Beschluss vom 20. Februar 2018 - 2 BvR 2675/17
ECLI | ECLI:DE:BVerfG:2018:rk20180220.2bvr267517 |
Date | 20 Febrero 2018 |
Citation | BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 20. Februar 2018 - 2 BvR 2675/17 - Rn. (1-24), |
Judgement Number | 2 BvR 2675/17 |
Court | Constitutional Court (Germany) |
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvR 2675/17 -
über
die Verfassungsbeschwerde
des Herrn O …, |
- Bevollmächtigte:
-
Rechtsanwältin Anna Magdalena Busl,
Hausdorffstraße 9, 53129 Bonn -
gegen |
a) |
den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 26. Oktober 2017 - 18 B 1129/17 -, |
b) |
den Beschluss des Verwaltungsgerichts Köln vom 30. August 2017 - 11 L 2304/17 -, |
|
c) |
die Verfügung des Rhein-Sieg-Kreises vom 24. April 2017 - 30.24-98040200124 - |
und | Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung |
hat die 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
den Präsidenten Voßkuhle,
die Richterin Kessal-Wulf
und den Richter Maidowski
am 20. Februar 2018 einstimmig beschlossen:
- Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Köln vom 30. August 2017 - 11 L 2304/17 - und der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 26. Oktober 2017 verletzen das Recht des Beschwerdeführers aus Artikel 101 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes. Die Entscheidungen werden aufgehoben und die Sache an das Verwaltungsgericht Köln zurückverwiesen
- Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
- Das Land Nordrhein-Westfalen hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen für das Verfassungsbeschwerdeverfahren und für das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu erstatten
- Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit wird für das Verfassungsbeschwerdeverfahren auf 10.000 € (in Worten: zehntausend Euro) und für den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auf 5.000 € (in Worten: fünftausend Euro) festgesetzt.
I.
1. Der Beschwerdeführer ist marokkanischer Staatsangehöriger. Er reiste am 15. März 1989 im Wege der Familienzusammenführung in die Bundesrepublik Deutschland ein.
2. Mit Verfügung vom 20. März 2014 wies die Ausländerbehörde des Rhein-Sieg-Kreises den Beschwerdeführer nach zuvor erfolgter Anhörung gemäß § 53 Nr. 1 und 2 AufenthG aus, ordnete die sofortige Vollziehbarkeit der Ausweisung an und drohte dem Beschwerdeführer die Abschiebung nach Marokko an. Er sei wegen einer Vielzahl von Eigentums- und Vermögensdelikten sowie des Erwerbs und Handeltreibens mit Betäubungsmitteln strafrechtlich in Erscheinung getreten und innerhalb von fünf Jahren zu mehreren Freiheitsstrafen von zusammen mindestens drei Jahren verurteilt worden. Er habe seine seit 18 Jahren bestehende Drogenabhängigkeit in mehreren Therapien nicht bekämpfen können und sei selbst während seines Strafvollzugs straffällig geworden. Eine trennungsbedingte Belastung sei dem Beschwerdeführer und seiner Familie zuzumuten, weil die Ausweisung aufgrund immer wiederkehrender schwerwiegender Straftaten erfolge. Von dem Beschwerdeführer, der seinen Drogenkonsum im Wege der Beschaffungskriminalität finanziere, gehe eine besondere Gefährlichkeit aus. Die Beziehung zu seiner Lebensgefährtin sei nicht durch Art. 6 GG geschützt. Auch wenn der Beschwerdeführer lange in Deutschland gelebt habe, sei es ihm nicht gelungen, sich in das wirtschaftliche, kulturelle und gesellschaftliche Leben zu integrieren. Duldungsgründe seien nicht ersichtlich.
3. In dem gegen diese Ausweisung gerichteten Klageverfahren schlossen der Beschwerdeführer und der Rhein-Sieg-Kreis am 24. Juni 2014 einen Vergleich. Danach sollte dem Beschwerdeführer eine einjährige Duldung erteilt werden, die erlosch, wenn er eine Suchttherapie nicht bis zum 1. September 2014 aufnahm oder diese vorzeitig beendete. Daraufhin nahm der Beschwerdeführer seine Klage zurück. Am 8. August 2014 erhielt er eine einjährige Duldung.
4. Unter dem 24. Mai 2017 erhob der Beschwerdeführer beim Verwaltungsgericht Köln Klage, mit der er die Erteilung einer Duldung begehrte. Zugleich stellte er einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Für die Verfahren war zu diesem Zeitpunkt nach dem Jahresgeschäftsverteilungsplan des Verwaltungsgerichts dessen 12. Kammer zuständig. Zur Begründung machte der Beschwerdeführer geltend, er habe seine Therapie inzwischen erfolgreich abgeschlossen und befinde sich in einem festen Arbeitsverhältnis. Außerdem sei er seit seiner Haftentlassung im Februar 2015 nicht mehr straffällig geworden. Zudem sei die ihm erteilte Duldung nicht erloschen; ihm sei Anfang des Jahres 2017 sogar die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis in Aussicht gestellt worden.
5. Das Verwaltungsgericht änderte seinen Geschäftsverteilungsplan für das Jahr 2017 durch Beschluss des Präsidiums vom 29. Juni 2017. In dieser 5. Änderung des Geschäftsverteilungsplans 2017 ist unter Ziffer II. 6. geregelt:
„Die 12. Kammer gibt die in dem Sachgebiet 0600 [Ausländer- und Aufenthaltsrecht ohne Asyl] im Jahr 2017 eingegangenen und noch anhängigen Verfahren aus dem Rhein-Sieg-Kreis und aus dem Oberbergischen Kreis an die 11. Kammer ab.“
Der Übergang der unter Ziffer II. 6. genannten Verfahren auf die 11. Kammer des Verwaltungsgerichts erfolgte nach Ziffer I. 2. des Beschlusses vom 29. Juni 2017 zum 1. August 2017. Unter Ziffer II. 8. dieses Beschlusses findet sich die folgende Regelung:
„Ist bei den unter den Ziffern 6 und 7 genannten Verfahren von der abgebenden Kammer ein Termin zur mündlichen Verhandlung durchgeführt oder ein Gerichtsbescheid erlassen worden...
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