Beschluss vom 03. Juli 2006 - 2 BvR 1383/03
ECLI | ECLI:DE:BVerfG:2006:rk20060703.2bvr138303 |
Citation | BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 03. Juli 2006 - 2 BvR 1383/03 - Rn. (1-24), |
Date | 03 Julio 2006 |
Judgement Number | 2 BvR 1383/03 |
Court | Constitutional Court (Germany) |
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvR 1383/03 -
über
die Verfassungsbeschwerde
des Herrn L...
gegen a) | den Beschluss des Kammergerichts vom 8. Juli 2003 - 5 Ws 363/03 Vollz -, |
b) | den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 19. Mai 2003 - 546 StVK (Vollz) 734/02 - |
und | Antrag auf Bewilligung von
Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt W., Berlin |
hat die 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
den Richter Broß,
die Richterin Lübbe-Wolff
und den Richter Gerhardt
gemäß § 93c in Verbindung mit § 93a Absatz 2 Buchstabe b BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 3. Juli 2006 einstimmig beschlossen:
- Der Beschluss des Landgerichts Berlin vom 19. Mai 2003 - 546 StVK (Vollz) 734/02 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes und wird aufgehoben, soweit er den Antrag des Beschwerdeführers auf gerichtliche Entscheidung über die Feststellung seiner Eignung für Vollzugslockerungen in der Vollzugsplanfortschreibung zurückweist. Insoweit wird der Beschluss des Kammergerichts vom 8. Juli 2003 - 5 Ws 363/03 Vollz - gegenstandslos.
- Die Sache wird im Umfang der Aufhebung an das Landgericht Berlin zurückverwiesen.
- Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.
- Das Land Berlin hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen zur Hälfte zu erstatten.
- Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt W., Berlin, wird abgelehnt, soweit er sich nicht erledigt hat.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft den Rechtsschutz gegen die in einer Vollzugsplanfortschreibung getroffenen Feststellungen zur Zuweisung des Beschwerdeführers in eine Wohn- und Behandlungsgruppe und zur Eignung des Beschwerdeführers für Vollzugslockerungen.
I.
1. Der wegen Mordes verurteilte Beschwerdeführer verbüßt eine lebenslange Freiheitsstrafe in der Justizvollzugsanstalt Tegel. Der für ihn am 30. September 1999 erstellte und sodann mehrfach fortgeschriebene Vollzugsplan sah seine Aufnahme in einer Wohn- und Behandlungsgruppe in der Teilanstalt V nach vorheriger Unterbringung in der Teilanstalt III vor. Aufgrund der begrenzten Kapazität waren in der Teilanstalt III zahlreiche Inhaftierte untergebracht, die auf einen freiwerdenden Platz in der Teilanstalt V warten. Aufgrund einer Konferenz am 24. September 2002 wurde der Vollzugsplan erneut fortgeschrieben. Dabei wurde unter anderem eine Verlegung des Beschwerdeführers auf eine noch einzurichtende wohngruppenähnliche Station der Teilanstalt III in Aussicht gestellt. Weiter wurde, wie zuvor schon in einer am 3. Juli 2001 erfolgten Vollzugsplanfortschreibung, festgestellt, dass der Beschwerdeführer, der im Vorfeld der Konferenz keine Vollzugslockerungen beantragt hatte, für Vollzugslockerungen nicht geeignet sei. Eine Flucht- oder Missbrauchsgefahr könne nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden. Da der Beschwerdeführer den Mord nicht eingestehe, sondern eine Notwehrsituation für sich reklamiere und ein Wiederaufnahmeverfahren anstrebe, sei eine Straftataufarbeitung noch nicht erkennbar. In Anbetracht des noch langen Strafrestes ließen sich Flucht- und Missbrauchsbefürchtungen nicht in dem erforderlichen Maße ausschließen. Am 12. August 2003 - unmittelbar nach Abfassung der Verfassungsbeschwerdeschrift - wurde der Beschwerdeführer in die Teilanstalt V verlegt.
2. Den gegen die Fortschreibung des Vollzugsplans gestellten Antrag des Beschwerdeführers auf gerichtliche Entscheidung wies das Landgericht Berlin mit Beschluss vom 19. Mai 2003 zurück. Der Antrag sei unzulässig, soweit er sich gegen die Feststellung richte, der Beschwerdeführer sei für Vollzugslockerungen nicht geeignet. Bei dieser Feststellung handle es sich nicht um eine anfechtbare Maßnahme im Sinne des § 109 Abs. 1 StVollzG, denn der Beschwerdeführer habe im Vorfeld der Vollzugsplankonferenz keine Lockerungen beantragt. Soweit sich der Beschwerdeführer gegen die Entscheidung wende, ihn vorerst nicht in die Teilanstalt V zu verlegen, sei der Antrag unbegründet, da die dort im behandlungsorientierten Wohngruppenvollzug zur Verfügung stehenden Haftplätze begrenzt seien und der Beschwerdeführer Gründe für eine bevorzugte Behandlung gegenüber den zahlreichen anderen Strafgefangenen, die ebenfalls auf eine Verlegung in die Teilanstalt V warteten, nicht geltend gemacht habe.
3. Die gegen diese Entscheidung eingelegte Rechtsbeschwerde des Beschwerdeführers verwarf das Kammergericht mit Beschluss vom 8. Juli 2003. Die Frage der...
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...Rechte des Gefangenen verletzt (vgl. Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 3. Juli 2006 - 2 BvR 1383/03 -, juris). Im vorliegenden Fall bestand diese Möglichkeit. Der Beschwerdeführer wandte sich gegen einen nach seinem Vortrag vom Anstaltspersonal ang......
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