerrechtlicher Regeln durch Soldaten der Bundeswehr bei Auslandseinsätzen Anwendung finde, führe dies zu keinem anderen Ergebnis, weil eine Ausweitung des traditionellen Amtshaftungsrechts dem Gesetzgeber vorbehalten und weder verfassungsrechtlich noch völkerrechtlich geboten sei.
Im Übrigen fehle es an einem amtspflichtwidrigen Verhalten von Oberst i.G. K., für dessen rechtliche Beurteilung auf die Erkenntnisse sowie tatsachenbasierten Erwartungen abzustellen sei, die einem Befehlshaber bei der Planung und Durchführung einer militärischen Maßnahme ex ante zur Verfügung stünden. Insoweit habe Oberst i.G. K. alle in der konkreten Planungs- und Entscheidungssituation praktisch möglichen Aufklärungsmaßnahmen vorgenommen.
2. Die hiergegen erhobene Anhörungsrüge wies der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 12. Januar 2017 zurück.
III.
Die Beschwerdeführer rügen eine Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und Art. 14 Abs. 1 GG. Auch sei ihr Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt sowie gegen die Rechtsschutzgarantie aus Art. 19 Abs. 4 beziehungsweise Art. 20 Abs. 3 GG und die aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG folgende Gesetzesbindung der Gerichte verstoßen worden.
Das Amtshaftungsrecht sei auf den Einsatz deutscher Soldaten im Ausland ausweislich des Wortlauts von § 839 Abs. 1 BGB und Art. 34 Satz 1 GG uneingeschränkt anwendbar; eine diesbezügliche Einschränkung müsse der Gesetzgeber normieren. Mit dem vollständigen Ausschluss des Amtshaftungsrechts für Auslandseinsätze der Bundeswehr habe der Bundesgerichtshof nicht nur gegen die Gesetzesbindung der Rechtsprechung verstoßen, sondern sich auch eine ihm nicht zukommende Rechtsetzungskompetenz angemaßt. Das Revisionsurteil verkenne Ausstrahlungswirkung und Bedeutung der betroffenen Grundrechte grob. Im Übrigen sei die Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes (Art. 25 GG) zu berücksichtigen.
B.
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil sie jedenfalls unbegründet ist.
I.
1. Der Verfassungsbeschwerde kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu (§ 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG). Diese liegt nur vor, wenn die Verfassungsbeschwerde eine verfassungsrechtliche Frage aufwirft, die sich nicht ohne Weiteres aus dem Grundgesetz beantworten lässt und noch nicht durch die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung geklärt oder durch veränderte Verhältnisse erneut klärungsbedürftig geworden ist (vgl. BVerfGE 90, 22 <24 f.>; 96, 245 <248>). Soweit vorliegend verfassungsrechtliche Fragen – insbesondere zur Herleitung und Reichweite des Amtshaftungsanspruchs – in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts noch nicht geklärt sind, können sie auch hier offen bleiben.
II.
Die Verfassungsbeschwerde ist jedenfalls unbegründet. Fachgerichtliche Entscheidungen überprüft das Bundesverfassungsgericht zum einen lediglich daraufhin, ob sie auf...