BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvR 2754/17 -
über
die Verfassungsbeschwerde
der V… AG, vertreten durch den Vorstand, |
- Bevollmächtigte:
-
1. Rechtsanwälte Linklaters LLP,
Königsallee 49 - 51, 40212 Düsseldorf
-
2. Prof. Dr. Jörn Axel Kämmerer,
c/o Bucerius Law School,
Jungiusstraße 6, 20355 Hamburg -
gegen |
a) |
den Beschluss des Oberlandesgerichts Celle vom 23. November 2017 - 9 W 86/17 -, |
b) |
den Beschluss des Oberlandesgerichts Celle vom 8. November 2017 - 9 W 86/17 - |
hier: | Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung |
hat die 4. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
den Richter Paulus,
die Richterin Ott
und den Richter Christ
gemäß § 32 Abs. 1 in Verbindung mit § 93d Abs. 2 BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung
vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 20. Dezember 2017 einstimmig beschlossen:
- Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt
I.
Die Beschwerdeführerin wendet sich mit ihrer Verfassungsbeschwerde gegen die auf § 142 Abs. 2 AktG gestützte Bestellung eines Sonderprüfers. Dieser soll prüfen, ob ihre Organe im Zusammenhang mit der sogenannten „Abgasthematik“ Pflichten verletzt und insbesondere gegen die ad-hoc-Publizitätspflicht verstoßen haben.
1. Die Beschwerdeführerin ist eine börsennotierte Aktiengesellschaft, deren satzungsgemäßer Unternehmensgegenstand die Herstellung und der Vertrieb von Fahrzeugen und Motoren aller Art, deren Zubehör sowie aller Anlagen, Maschinen und Werkzeuge und sonstigen technischen Erzeugnisse ist. Die Antragstellerinnen des Ausgangsverfahrens geben an, Aktionärinnen der Beschwerdeführerin zu sein.
Nachdem im Mai 2014 bei Abgastests in den USA Unregelmäßigkeiten bei Messungen der Stickoxidwerte zwischen dem Prüfstand und dem normalen Fahrbetrieb bemerkt worden waren, leiteten die zuständigen U.S.-amerikanischen Behörden Ermittlungen ein, die im Januar 2017 in einen Vergleich zwischen der Beschwerdeführerin und dem U.S. Department of Justice mündeten.
Zur internen Aufarbeitung der Dieselthematik beauftragte die Beschwerdeführerin mehrere Rechtsanwaltskanzleien.
Im Zusammenhang mit der Dieselthematik führen die Staatsanwaltschaften B. und M. gegenwärtig Ermittlungsverfahren durch.
In der ordentlichen Hauptversammlung der Beschwerdeführerin am 22. Juni 2016 wurden Anträge der Antragstellerinnen des Ausgangsverfahrens auf Durchführung einer Sonderprüfung nach § 142 Abs. 1 AktG jeweils durch die Mehrheit der Aktionäre abgelehnt. Die anschließend von diesen gestellten Anträge auf Anordnung einer Sonderprüfung gemäß § 142 Abs. 2 AktG wies das Landgericht Hannover mit Beschluss vom 23. Juni 2017 zurück. Auf ihre hiergegen eingelegte Beschwerde hob das Oberlandesgericht die Entscheidung des Landgerichts mit Beschluss vom 8. November 2017 teilweise auf und ordnete die Durchführung einer Sonderprüfung unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen an. Die hiergegen gerichtete Anhörungsrüge und Gegenvorstellung der Beschwerdeführerin wies das Oberlandesgericht mit Beschluss vom 23. November 2017 zurück.
2. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde wendet sich die Beschwerdeführerin gegen die Anordnung der Sonderprüfung sowie die Zurückweisung ihrer Anhörungsrüge. Durch die Anordnung der Sonderprüfung sieht sie sich in ihren Grundrechten aus Art. 12 Abs. 1, Art. 13 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG verletzt. Im Wesentlichen beruft sich die Beschwerdeführerin darauf, das Oberlandesgericht habe bei der Auslegung von § 142 Abs. 2 AktG, namentlich bei der vorzunehmenden Verhältnismäßigkeitsprüfung, die Bedeutung und Tragweite des Grundrechts auf Berufsfreiheit nicht hinreichend berücksichtigt. Darüber hinaus rügt sie die Verletzung ihrer Rechte aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2, Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 103 Abs. 1 GG.
Die Beschwerdeführerin beantragt, im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 32 BVerfGG die Wirksamkeit des Beschlusses des Oberlandesgerichts Celle vom 8. November 2017 - 9 W 86/17 - einstweilen bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde auszusetzen und die Durchführung der Sonderprüfung bis zu einer Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde zu untersagen.
II.
Die Voraussetzungen für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung (§ 32 Abs. 1 BVerfGG) sind nicht gegeben. Zwar ist die erhobene Verfassungsbeschwerde weder von vornherein unzulässig noch offensichtlich unbegründet. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat aber keinen Erfolg, weil er unzulässig ist. Denn die Beschwerdeführerin hat einen Nachteil im Sinne des § 32 BVerfGG und im Übrigen teilweise die Dringlichkeit einer sofortigen Entscheidung nicht hinreichend dargelegt.
1. Zu den Zulässigkeitsanforderungen an einen Antrag nach § 32 Abs. 1 BVerfGG gehört die substantiierte Darlegung der Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 25. Oktober 2006 - 1 BvQ 30/06 -, juris; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 17. November 2006 - 1 BvQ 33/06 -, juris; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 27. November 2015 - 2 BvQ 43/15 -, juris). Nach § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung...