Urteil Nr. VIII ZR 66/17 des VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs, 24-10-2018

ECLIECLI:DE:BGH:2018:241018UVIIIZR66.17.0
Docket NumberVIII ZR 66/17
Date24 Octubre 2018
CourtVIII. Zivilsenat
ECLI:DE:BGH:2018:241018UVIIIZR66.17.0
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 66/17 Verkündet am:
24. Oktober 2018
Reiter,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
BGB § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2
a) Ein Fahrzeug ist nicht frei von Sachmängeln, wenn die Software der Kupplungs-
überhitzungsanzeige eine Warnmeldung einblendet, die den Fahrer zum Anhalten
auffordert, um die Kupplung abkühlen zu lassen, obwohl dies auch bei Fortset-
zung der Fahrt möglich ist.
b) An der Beurteilung als Sachmangel ändert es nichts, wenn der Verkäufer dem
Käufer mitteilt, es sei nicht notwendig, die irreführende Warnmeldung zu beachten.
Dies gilt auch dann, wenn der Verkäufer zugleich der Hersteller des Fahrzeugs ist.
BGB § 439 Abs. 1 Alt. 2, § 275 Abs. 1
Der Verkäufer eines mit einem Softwarefehler behafteten Neufahrzeugs kann der
vom Käufer beanspruchten Ersatzlieferung eines mangelfreien Fahrzeugs nicht ent-
gegenhalten, diese sei unmöglich geworden (§ 275 Abs. 1 BGB), weil die nunmehr
produzierten Fahrzeuge der betreffenden Modellversion mit einer korrigierten Version
der Software ausgestattet seien.
- 2 -
BGB § 439 Abs. 1 Alt. 2, § 242 Cd
a) Der Wahl der Nacherfüllung durch Ersatzlieferung einer mangelfreien Sache steht
- in den Grenzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) - grundsätzlich nicht entge-
gen, dass der Käufer zuvor vergeblich Beseitigung des Mangels (§ 439 Abs. 1
Alt. 1 BGB) verlangt hat.
b) Das Festhalten des Käufers an dem wirksam ausgeübten Recht auf Ersatzliefe-
rung einer mangelfreien Sache ist - ebenso wie das Festhalten des Käufers an ei-
nem wirksam erklärten Rücktritt vom Kaufvertrag (BGH, Urteile vom 5. November
2008 - VIII ZR 166/07, NJW 2009, 509 Rn. 23; vom 26. Oktober 2016 - VIII ZR
240/15, NJW 2017, 153 Rn. 31) - nicht treuwidrig, wenn der Mangel nachträglich
ohne Einverständnis des Käufers beseitigt wird (hier durch Aufspielen einer korri-
gierten Version der Software).
BGB § 439 Abs. 3 aF (§ 439 Abs. 4)
a) Ob die vom Käufer beanspruchte Art der Nacherfüllung (hier: Ersatzlieferung einer
mangelfreien Sache) im Vergleich zu der anderen Variante (hier: Beseitigung des
Mangels) wegen der damit verbundenen Aufwendungen für den Verkäufer unver-
hältnismäßige Kosten verursacht und diesen deshalb unangemessen belastet,
entzieht sich einer verallgemeinerungsfähigen Betrachtung und ist aufgrund einer
umfassenden Interessenabwägung und Würdigung aller maßgeblichen Umstände
des konkreten Einzelfalls unter Berücksichtigung der in § 439 Abs. 3 Satz 2 BGB
aF (§ 439 Abs. 4 Satz 2 BGB) genannten Kriterien festzustellen.
b) Für die Beurteilung der relativen Unverhältnismäßigkeit der vom Käufer gewählten
Art der Nacherfüllung im Vergleich zu der anderen Art ist grundsätzlich auf den
Zeitpunkt des Zugangs des Nacherfüllungsverlangens abzustellen.
c) Der auf Ersatzlieferung in Anspruch genommene Verkäufer darf den Käufer nicht
unter Ausübung der Einrede der Unverhältnismäßigkeit auf Nachbesserung ver-
weisen, wenn der Verkäufer den Mangel nicht vollständig, nachhaltig und fachge-
recht beseitigen kann.
BGB § 439 Abs. 2
§ 439 Abs. 2 BGB kann verschuldensunabhängig auch vorgerichtliche Rechtsan-
waltskosten erfassen, die dem Käufer entstehen, um das Vertragsziel der Lieferung
einer mangelfreien Sache zu erreichen.
BGH, Urteil vom 24. Oktober 2018 - VIII ZR 66/17 - OLG Nürnberg
LG Nürnberg-Fürth
- 3 -
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 5. September 2018 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Milger, die Richte-
rinnen Dr. Hessel und Dr. Fetzer sowie die Richter Dr. Bünger und Kosziol
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten und die Anschlussrevision des
Klägers wird das Urteil des Oberlandesgerichts Nürnberg
- 14. Zivilsenat - vom 20. Februar 2017 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung,
auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Beru-
fungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger erwarb mit Kaufvertrag vom 20. Juli 2012 von der Beklagten,
die Kraftfahrzeuge herstellt und mit ihnen handelt, für 38.265 einen Neuwa-
gen , der dem Kläger im September 2012 geliefert wurde.
Das dem damaligen Serienstandard entsprechende Fahrzeug ist mit einem
Schaltgetriebe sowie mit einer Software ausgestattet, die bei drohender Über-
hitzung der Kupplung eine Warnmeldung einblendet. Ab Januar 2013 erschien
im Textdisplay des Autoradios, wie die Beklagte in zweiter Instanz nicht mehr
bestritten hat, nach dem zu dieser Zeit noch geltenden Stand der Serie mehr-
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